Berlin verstehen

Die Bürgermeister von Berlin – von Marsilius bis Müller

Regierende Bürgermeister gibt es in Berlin erst seit 1951 und bis zum Mauerfall nur im Westteil der Stadt. In Ost-Berlin hieß das höchste Amt Oberbürgermeister. In der Weimarer Republik und während des Dritten Reichs regierten die Oberbürgermeister von Groß-Berlin, und im 18. und 19. Jahrhundert hielten die Oberbürgermeister der königlichen Hauptstadt, die Stadtpräsidenten der königlichen Residenzstadt respektive die Bürgermeister der königlichen Residenzstadt die politischen Geschicke in der Hand.

Blickt man noch weiter zurück, stößt man auf eine lange Reihe von Bürgermeistern der kurfürstlichen Residenzstadt, die im Mittelalter walteten. Der erste urkundlich vermerkte Schulze hieß Marsilius de Berlin. Ein aus dem Rheinland zugezogener Kaufmann, der nachweislich um 1247 in Berlin das Sagen hatte. Das Gendern ist bei dieser historischen Aufführung überflüssig, denn bis auf wenige Ausnahmen, etwa Louise Schroeder (SPD), die von 1947 bis 1948 das Amt der Oberbürgermeisterin bekleidete, und der im Frühjahr 1990 für genau eine Woche kommissarisch eingesetzten PDS-Politikerin Ingrid Pankraz, waren die Bürgermeister in Berlin allesamt männlichen Geschlechts. Hier blicken wir auf 12 Bürgermeister in Berlin zurück, die die Stadt geprägt haben.


Peter von Blankenfelde

Wappen der Patrizierfamilie Blankenfelde
Wappen der Patrizierfamilie Blankenfelde

Berlins erster aus Urkunden bekannter Bürgermeister war der rheinländische Kaufmann Marsilius. Außer, dass er hier und da wichtige Ereignisse bezeugte, weiß man wenig über sein Wirken. Das Ganze liegt ja auch bald 800 Jahre zurück. Heute erinnert eine Skulptur im Tiergarten an den Schulze und Richter der ersten (Berlin-)Stunde. Deshalb beginnen wir diese historische Auflistung der Bürgermeister von Berlin mit Peter von Blankenfelde. Auch von ihm existiert kein Bildnis, nur das Wappen der Patrizierfamilie Blankenfelde ist überliefert. Das Geschlecht der Blankenfeldes stand immer wieder an der Spitze der Stadtverwaltung. Bereits der zweite Schulze gehörte zu der Dynastie, Johannes von Blankenfelde waltete um 1294, ihm folgten dessen Urenkel Peter (um 1365), 1401 ein weiterer Spross der Familie namens Paul, und später noch gab es vier weitere Blankenfeldes, die Bürgermeister von Berlin waren. Erst 1558 endete mit Johann die Tradition.


Erasmus Seidel

Erasmus Seidel (1594–1655)
Erasmus Seidel (1594–1655)

Das Würde des Bürgermeisters von Berlin war für den Juristen und Staatsmann Erasmus Seidel (1594-1655) nur eine Zwischenstation. 1628 bekleidete er das Amt etwas mehr als ein Jahr, dann folgten Positionen als Hof-Kammergerichtsrat, Kriegsrat und Geheimer Staatsrat. Seine große Leistung war die Autorenschaft einer bedeutenden Schrift zum Jülicher Erbfolgestreit. Das Interesse an Politik und Geschichte setzte sich in die nächste Generation fort. Erasmus‘ Sohn Martin Friedrich Seidel wurde einer der ersten Historiker Brandenburgs.


Karl David Kircheisen

Friedrich Wilhelm I. im Harnisch mit Hermelinmantel, Gemälde von Antoine Pesne, um 1733
Friedrich Wilhelm I. im Harnisch mit Hermelinmantel, Gemälde von Antoine Pesne, um 1733

Von Karl David Kircheisen (1704-1770) existiert kein Bildnis, daher soll hier Friedrich Wilhelm I. hinhalten, unter dessen Ägide Kircheisen von 1746 bis 1770 das Amt des Stadtpräsidenten der königlichen Residenzstadt bekleidete, wie die Berliner Bürgermeister in den Jahren 1726–1808 offiziell hießen. Zugleich fungierte Kircheisen ab 1742 auch als erster Berliner Polizeidirektor, die gerade nach Pariser Vorbild reformiert wurde. Der praktizierende Freimaurer, Kircheisen gehörte zu der Großloge „Zu den drei Weltkugeln“, förderte die Industrialisierung, drängte die Macht des Militärs auf die Stadtpolitik zurück und setzte eine moderne Gewerbeaufsicht und Instrumente zur Preisregulierung durch. Damit bereitete er mit seiner Politik Berlin auf die Moderne vor.


