Sie war gesellschaftliches Zentrum in Ost-Berlin. Doch dann wurde die Deutsche Sporthalle an der Karl-Marx-Allee in den frühen 70ern abgerissen. Erinnerung an eine Großarena, die fast vergessen ist.
Der Bau des kuriosesten Veranstaltungshauses der jungen DDR war ein nationaler Kraftakt. In gerade einmal 148 Tagen hatten Helden der Arbeit diese Großarena mit 5.000 Plätzen errichtet. Am 7. August 1951 war erstmals Showtime im neoklassizistischen Gebäude – anlässlich der Weltfestspiele der Jugend, deren Budenzauber gerade eben begonnen hatte, setzte es Leberhaken und K.O.-Schläge. Im kolossalen Neubau kämpften Amateurboxer von mehreren Kontinenten um Meriten.
Die Deutsche Sporthalle wurde fortan zum Begegnungsort im Arbeiter- und Bauernstaat – bestens gelegen an der Stalinallee, dem kommunistischen Boulevard, der zum Zeitpunkt der Eröffnung work in progress war.
An diesem Ort erlebten die Menschen Bauausstellungen, aber auch Radsportkrimis und eine Modewoche. Außerdem Volksfeste wie ein jährliches „Tischtennisturnier der Tausende“. Und ja, auch Beat-Bands schulterten dort E-Gitarren – und spielten Pilzkopfmusik mit staatlicher Erlaubnis.
___STEADY_PAYWALL___
Begegnungsort im Arbeiter- und Bauernstaat
Was die Geschichte dieses Bauwerks noch spezieller macht: So schnell wie die Arena hochgerissen wurde, so plötzlich ist sie von der Bildfläche verschwunden. In den frühen 70er-Jahren ist die Deutsche Sporthalle wegen Baumängeln abgerissen worden. Eine Verlustmeldung der besonderen Art.
Die Halle entstand zu Beginn des sozialistischen Experiments. Heute halten nur noch Architekturblogger und Historiker die Erinnerung an den Mehrzweckbau wach. Im Bewusstsein der Massen ist er beinahe vergessen.
Dabei war die Veranstaltungsstätte ja wirklich für rund zwei Jahrzehnte eine große Nummer gewesen. Sie stand für Bewusstseinsbildung im SED-Staat, aber auch für Glamour und ein bisschen Leichtigkeit. Das Haus war ein Dreh- und Angelpunkt im Herzen der DDR-Kapitale, bevor der Palast der Republik ein paar Kilometer westwärts, eröffnet 1976, zum Gesellschaftstreff wurde.
Im März 1951 hatten die Bauarbeiter ihr rasantes Werk begonnen – Trümmerfrauen, kriegsmüde Männer, junge Energiebündel. In frühester Nachkriegszeit, als vielerorts das Stadtbild noch eine Wüstenei war infolge des Zweiten Weltkriegs.
Deutsche Sporthalle: Als Stalin nicht mehr opportun war
Der Architekt: Richard Paulick, jener ehemalige Bauhaus-Zögling, der weitere Objekte an der Stalinallee plante, darunter Laternen, die auch als „Paulick-Kandelaber“ bekannt geworden sind. Als Abteilungsleiter im Institut für Bauwesen organisierte er überhaupt das Prozedere auf der Großbaustelle an der Stalinallee, für die eine Batterie von Miethauszeilen charakteristisch werden sollte.
Dekorative Fassaden haben der Magistrale und ihrer Ästhetik dabei irgendwann die Floskel „Zuckerbäckerstil“ eingebrockt. Seit 1961 hieß die Straße übrigens Karl-Marx-Allee. Genosse Stalin war nicht mehr opportun. Noch eine Fußnote zu Paulick, dem Universalgenie: Er schuf Jahre darauf die hassgeliebten Modellsiedlungen von Halle-Neustadt und Hoyerswerda.
Der Stil der Deutschen Sporthalle war eklektisch. Am Eingang ließ Paulick, der Chefkreative, etwa Abgüsse von Schlüter-Plastiken des atomisierten Stadtschlosses anbringen. Die Hohenzollernburg war in den letzten Monaten des Weltkriegs teils von Bomben geplättet worden. Die Sprengung folgte 1950.
