Geschichte

Berühmtheiten aus Neukölln: Von Buschkowsky bis Christiane F.

Neukölln ist vergleichsweise oft in den Schlagzeilen überregionaler und regionaler Medien, die Schlagworte sind häufig: Gewalt, Clan-Kriminalität oder Hipster. Neukölln ist oder war aber auch die Heimat einer Reihe von Berühmtheiten – und nicht immer ist der Öffentlichkeit bewusst, wie stark die Verbindung zwischen Bezirk und Promi ist. Wir stellen eine Reihe Neuköllner Berühmtheiten vor, vom Ewig-Bürgermeister Heinz Buschkowsky über Inge Meysel bis zu Fußball-Nationalspieler Toni Rüdiger.


Heinz Buschkowsky

Gilt als Ziehvater von Franziska Giffey: Heinz Buschkowsky. Foto: Imago/Jakob Hoff

Heinz Buschkowsky war gut 15 Jahre lang Neuköllns Bürgermeister, gefühlt könnten es aber auch 25 sein. Buschkowsky hat gespalten und provoziert, geackert und herumprobiert. Mit Maßnahmen wie dem Wachschutz, den er an Neuköllner Schulen eingeführt hat, oder Aussagen wie „Multikulti ist gescheitert“ hat er weite Teile Berlins gegen sich aufgebracht. Andere Ideen Buschkowskys wie „Stadtteilmütter“, wo Frauen mit türkischen oder arabischen Wurzeln Neuankömmlinge besuchen und Sozialarbeit leisten, gelten als Leuchtturmprojekte. Der Politiker, der in einer Keller-Einzimmerwohnung in Rudow aufwuchs, gilt als politischer Ziehvater von Franziska Giffey. Bei der jüngsten Berlin-Wahl verlieh Buschkowsky seiner politischen Position rechts der SPD Ausdruck und machte Wahlkampf für die CDU. Danach sprach er sich gegen ein Weiterregieren von Rot-Grün-Rot aus. Sicher ist: Heinz Buschkowksy hat Neukölln in den 2000er-Jahren und in der ersten Hälfte der 2010er so geprägt wie kaum ein anderer.


Felix Lobrecht

Sohn der Gropiusstadt: Felix Lobrecht. Foto: Imago/Future Image/N.Kubelka

Es war mal wieder Zeit für einen richtigen Berlin-Film und Felix Lobrecht hat ihn zur Berlinale 2023 geliefert. „Sonne und Beton“ basiert auf Lobrechts gleichnamigem Buch aus dem Jahr 2017. Es geht ums Aufwachsen in der Gropiusstadt und in Neukölln, ums Scheiße-Bauen und um Freundschaft. Unser Filmkritiker Bert Rehandl findet: Sonne und Beton ist poetisch, realistisch und drastisch zugleich. Lobrecht begann seine kreative Karriere auf Berliner Poetry Slams, es folgten der Podcast „Gemischtes Hack“ mit Tommy Schmitt, diverse Deutschland-Touren als Stand-up-Comedian und Radio-Shows. Auch wenn er kein gebürtiger Berliner ist: Ein bisschen Berliner Sprech schwingt bei seinen Auftritten immer mit. Und es passt. Übrigens genauso wie sein Style, die weißen T-Shirts, die Jogginghosen und die Pullover, die einfach irgendwie „Neukölln“ sagen.


Juju

Juju startete erst als eine Hälfte von SXTN durch und jetzt alleine. Foto: Imago/Future Image/R. Keuntje

Sie rappt über die Sonnenallee, den Hermannplatz, die U7, die U8. Judith Wessendorf alias Juju ist Neuköllnerin und das hört man in ihren Songs, die das Lebensgefühl im Bezirk verkörpern und atmen wie ein Späti im Schillerkiez. Und ihr vollständiger Künstlername Juju44 lehnt sich ebenfalls an Neukölln an, an den alten Postbezirk 44 nämlich. Ihren Durchbruch hatte Juju zusammen mit Nura als Duo SXTN, mit „Bongzimmer“ und „Von Party zu Party“. 2019 war die SXTN-Zeit vorbei, Juju und Nura gaben an, sie hätten sich auf persönlicher und professioneller Ebene auseinander gelebt. Seitdem hat Juju eine Reihe von Charterfolgen gefeiert, unter anderem mit Henning May, Nina Chuba und Capital Bra. Kotti, Risa-Chicken, der Wannsee: Diese Berliner Orte kommen auch immer wieder im Deutschrap vor.


Christiane F.