Max von Forckenbeck

Berliner Oberbürgermeister Max von Forckenbeck. Foto: Imago/IMAGO /H. Tschanz-Hofmann
Berliner Oberbürgermeister Max von Forckenbeck. Foto: Imago/IMAGO/H. Tschanz-Hofmann

Gut 100 Jahre nach Kircheisens Tod war Berlin bereits eine moderne Industriestadt. Fabriken, Bahngleise und rauchende Schornsteine gehörten zum Alltag. Vom Land zogen Menschenmassen in die Metropole, die Arbeiterklasse entstand. In dieser Zeit prägte der Berliner Oberbürgermeister Max von Forckenbeck (1821-1892) wie kein anderer die Stadt. Er übernahm das Amt 1878 und blieb für 14 Jahre im Rathaus. Der studierte Jurist aus Münster war Mitbegründer der liberalen Deutschen Fortschrittspartei, Bürgermeister von Breslau und Reichstagspräsident.

In Berlin reformierte er das Schulwesen, baute das Verkehrsnetz, Wasserversorgung, Kanalisation und die Stadtparks, etwa den Viktoriapark in Kreuzberg, aus und er setzte sich für die Privatisierung bestimmter städtischer Sektoren ein. Unter Forckenbeck kümmerten sich Privatfirmen etwa um die Berliner Straßenbeleuchtung. Ein besonderes Anliegen Forckenbecks war die Eingemeindung der umliegenden Kommunen, die allerdings erst 1920 erfolgte und die er nicht mehr erlebte.


Julius Lippert

Berlins Oberbürgermeister Julius Lippert (NSDAP) zu Besuch in London bei seinem Londoner Amtskollegen Sir Harry Twyford , 1938. Foto: Imago/United Archives International
Berlins Oberbürgermeister Julius Lippert (NSDAP) zu Besuch in London bei seinem Londoner Amtskollegen Sir Harry Twyford, 1938. Foto: Imago/United Archives International

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hieß das höchste Amt in Berlin Oberbürgermeister von Groß-Berlin. Die „königliche Hauptstadt“ gehörte nach dem Ende der Kaiserzeit der Geschichte an. In der Zeit der Weimarer Republik prägte vor allem Gustav Böß die Stadt. Das Mitglied der Deutsche Demokratische Partei regierte von 1921 bis 1929 die Stadt. In der Ära der „Goldenen Zwanziger“ wurden Parks, Wohnsiedlungen, der Flughafen Tempelhof und Sportstadien gebaut.

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP regierten die Nazis im Berliner Rathaus. Oskar Maretzky folgte 1937 der Journalist und NS-Politiker Julius Lippert (1895-1956), der sich für die politische Gleichschaltung der Berliner Verwaltung verantwortlich zeigte. Lippert entließ sämtliche jüdischen Beamten, Politiker und Angestellte aus dem öffentlichen Dienst, auch bei der „Arisierung“ von Unternehmen jüdischer Eigentümer spielte er eine wichtige Rolle. Nach dem Krieg wurde er interniert und in Belgien zu sieben Jahren Haft verurteilt, allerdings wurde Lippert vorzeitig entlassen. Und so konnte er sich in seinen letzten Jahren in der hessischen Kleinstadt Bad Schwalbach niederlassen, wo er durchaus freundlich empfangen wurde.


Arthur Werner

Oberbürgermeister von Groß-Berlin Arthur Werner. Foto: Deutsche Fotothek‎/CC BY-SA 3.0 de
Oberbürgermeister von Groß-Berlin Arthur Werner. Foto: Deutsche Fotothek‎/CC BY-SA 3.0 de

Arthur Werner war trotz einer kurzzeitigen Mitgliedschaft in der NSDAP in den Jahren 1945/46 der erste Oberbürgermeister von Groß-Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach den ersten freien Wahlen in Berlin übernahm im Oktober 1946 der SPD-Politiker Otto Ostrowski das Amt. Auch er blieb nur kurz im Rathaus. Die Zeit bis 1948, als Ernst Reuter die nun geteilte Stadt von 1948 bis 1951 regierte, war von ständigen Wechseln an der Spitze der Stadtpolitik gezeichnet.