Die Skulpturen an der Sporthalle zeigten mythische Figuren wie Zeus oder Herakles. Säulen gemahnten an antike Hochkultur; darüber prangte ein Fries mit sportelnden Athleten. Hinter dieser fast caesarischen Front: viel Stahl und Beton. Es wurde übrigens auch recycelt. Zu den Materialien zählten gelbbraune Travertinplatten, geplündert aus alten Nazi-Lagern. Gedacht waren diese Bauteile für das phantasmagorische Wahngebilde der NS-Oberen: die „Welthauptstadt Germania“.
Überhaupt war Wiederverwertung gefragt. Entlang der gesamten Stalinallee sind in den Nachkriegswirren aufbereitet worden: 38 Millionen Ziegelsteine, 1.000 Tonnen Stahl, rund 680.000 Kubikmeter Schutt – von etwa 45.000 freiwilligen Helfern in vier Millionen Arbeitsstunden, alles im Rahmen des „Nationalen Aufbauprogramms“. So bilanziert der Verein „Stalinbauten e. V.“ , ein heutiger Fanklub der Prachtarchitektur.
Die Deutsche Sporthalle ist fast vergessen
So vielversprechend die Deutsche Sporthalle anfangs war: Im Gebäude demaskierten Parteibonzen unfreiwillig die Scheinwelt der Staatspropaganda. Einmal führte SED-Parteichef Walter Ulbricht dort Euphemismus ganz von allein ad absurdum: „Hier nun sind wir Jugendlichen unter uns, ja“, soll der ergraute, ältliche Grüßonkel während einer Veranstaltung gesagt haben. Es wird kolportiert, das Gelächter sei laut gewesen.
Eine DDR-Persönlichkeit, die in der Frühzeit der Deutschen Sporthalle ein kleines Kind in der Nachbarschaft gewesen ist, war die Ballett-Tänzerin Ines Dalchau. Später fegte sie über die Bretter in der Komischen Oper und der Deutschen Staatsoper. Die Zeitzeugin, heute eine alte Frau, erinnert sich an einen Weihnachtsmarkt während der 50er-Jahre im Multifunktionsgebäude. Im Gewühl hatte sie ihre Mutter verloren. Grund fürs Chaos: Im Umlauf war das Gerücht, dass Bananen zu haben seien.
1972 ist die Deutsche Sporthalle, dieses Patchwork, nach einer Sprengung unter die Abrissbirne gekommen. Es war das Ende eines Gebäudes, das wegen Mängeln immer wieder repariert werden musste. Der Bau im Schnellverfahren – ganz im Einklang mit dem planwirtschaftlichen Stakkato – hatte nicht gerade für ein solides Ganzes gesorgt. Am Ende war jedoch nicht die Konstruktionsweise das Schrecknis, sondern ein poröses Bauteil. In einem Stahlträger hatte sich ein Haarriss aufgetan. Staub zu Staub, Trümmer zu Trümmern.
Nichts mehr übrig: Diese berühmten Berliner Bauten existieren nicht mehr. Verschwunden: Mehr Berliner Gebäude, die es nicht mehr gibt. Telefonzellen, Kohleöfen, Videotheken: Diese Dinge sind fast aus Berlin verschwunden. Nicht nur Häuser werden abgerissen: Diese Straßen gibt es nicht mehr. Es ist leise geworden: Diese legendären Konzertorte haben für immer zu. Zurzeit beleuchtet das Humboldt-Forum im Rahmen einer Ausstellung eine fruchtbare Allianz in der Spätphase der DDR – die Kooperation zwischen Jugendkultur und Klerus in der Bürgerrechtsbewegung. „Punk in der Kirche. Ost-Berlin 1979-89“ heißt die Schau im Segment „Berlin Global“. Die Volkswirtschaft im kommunistischen Staat hat übrigens viele namhafte Konsumerzeugnisse hervorgebracht. Viele existieren nicht mehr, wie etwa die Jeansmarke „Wisent“ oder die Zahnpasta „Putzi“. Noch ein Stück Alltagskultur aus dem damaligen Leben in Ost-Berlin: die damaligen Hallenbäder, von Stadtbad Mitte bis Neue Volksschwimmhalle Pankow.