Christiane F. auf einem Foto von Ilse Ruppert. Foto: Imago/Photo12/Ilse Ruppert

„Gropiusstadt, das sind Hochhäuser für 45.000 Menschen, dazwischen Rasen und Einkaufszentren. Von weitem sah alles sehr gepflegt aus. Doch wenn man zwischen den Hochhäusern war, stank es überall nach Pisse und Kacke.“ So beschrieb Christiane F., Deutschlands wohl berühmteste Drogenabhängige, die Gropiusstadt. Mit elf Jahren zog sie in die Siedlung im Süden Neuköllns. Es folgten lustige Abende im dortigen Jugendzentrum und neue Freundschaften, aber auch der Absturz – mit Alkohol, Gras, Pillen und schließlich Heroin. Im Buch beschreibt sie, aufgeschrieben von Kai Hermann und Horst Rieck, ihr Junkie-Leben. Clean wird sie erst, als sie aus Neukölln und Berlin wegzieht, zu Verwandten nahe Hamburg. Rückfälle hatte sie etliche. 2008 machten Berichte die Runde, sie lebe inzwischen wieder in Berlin, sei wieder auf Heroin und halte sich oft rund um das Kottbusser Tor auf. Ihr zweites Buch, veröffentlicht 2013, erzählt von ihren Kämpfen mit den Drogen und den Stationen ihres Lebens, vor allem aber von ihren Anstrengungen, eine gute Mutter zu sein. Auf das Leben von Christiane F. blicken wir hier. Und zeigen euch Fotos von Ilse Ruppert, die Christiane F. begleitete.


Kurt Krömer

Kurt Krömer liebt Neukölln – viel seiner Gäste bei „Chez Krömer“ dagegen mochte er dagegen offensichtlich nicht. Screenshot: tipBerlin

Nach siebeneinhalb Staffeln hatte Alexander Bojcan alias Kurt Krömer keine Lust mehr und ließ seinen (unausstehlichen) Gast einfach im Studio alias Verhörraum sitzen. Das war Faisal Kawuzi, ein Comedian, der vorher durch rassistische Aussagen und einem Witz über K.O.-Tropfen aufgefallen war. Wie immer grillte Krömer sein Gegenüber, die Antworten Kawuzis aber waren so ignorant, dass Krömer, der anscheinend schon länger die Schnauze voll hatte, ging und „Chez Krömer“ für beendet erklärte.

Vorher aber hatte seine Sendung längst Kultstatus erreicht und Krömer war zu einem der bekanntesten Neuköllner geworden. Für Aufsehen sorgte auch sein Buch, in dem er offen über seine Depressionen schrieb. Und vor mehr als zehn Jahren, zu der Zeit, als seine Stand-up-Comedy-Sendung „Kurt Krömer live“ im Fernsehen lief, führte er einmal „Spiegel TV“ durch Neukölln. Dabei sprach er über seine Liebe zum Bezirk, das Aufwachsen dort und den Blick von außen aufs den „Problemstadtteil“. Noch mehr Berliner Comedian, die wir lieben, findet ihr hier.


Berühmtheiten aus Neukölln: Inge Meysel

Inge Meysel kam in Rixdorf zur Welt. Foto: Imago/United Archives

Inge Meysel war durch ihre zahlreichen Film- und Theaterrollen in ganz Deutschland berühmt, sie trug wegen des Stücks „Fenster zum Flur“ gar den Namen „Mutter der Nation“. Vor allem aber war sie ein Berliner Star. Meysel war bekannt für ihr loses Mundwerk, ganz im Sinne der Berliner Schnauze. Dazu sagte sie einmal: „Bevor einer unverschämt zu mir wird, werde ich unverschämt zu ihm.“ Sie kam im Jahr 1910 in Rixdorf (so hieß Neukölln damals noch) zur Welt, als Tochter des jüdischen Kaufmanns und Julius Meysel und dessen Frau Margarete. Die Schule brach sie vorzeitig ab und startete 1930 ihre Theaterkarriere – die sie in der Nazizeit wegen ihrer jüdischen Wurzeln unterbrechen musste. Nach 1945 war sie dann angeblich zu alt für „junge Rollen“. Deswegen spielte sie zuerst oft resolute Hausfrauen, erweiterte mit der Zeit aber ihr Repertoire von Hebammen über sture harte Frauen bis hin zu alten dementen Frauen in ihrer späten Karriere. Weitere berühmte Berlinerinnen und Berliner stellen wir euch hier vor.