Friedrich Ebert junior

Erich Honecker, Leonid Breschnew, Walter Ulbricht (GDR/SED), Willi Stoph und Friedrich Ebert Jr. während der Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jahrestages der DDR in Ost-Berlin, 1969. Foto: Imago/Stana
Erich Honecker, Leonid Breschnew, Walter Ulbricht, Willi Stoph und Friedrich Ebert Jr. während der Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jahrestages der DDR in Ost-Berlin, 1969. Foto: Imago/Stana

In der Sowjetischen Besatzungszone wurden die Weichen für eine politischen Abspaltung Ost-Berlins gelegt. 1948 installierte die von Moskau kontrollierte SED den Sohn des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert als Oberbürgermeister von Ost-Berlin. Friedrich Ebert junior (1894-1979) bekleidete das Amt 19 Jahre lang. Erst 1967 wurde er von Herbert Fechner abgelöst, der neun Jahre im Rathaus blieb und dem Erhard Krack bis zur Wendezeit folgte. Damit hatte Ost-Berlin nur drei Oberbürgermeister in der gesamten DDR-Zeit.


Ernst Reuter

Der britische General Sir Frank E. W. Simpson (rechts) und Berlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter, 1952. Foto: Imago/United Archives International
Der britische General Sir Frank E. W. Simpson (rechts) und Berlins Regierender Bürgermeister Ernst Reuter, 1952. Foto: Imago/United Archives International

In West-Berlin begann nach der Teilung der Stadt eine neue Zeit. Das höchste Amt in der Stadt hieß fortan Regierender Bürgermeister von Berlin. Der SPD-Politiker Ernst Reuter (1889-1953) war ab 1951 und bis zu seinem Tod der erste Amtsträger. Er musste das Verhältnis der von den westlichen Alliierten verwalteten Frontstadt zur BRD gestalten, die Währungsreform überblicken, zugleich die Zusammenarbeit mit den Alliierten etablieren und die zerstörte Stadt wieder aufbauen. An Ernst Reuter, der als politischer „Vater von West-Berlin“ gilt, wurde nach seinem Tod mit zahlreichen Initiativen und Umbenennungen erinnert. Neben dem Ernst-Reuter-Platz und dem gleichnamigen U-Bahnhof in Charlottenburg, existiert in Gesundbrunnen die Ernst-Reuter-Siedlung, hinzu kommen zwei Kraftwerke, Schulen, Preise und Stipendien, die seinen Namen tragen.


Willy Brandt

US-Präsident John F. Kennedy und der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt im Weißen Haus, 1961. Foto: Imago/Glasshouseimages
US-Präsident John F. Kennedy und der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt im Weißen Haus, 1961. Foto: Imago/Glasshouseimages

Geboren wurde Willy Brandt 1913 in Lübeck, er starb im selben Jahr wie Marlene Dietrich 1992. Beerdigt wurde er im wiedervereinigten Berlin, wo er im Westteil ab 1957 Regierender Bürgermeister war und unter anderem den US-Präsidenten John F. Kennedy empfing und an dessen Seite stand, als dieser seine berühmten Worte „Ich bin ein Berliner“ sprach. Der Besuch des legendären US-Präsidenten im Juni 1963 in West-Berlin gehört zu den politischen Sternstunden der Mauerstadt. Als SPD-Bundeskanzler begeisterte Brandt von 1969 bis 1974 die Bundesrepublik. Willy Brandt wurde auf dem Waldfriedhof Zehlendorf beerdigt, dort finden sich auch die Gräber anderer wichtiger Politiker wie Walter Scheel, Ernst Reuter und Otto Suhr.


