Nichts für Geschichtsmuffel! Architektur und Berliner Stadtgeschichte lassen sich gut im Comic vermitteln, wie diese Neuerscheinungen beweisen, die sich dem Stadtschloss und dem Konzerthaus widmen.
Schinkel und die preußischen Kurfürsten, die Eiszeit und Revolutionäre und dazwischen flaniert Walter Benjamin, und Albert Einstein sinniert über Raum und Zeit. Sebastian Strombach nimmt in „Verrückt“, seinem wunderbaren „Comic zum Berliner Schloss“, den symbolträchtigen Bau zum Ausgangspunkt, um die lange Geschichte dieser Stadt zu erzählen.
Auf knapp 140 Seiten im Albumformat führt der Zeichner von 20.000 vor Christus bis in die Gegenwart. Klassische Comic-Layouts, in denen er leicht stilisiert, im kontrastreichen Schwarz-Weiß gehalten, frei zu Berlin assoziiert und allerlei Figuren aus der langen Historie der Spreemetropole auftauchen lässt, wechseln sich regelmäßig mit historisch versierten Panoramen ab, die einen faktenreichen Überblick zur Berliner Geschichte verschaffen.
„Verrückt“ ist der Geschichts-Comic für den Geschichts-Muffel. Kurzweilig, schnell erfassbar und doch vollgespickt mit Fakten, Zahlen, Namen und Daten. Hier marodieren Söldner im Dreißigjährigen Krieg, dort wird die sozialistische Republik ausgerufen, und da lässt Walter Ulbricht den preußischen Klotz sprengen. Vieles weiß man, einiges hat man mal gehört, doch Strombach, der nicht nur Comic-Zeichner ist, sondern auch studierter Architekt und gelegentlicher Stadtführer, schafft es, die Zusammenhänge, Bezüge und Entwicklungen rund um das Schloss aufzuzeigen. Er stellt dieses Stück Architektur, das einst Preußens Machtzentrale war, dann als Palast der Republik in der Hauptstadt der DDR für Glanz sorgte und nach der Wende vieldiskutiert als Museum neu errichtet wurde, in einen historischen Zusammenhang, der weder oberlehrerhaft noch vereinfachend daherkommt.
Stadtgeschichte im Comic: 200 Jahre Konzerthaus
Stadtgeschichte im Comic hat derzeit offenbar Konjunktur. Denn auch das Konzerthaus bekommt dieser Tage eine gezeichnete Würdigung. Anlass für die Publikation ist in dem Fall der 200. Geburtstag des Hauses.
Der Zeichner Felix Pestemer hat sich der Sache angenommen, Erfahrung in stadthistorischer Betrachtung hat der an der Schnittstelle von Comic und Illustration arbeitende Künstler bereits mit seiner Graphic Novel „Im Auge des Betrachters“ gemacht, in der er sich der Alten Nationalgalerie und ihrer Sammlung widmete.
In „Alles bleibt anders“ verschiebt er nun den Fokus auf ein etwa ein Kilometer entferntes Gebäude. Das „Konzerthaus Berlin und seine Geschichte(n)“ beginnt mit dem Brand des Königlichen Nationaltheaters, einem der vielen verschwundenen Berliner Theaterhäuser, beobachtet vom großen Dichter E.T.A. Hoffmann, und der wenige Jahre später folgenden Eröffnung des von Schinkel neu errichteteten Schauspielhauses am 26. Mai 1821. In diesem Jahr feiert Berlin also 200 Jahre Konzerthaus!
Die kommenden zwei Jahrhunderte der deutschen Kulturinstitution inszeniert Pestemer als ein wechselvolles Spiel aus ganzseitigen Illustrationen, erklärenden Texttafeln und Comic-Passagen. Der Teufelsgeiger Paganini bekommt einen Auftritt, Theodor Fontane berichtet über die Premiere von Kleists „Penthesilea“, und 1919 geraten Zuschauer in eine Schießerei zwischen Spartakisten und der Polizei. Ob das Konzerthaus in diesem Jahr den runden Geburtstag feiern kann, ist nicht klar, ein Geschenk gibt es jetzt schon in Form dieses Comics.
- Verrückt – Der Comic zum Berliner Schloss von Sebastian Strombach, Urbanophil, 136 S, 19,90 €
- Alles bleibt anders: Das Konzerthaus Berlin und seine Geschichte(n) von Felix Pestemer, Avant, 96 S., 25 €
Mehr Bücher
Thema der Stunde in der Literatur: Klassismus. Wir haben nachgelesen. Politisch ist es auch hier: Organisationen, Verlage und Projekte zu queerer Literatur. Die schönen Comics ihr am besten in den schönsten Buchläden Berlins. Von der Mood her viel Berlin drin: Hengameh Yaghoobifarah über „Ministerium der Träume“.