Berühmtheiten aus Neukölln: Horst Buchholz

Horst Buchholz verbrachte einige seiner Lebensjahre in Neukölln. Foto: Imago/Image courtesy Ronald Grant Archive/Mary Evans

Horst Buchholz in „Die glorreichen Sieben“, Horst Buchholz in „Eins, Zwei, Drei“, in „Tiger Bay“ oder in „Monpti“: Man muss noch ein paar Minuten einer dieser Filme gesehen haben, um zu verstehen, warum Horst Buchholz als der deutsche James Dean gehandelt wurde. Der Mann sah einfach unverschämt gut aus und hatte dazu das nötige Selbstbewusstsein, um gekonnt zu verführen – sagt man zumindest so. Er war auch ein Draufgänger und mutig – nach dem Zweiten Weltkrieg schlug er sich mit einem Freund von Schlesien nach Berlin durch, nachdem er dort über die Kinderlandverschickung die letzten Kriegsjahre verbracht hatte. Zurück in Berlin ging er wieder zur Schule, brach aber ohne Abschluss ab, um Schauspieler zu werden. In Neukölln verbrachte er seine ersten Lebensjahre, dann ging’s nach Prenzlauer Berg, 1951 zog Buchholz aber wieder zurück nach Neukölln zu seinen Pflegeeltern, nachdem er jahrelang Grenzgänger war. Es folgten Jahrzehnte im Ausland, viel Zeit verbrachte er in den Filmstudios auf den Bühnen von UK, den USA und Frankreich – Buchholz beherrschte sechs Sprachen fließend.


Margarete Stokowski

Margarete Stokowski ist Bestsellerautorin und Neuköllnerin. Foto: Imago/BMJV/Inga Kjer/photothek

Millennials haben im Vergleich zu Boomern und der Generation X in wenigen Belangen Glück: Die Chancen, den Klimakollaps zu verhindern, schwinden immer weiter, während sich die Mieten in den Städten in absurde Höhen schrauben und kein Ende in Sicht ist. Während die Generation X und die Boomer mit 30 ihr Eigenheim optimierten oder zumindest nah dran waren, eins zu haben, freuen sich Millennials, wenn sie in dem Alter eine Einzimmerwohnung finden, für die nur gut die Hälfte ihres Gehalts draufgeht. Zumindest in einem Bereich aber können sich Millennials glücklich schätzen, denn sie haben die beste Star-Feministin: Margarete Stokowski. Klar, früher, als Alice Schwarzer Mitte 30 war, musste sich niemand für sie fremdschämen. Aber heute fragt man sich eben doch, was mit der Frau, die so viel für den Feminismus in Deutschland getan hat, passiert ist, dass sie so viel haarsträubenden Schwachsinn erzählt. Stokowski dagegen scheint viel zu gut differenzieren zu können, als dass es wahrscheinlich ist, dass sie im Alter so abdriften könnte. Ihre beiden Bücher „Untenrum Frei“ und „Die letzten Tage des Patricharchats“ zumindest legen das nahe. Stokowski wurde in Polen geboren, wuchs in Berlin auf und lebt heute in Neukölln. Auf ihrem Insta-Kanal gibt sie manchmal lohnenswerte Neukölln-Tipps – zum Beispiel zu den besten CBD-Shops.


Berühmtheiten aus Neukölln: Frank Zander

Frank Zander ist nicht nur bekannt für seine Musik, sondern auch für sein alljährliches Weihnachtsdinner für Obdachlose. Foto: Imago/Future Image/F.Kern

Rolf Eden ist tot, Harald Juhnke auch, aber Frank Zander lebt noch und ist damit einer der letzten West-Berliner Stars, die weiterhin über die Straßen der Stadt flanieren. Und er stammt aus Neukölln, wurde geboren im Februar 1942, und verbrachte seine Jugend im Bezirk zu einer Zeit, als über den Hermannplatz noch Straßenbahnen fuhren. Berühmt wurde Frank Zander in den 1970er- und 80er-Jahren, als er verschiedene Fernsehsendungen in ARD und ZDF moderierte und Hits wie „Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein“ oder der „Ententanz“ erschienen. Danach ging es aber nicht bergab, im Gegenteil: Es erschienen Stücke wie „Hier kommt Kurt“ oder die „Rabenschwarz“-Alben, auf denen er Schlager coverte – aber im Rammstein-Stil. Das passte, Zanders Markenzeichen ist seine raue Stimme. In Berlin ist Zander aber wahrscheinlich für anderes bekannter, nämlich für das Vereinslied von Hertha namens „Nur nach Hause (geh’n wir nicht)“, vor allem aber für sein Weihnachtsessen für Obdachlose, dass er jedes Jahr im Dezember veranstaltet. Dann serviert Zander etwa 3000 Gänsekeulen, 6500 Knödel, 850 Kilogramm Rotkohl und 250 Liter Soße. Eine kleine Würdigung von Frank Zander lest ihr hier.


