Berlin international

Britisch in Berlin: Royals, Rockstars und Rosinenbomber

Britisch in Berlin heißt nicht Tea Time am Nachmittag – zumindest nicht nur. Well, die Geschichte Berlins ist stark durch den Einfluss der britischen Inseln geprägt; genauer gesagt durch englische Schriftsteller, die in den Goldenen Zwanzigern durch die Cafés und Bars der Spreemetropole streiften, britische Gastfamilien, die jüdische Kinder aus Deutschland adoptierten, durch die Zeit der alliierten Besatzung, die den Berliner:innen schließlich ans Herz wuchsen, bejubelte Royals und Musiklegenden wie David Bowie, der in Berlin eine kreative Hochphase erlebte. Hier erzählen wir anhand von Fotos die Geschichte von Großbritannien und Berlin.


Englische Schriftsteller im Berlin der Goldenen Zwanziger

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Britisch in Berlin: Christopher Isherwood (links) und W. H. Auden (rechts). Foto: Carl van Vechten

In den Goldenen Zwanzigern war Berlin eine Weltstadt. Das Nachtleben in der Spreemetropole war legendär, die Varietés, Theater und Bars schlossen gefühlt nie, Moralvorstellungen und Sitten lockerten sich, die Kunst traute sich mehr zu – für einen kurzen Augenblick war Berlin das Herz der Welt. In jener Zeit der Weimarer Republik trafen auch zahlreiche Literaten aus England am Bahnhof Zoo ein. In modische Mäntel gekleidet, stiegen sie aus den dampfenden Zügen, nur einen kleinen Lederkoffer unterm Arm, und stürzten sich direkt ins Berliner Leben.

Gedenktafel für den englischen Schriftsteller Christopher Isherwood an der Nollendorfstraße 17. Foto: Imago/Manja Elsässer
Gedenktafel für den englischen Schriftsteller Christopher Isherwood an der Nollendorfstraße 17. Foto: Imago/Manja Elsässer

Der Kontrast zwischen den fluchenden Droschkenkutschern und den weltgewandten Gentlemen hätte nicht größer sein können, doch die halbseidenen Etablissements, die auch homosexuellen Männern viel zu bieten hatten, übten einen enormen Reiz aus, wie auch die Avantgardisten-Zirkel und die geschäftigen Cafés, in denen sich die Intellektuellen trafen. Deutsche, Russe, Polen, Juden und eben auch Engländer. Die Zeit der englischen Expats in Berlin wurde zum Mythos, vor allem durch Christopher Isherwoods „Leb wohl, Berlin“, einer der 100 wichtigsten Berlin-Romane, und die legendäre Filmadaption „Cabaret“ (1972). Film wie Buch setzten jenem Berlin in den Jahren vor dem unheilvollen Aufstieg der Nationalsozialisten ein Denkmal. 2021 beleuchtete die Ausstellung „Happy in Berlin?“ im Literaturhaus die abenteuerlichen, inspirierenden und zuweilen auch tragischen Zeiten, die englische Schriftsteller in Berlin verbrachten.


Britisch-Berlinerische Geschichte: Kindertransporte nach England

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Ab 1938 flohen 10.000 jüdische Kinder mit Zügen nach Großbritannien. Foto: Imago/WHA United Archives International

Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 flohen 10.000 jüdische Kinder mit Zügen und Schiffen nach Großbritannien, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen. Sie kamen aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Polen. Ohne ihre Eltern und Bekanntschaft zu ihren britischen Gastfamilien, lediglich mit einem kleinen versiegelten Koffer ohne Wertsachen und höchstens zehn Reichsmark in der Tasche, machten sich die Kinder auf die Reise in ein neues Leben. In Großbritannien wurden sie freiwillig von Familien aufgenommen oder in Waisenhäusern untergebracht.