Tino Schwierzina und Walter Momper

Die beiden Bürgermeister Tino Schwierzina (Ost-Berlin) und Walter Momper (West-Berlin) bei der Wiedereröffnung der U-Bahnlinie 8 am 1. September 1990. Foto: Imago/Bernd Friedel
Die beiden Bürgermeister Tino Schwierzina (Ost-Berlin) und Walter Momper (West-Berlin) bei der Wiedereröffnung der U-Bahnlinie 8 am 1. September 1990. Foto: Imago/Bernd Friedel

Mauerfall und Wiedervereinigung brachten auch die Berliner Politik durcheinander. Der alte SED-Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Erhard Krack, dem auch Wahlfälschung vorgeworfen wurde, trat im Februar 1990 zurück. Ihm folgten, teilweise nur für wenige Tage oder Wochen, Ingrid Pankraz (PDS), Christian Hartenhauer (PDS), Tino Schwierzina (SPD) und der kommissarisch eingesetzte Thomas Krüger (SPD), als letzter Mann in diesem Amt, das ab 1991 aufhörte zu existieren. Ab dem 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, regierten in Berlin kurzzeitig zwei Bürgermeister, Schwierzina im Osten und Walter Momper (SPD) im Westteil der Stadt.


Eberhard Diepgen

Eberhard Diepgen (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin. Foto: Imago/Sepp Spiegl
Eberhard Diepgen (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin. Foto: Imago/Sepp Spiegl

Eberhard Diepgen prägte Berlin vor und nach der Wende. In West-Berlin war der 1941 geborene Berliner bereits in den Jahren 1984 bis 1989 Regierender Bürgermeister. Damals übernahm der CDU-Politiker das Amt von seinem prominenten Parteikollegen Richard von Weizsäcker, der daraufhin Bundespräsident werden sollte. Diepgens erste Amtszeit war von einer Spendenaffäre überschattet, die CDU verlor bei den Abgeordnetenhauswahlen im Januar 1989 knapp neun Prozent, zudem kam die FDP nicht über die Fünf-Prozent-Hürde, so gewann Walter Momper von der SPD, zog ins Schöneberger Rathaus ein und wurde wenige Monate später der Bürgermeister des Mauerfalls.

Doch Diepgens Ära war noch lange nicht zu Ende. 1991 holte sich der CDU-Landesvorsitzende das Amt zurück und regierte zehn Jahre lang die frisch wiedervereinigte Stadt. Nach dem Berliner Bankenskandal, der die Stadt in eine Finanzkrise stürzte, zerbrach Diepgens Koalition und im Juni 2001 wurde er von der Opposition durch ein Misstrauensvotum abgewählt.


Klaus Wowereit

Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin. Foto: Imago/Thomas Trutschel/Photothek
Klaus Wowereit (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin. Foto: Imago/Thomas Trutschel/Photothek

Mit Diepgens Fiasko begann die Ära Wowereit. Der Tempelhofer SPD-Politiker regierte von 2001 bis 2014 im Roten Rathaus. Unter dem stets gut gelaunten Wowereit stieg Berlin von einer sich neu orientierenden und verschuldeten Pleitestadt zu einer schillernden Metrople auf. „Berlin war 2001 in einer depressiven Phase, ein Grauschleier zog sich über die Stadt. Eine Käseglocke, wo man nicht nur schöne Gerüche hatte. Ich hoffe, ich habe dazu beigetragen, das zu durchlüften“, sagte Klaus Wowereit 2018 im tipBerlin-Gespräch anlässlich seines Buchs „Sexy, aber nicht mehr so arm: Mein Berlin“.

Zwar verkaufte das Land Berlin in seiner Ära tausende Sozialwohnungen an private Investoren, womit die Gentrifizierung erst richtig ins Rollen kam und auch das Debakel um den neuen Flughafen BER ging zumindest teilweise auf seine Kappe, weshalb er 2014 schließlich auch zurücktrat und den Posten an seinen Parteifreund Michael Müller übergab. Und doch ging der charismatische Wowereit als überwiegend positive Figur in die Geschichte der Berliner Bürgermeister ein.


Mehr Berlin verstehen

Es kann nicht nur Gewinner geben: 12 Wahlverlierer, die nicht Regierender Bürgermeister geworden sind. Hier zeigen wir 12 historische Fotos von Berlin, die Max Missmann zwischen 1906 und 1931 gemacht hat. 2006 wurde sie für Patienten geschlossen und verkauft: Wir erzählen euch die Geschichte von „Bonnies Ranch“, der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Ihr schätzt den Schauer? Hier sind gruselige Orte in und um Berlin. Haben wir euer Interesse an den Gebäuden der Stadt geweckt? Dann legen wir euch unseren Guide der Berliner Architektur ans Herz, von Bauhaus bis Bausünde, von Top bis Flop. Auch diese Liste könnte für euch spannend sein: Diese 12 ungewöhnlichen Gebäude in Berlin solltet ihr kennen.

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