Berühmtheiten aus Neukölln: Grete Walter

Grete Walter war Neuköllner Widerständlerin in der Nazizeit. Foto: Wikimedia Commons/OTFW, Berlin – Eigenes Werk/CC BY-SA 3.0

Der Name der Neuköllnerin Grete Walter lebt durch verschiedene Straßen und Einrichtungen zurecht bis heute fort. In der DDR wurden zudem eine Reihe von Ferienlagern nach der Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus benannt. Grete Walter trat 1930 in die KPD ein, 1932 organisierte sie den Widerstand von jungen KPD- und SPDler:innen in Neukölln, die sich den Schlägertrupps der SA entgegenstellten und so den Einfluss der Nazis auf Neuköllner Jugendliche maßgeblich schmälerten. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, verstärkte sie ihre politischen Aktivitäten nochmal, verteilte zum Beispiel heimlich die kommunistische Betriebszeitung von AEG in den Schränken der Arbeiter:innen. Grete Walter wurde drei Mal verhaftet und gefoltert, sprach aber nie über ihre Mitstreiter:innen oder Widerstandsaktivitäten. Während ihrer Haft im Oktober 1935 stürzte sie sich nach schweren Misshandlungen in einen Lichtschacht in der Berliner Gestapozentrale in der Wilhelmstraße.


Berühmtheiten aus Neukölln: Toni Rüdiger

Von Neukölln in die ganz großen Stadien: Toni Rüdiger. Foto: Imago/Picture Point LE

Nicht nur der Wedding hat einen derzeit international erfolgreichen Fußballer hervorgebracht – Neukölln auch. Und im Gegensatz zu Jerome Boateng wurde Antonio „Toni“ Rüdiger nicht wegen Körperverletzung an einer Frau verurteilt. Toni Rüdiger wuchs zusammen mit seinen Schwestern und seinem Halbbruder – der ebenfalls mal Fußballprofi war und nun Manager seines Bruders ist – bei seiner Mutter in Neukölln auf. Seine Fußballkarriere begann bei drei Neuköllner Vereinen: VfB Sperber Neukölln, Tasmania Gropiusstadt und Neuköllner Sportfreunde 1907. Inzwischen spielt Rüdiger nach Stationen bei beim VfB Stuttgart, AS Roma und dem 1. FC Chelsea bei Real Madrid. Außerdem ist er seit 2014 fester Bestandteil der deutschen Nationalmannschaft. Noch mehr berühmte und erfolgreiche Berliner Sportlerinnen und Sportler stellen wir hier vor.


Behzad Karim Kani

Behzad Karim Khani ist gefragter Publizist und lebt in Neukölln. Foto: Imago/Hen-Foto

Man mag vielleicht darüber streiten, ob Behzad Karim Khani Kreuzberger ist oder Neuköllner. In Bochum aufgewachsen, hatte Karim Kani zehn Jahre lang eine Bar in Kreuzberg, derzeit lebt er aber in Neukölln. Und war einer der Personen, die eine wirklich differenzierte Meinung zu den Ereignissen in der Silvesternacht 2022/23 äußerten. Bundesweite Bekanntheit erlangte Karim Khani aber nicht seiner Bar und auch nicht durch seine Zeit in einem Bauwagen auf dem Gelände der Bar25 – wobei das, das kann man ja schon mal festhalten – schon ziemlich Berlin ist, sondern mit seinem Bestseller „Hund, Wolf, Schakal“. Darin geht es um zwei Brüder, die auf den Straßen Neuköllns aufwachsen und die Karim Khani poetisch und treffend als „Verlierer und Verlorene“ bezeichnet. Das Buch ist biografisch inspiriert und erhielt herausragende Kritiken. Für tipBerlin hat Behzad Karim Kani auch mal geschrieben, über Lärm und das Leben in Berlin und den Abschied von der Nacht im Lugosi und der Bar25.


Mehr Neukölln und mehr Berühmtheiten

Der Wedding und Neukölln ähneln sich in vielen Aspekten. Hier porträtieren wir einige Berühmtheiten aus dem Wedding. Neukölln ist so vielseitig wie kaum ein anderer Bezirk in Berlin. Diese Orte in Neukölln sind immer einen Besuch wert. Knödel, Sauerteigpizza, Hummus: Das sind unsere liebsten Restaurants in Neukölln. Zwischen Kaffeetradition und Koffeinexperiment: Und das hier sind unsere liebsten Cafés in Neukölln. Heinz Buschkowsky und Grete Walter haben Berlin-Geschichte geschrieben. Noch mehr Geschichtliches aus und zu Berlin gibt es immer wieder hier.

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