Ohne die Flucht hätten die meisten Kinder keine Überlebenschancen gehabt. Im Gegensatz zu den 1,5 Millionen jüdischen Kindern, die in der Schoah ermordet wurden, konnten die geflohenen Kinder durch die selbstlose Hilfe in Sicherheit aufwachsen. Die meisten von ihnen sahen ihre Familien niemals wieder. Das Denkmal „Züge ins Leben – Züge in den Tod: 1938 – 1939“ am Bahnhof Friedrichstraße erinnert an die Kinderzüge, die von hier aus abfuhren, und an all die Kinder, die nicht gerettet werden konnten.


Das Vereinigte Königreich als Besatzungsmacht

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Befehlshaber der Alliierten bei der Unterzeichnung der Vier-Mächte-Erklärung in Berlin. Foto: Imago/Leemage

Der Zweite Weltkrieg ging von Berlin aus. Zwar marschierte 1945 die Rote Armee in die deutsche Hauptstadt ein und zwang Nazideutschland endgültig zur Kapitulation, doch ohne die Unterstützung von Frankreich, England und den USA hätte sich der Lauf der Geschichte wohl anders entwickelt. Nach der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 einigten sich die Siegermächte und stellten die Weichen für eine neue Ordnung in Europa. Diese beinhaltete die Teilung Deutschlands, den Sonderstatus Berlins und damit die Einrichtung der von den Alliierten kontrollierten Sektoren.

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Den Flughafen Gatow nutzten die Briten unter anderem für die Beladung der Rosinenbomber. Foto: Imago/epd-bild/Juergen Blume

Auch die britischen Soldaten gehörten fortan zum Alltag der Berliner. Besonders in Spandau lassen sich bis heute Spuren der Briten in Wohnsiedlungen und ehemaligen Kasernen finden. Der ehemalige Flugplatz Gatow, der inzwischen ein Militärmuseum beheimatet, nahm eine zentrale Rolle in der Versorgung West-Berlins während der Berlin-Blockade ein. Doch nicht nur militärisch sollte die Besatzung durch Großbritannien Berlin nachhaltig prägen.


Britisch in Berlin: Die Queen in West-Berlin

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Queen Elisabeth 1965 in West-Berlin: Die Hauptstädter:innen freuen sich. Foto: Imago/Gerhard Leber

Nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte Queen Elisabeth II. als erstes britisches Staatsoberhaupt die BRD. In einer elftägigen Tour reiste sie 1965 gemeinsam mit ihrem Ehemann Prince Philip durch das besetzte Land und landete schließlich am 27. Mai auf dem britischen Militärflughafen Gatow. Hier begann ein bewegter Tag in West-Berlin. In einer halboffenen Mercedes-Limousine ließen sich das königliche Ehepaar, der Bundeskanzler Ludwig Erhard und der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt durch die Stadt kutschieren. Auf den Straßen sollen sich rund eine Millionen Schaulustige getummelt haben, um die Queen zu empfangen.

Auf dem Maifeld wohnte die Queen einer Ehrenformation der britischen Brigade bei, legte einen Kranz auf dem britischen Soldatenfriedhof an der Heerstraße ab und pflanzte eine Eiche im Tiergarten. An der Berliner Mauer fuhr der Wagen vorsichtshalber schnell vorbei. Zum Abschluss ihres Besuches trug sich Queen Elisabeth II. am Rathaus Schöneberg ins Goldene Buch der Stadt ein und hielt vor tausenden jubelnden Berliner:innen, die spätestens nach der Geburt von Prince Edward in royale Stimmung gekommen waren, eine bewegende Rede, in der sie ihre Solidarität zu den Menschen in der Stadt ausdrückte.


Die Stones überrollen die Waldbühne

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1965: Das legendäre Konzert der Rolling Stones in der Waldbühne, bei der das Publikum den Auftrittsort zerlegte, ist in die Berliner Konzertgeschichte eingegangen. Foto: Imago/United Archives International

Britische Bands beeinflussten die Musik- und Kulturgeschichte Berlins nachhaltig. Besonders in den 1960er-Jahren trafen Gruppen wie die Rolling Stones, Beatles oder The Kinks den Nerv der jungen Leute und wurden schnell zu Idolen. Musikalisch und subkulturell war Großbritannien der größtenteils piefigen deutschen Schlagertradition nämlich um Längen voraus. So waren britische Platten heiß begehrt. Britische Radiosender wie BBC1, der auch in West-Berlin empfangen werden konnte und spätestens ab 1967 mit den legendären Radioshows von John Peel unzählige Musikfans prägen sollte, hinterließen einen bleibenden Eindruck – besonders bei den jungen Leuten .

Doch das spießige Bürgertum war nicht besonders begeistert von den vermeintlich aufmüpfigen Rock-Fans. Worte wie Generationskonflikt und Jugendrevolte beschreiben die Spannung, die sich 1965 bei einem skandalösen Rolling-Stones-Konzert in der Waldbühne entladen sollte. Die Endbilanz: knapp 100 Verletzte, 85 Verletzte und eine zerstörte Konzertstätte. Selbstverständlich wurde die Eskalation bei dem Konzert als Negativbeispiel verwendet, insgesamt repräsentiert sie jedoch etwas viel grundlegenderes: Die Jugend wollte Freiheit und Rockmusik – und die beste kam nun mal aus England.

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6. Juni 1987: Tausende Fans warten vor dem Berliner Reichstag auf ein Konzert von David Bowie. Foto: Imago/Peter Homann

Doch der musikalische Einfluss Großbritanniens beschränkt sich keinesfalls auf die 1960er-Jahre. Ende der 1970er-Jahre schwappten Punk und New Wave nach Berlin und prägten die Subkultur. Ohne den britischen Einfluss auf Berlin wären auch wegweisende West-Berliner Bands wie Mania D., Malaria! und Matador nicht denkbar. Auch David Bowie, der sich in Berlin neu erfand, ist mit seiner Berlin-Trilogie und vor allem mit der Hymne „Heroes“ für immer mit West-Berlin verknüpft.

Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre öffnete elektronische Musik aus Großbritannien die Tore für die Berliner Technoszene und legendäre Clubs, die Berlin bis heute einzigartig machen. Genauso siedelten sich spannende Kunstschaffende, Theatermachende, Gastronom:innen und Aktivist:innen in Berlin an. Viele von ihnen leben und arbeiten noch immer in der Hauptstadt.


Britisch in Berlin: Einbürgerungsrekord von britischen Staatsbürger:innen in Berlin

Britisch in Berlin: 1994 zogen die Alliierten feierlich aus Deutschland ab. Trotzdem bleiben Berlin und Großbritannien stark verknüpft. Foto: Imago/Seeliger

1989 fiel die Berliner Mauer, ein Jahr später folgte die Wiedervereinigung und 1994 zogen die Streitkräfte aus Deutschland ab. Damit endete die Ära der Alliierten in Berlin. Bei der Verabschiedung der Briten, Franzosen und US-Amerikaner floss manche Träne, den Menschen in West-Berlin waren die „Besatzer“ durchaus ans Herz gewachsen. Doch nun stieg die einst von der Mauer geteilte Stadt zu einer internationalen Metropole auf, die weiterhin auch von vielen britischstämmigen Menschen geliebt, bewohnt und geprägt wird.

Nach dem Brexit verzeichneten Berlin und Brandenburg einen Rekord von Einbürgerungen aus dem Vereinigten Königreich: Wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2020 mitteilte, stellte Großbritannien mit 12,3 Prozent bei den Einbürgerungen 2019 die größte Gruppe. In Berlin waren es 841 neu eingebürgerte Brit:innen. Egal ob in Kultur, Gastronomie, Wirtschaft oder Politik: Berlin bleibt britisch.


Mehr als Großbritannien: Berlin international

Hier findet sich Frankreich in Berlin: Hugenotten, Galeries Lafayette, Restaurants und die Alliierten. Der riesige Einfluss der USA ist auch weiterhin spürbar. Auch China hat Spuren in Berlin hinterlassen: Gärten, Restaurants und Pandas. Wie repräsentieren sich die Länder in Deutschland? 12 Botschaftsgebäude in Berlin: Katar, USA, Saudi-Arabien, Tschechien & mehr. Und hier geht es zu den besten türkischen Restaurants in Berlin: Afiyet Olsun!

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