Berlin verstehen

Diese 12 Dinge sind (fast) aus Berlin verschwunden

Wie viele Dinge aus dem eigenen Leben verschwunden sind, merkt man erst als Erwachsener. Man denkt an die eigenen Kindheit zurück und stellt fest, was es alles nicht mehr gibt: Walkmans, Tamagotchis oder das Testbild im Fernsehen. Alles befindet sich im Wandel, dies ist die einzige Beständigkeit des Lebens. Man kann an den verlorenen Dingen nicht ewig festhalten, das ist klar. Wir blicken trotzdem zurück und schauen uns mit leicht nostalgischem Blick an, was in Berlin vor etwa 20 oder 30 Jahren noch ganz selbstverständlich zum Alltag gehörte und heute fast vollständig verschwunden ist. Manches fehlt, bei anderen Sachen ist es ganz in Ordnung, dass sie weg sind.


Telefonzellen

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Diese Dinge sind verschwunden: Eine gelbe Telefonzelle in Moabit, 1999. Foto: Imago/Teutopress
Verschwunden aus dem Berliner Stadtbild: Eine gelbe Telefonzelle in Moabit, 1999. Foto: Imago/Teutopress

Die Telefonzelle ist wohl das markanteste Beispiel für die Dinge, die aus dem Stadtraum verschwunden sind. Nahezu vollständig. Denn einst hatte nicht jeder Mensch einen Minicomputer in der Hosentasche mit dem man, neben unzähligen anderen Funktionen, auch telefonieren kann. Die Gegenwart und vermutlich auch die Zukunft gehören dem Smartphone und die meist übel riechenden gelben Häuschen, in denen man für ein paar Groschen oder später – ganz modern – mit Telefonkarten jemanden anrufen konnte, braucht wirklich niemand mehr.


Eckkneipen

Klassische Eckkneipe – Die Kreuzberger Molle in der Bergmannstraße, 1999. Foto: Imago/Lem
Klassische Eckkneipe – Die Kreuzberger Molle in der Bergmannstraße, 1999. Foto: Imago/Lem

Zigarettenrauch-geschwängerte Luft, durchwachsene Musik aus der Jukebox, hart-herzliches Personal, ein Pils vom Fass, ob Tag oder Nacht: Urige Kneipen in Berlin haben ihren ganz eigenen Charme. Doch diese Institution des gepflegten Alkoholkonsums ist vom Aussterben bedroht. Ob gesellschaftlicher Wandel oder steigende Mieten, viele klassische Eckkneipen sind verschwunden. In den leergewordenen Lokalen wird heute nachhaltig gerösteter Kaffee verkauft oder es gibt klug gemixte Cocktails. Dafür haben Spätis vielerorts die Rolle der Eckkneipe im Kiez übernommen.


Trabanten

Trabi am Strausberger Platz, 1995. Foto: Imago/Werner Schulze
Trabi am Strausberger Platz, 1995 – auch etwas, das weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden ist. Foto: Imago/Werner Schulze

Der Trabant und Berlin haben eine lange gemeinsame Geschichte, die nach dem Mauerfall abrupt endete. Als im November 1989 die Mauer fiel und die Trabis Kurs auf West-Berlin nahmen, wirkten sie bereits wie Relikte aus einer anderen Zeit. Die letzten Trabanten liefen im Sommer 1990 vom Stapel, während der Währungsreform wurde der Bau abgewickelt, man versuchte noch mit dem Modell 1.1 (mit Viertaktmotor!) den DDR-Bestseller zu retten, aber auch das erwies sich als Sackgasse. Im April 1991 war endgültig Schluss und die Trabis landeten auf dem Schrottplatz der Geschichte. Heute sieht man sie nur sehr gelegentlich, teilweise auch als Touristenattraktion für Stadtrundfahrten.


Durchsteckschlüssel

Der Berliner Durchsteckschlüssel. Foto: Clemens Franz/Wikimedia Commons/CC BY 2.5
Der Berliner Durchsteckschlüssel. Foto: Clemens Franz/Wikimedia Commons/CC BY 2.5

Es gab zahlreiche Eigenheiten in West-Berlin. Die Geisterbahnhöfe etwa, oder dass man für 20 Pfennige endlos telefonieren konnte. Es gab viele Wohnungen mit Außentoilette, was man in „Westdeutschland“ nicht kannte. Auch der Berliner Schlüssel (beziehungsweise Durchsteckschlüssel) war so eine Eigenheit. Man steckte den seltsamen Schlüssel ins Schloss, drehte, öffnete die Tür und drückte ihn durch, drehte auf der anderen Seite wieder, um die Tür zu schließen, erst dann konnte man den Schlüssel wieder herausziehen und in einer speziellen Halterung am Schlüsselbund befestigen.


Zigarettenwerbung

Diese Dinge sind verschwunden: Rauchender Punk vor einem Werbeplakat der Zigarettenmarke West, 1998. Foto: Imago/Rüttimann
Rauchender Punk vor einem Werbeplakat der Zigarettenmarke West, 1998. Foto: Imago/Rüttimann

In den 1980er- und auch 1990er-Jahren hatte man einen weniger verkrampften Umgang mit Zigaretten. Kinder wurden zum Kippen holen in den Laden geschickt, in der Kneipe zog man sich problemlos ein Päckchen aus dem Automaten und steckte sich eine an. Immer und überall. Auch Werbeplakate, die den Rauchgenuss propagierten, schmückten die Stadt. Ober der Marlboro Man, Camel-Abenteurer oder die schrillen Test-the-West-Typen, die Helden der Zigarettenindustrie waren allgegenwärtig. So wie noch früher das HB-Männchen. Heute ist die zigarettenfreundliche Ära mehr oder weniger vorbei. Auch wenn in Berliner Bars und Kneipen noch viel gequalmt wird, so ist die Außenwerbung für Glimmstängel längst verschwunden, stattdessen sieht man Reklame für Ersatzprodukte.


Kohleöfen sind fast aus Berlin verschwunden

Altbauzimmer in Berlin mit Ofenheizung. Foto: Imago/STPP
Altbauzimmer in Berlin mit Ofenheizung, zum Glück auch eine der weitestgehend verschwundenen Relikte der Vergangengeit. Foto: Imago/STPP

Hässliche Tapeten an den Wänden, die abgewetzten Böden mit jener dunkelroten, „Ochsenblut“ genannten, Farbe zugekleistert, ein antiker Kachelofen in der Ecken. Im Winter staubte die Asche das Zimmer voll, immer wenn man sie brauchte, lagen die Briketts im Keller, es roch nach Schornstein. Wer morgens in einer kalten Wohnung aufwachte und merkte, dass der Ofen seit Stunden aus ist und es Stunden dauern wird, bis alles wieder warm wird, der wird die aus Berlin verschwundenen Kachelöfen nicht vermissen. Und doch waren sie mal Alltag.


BVG-DJs (U-Bahn-Abfertiger)

U-Bahn-Abfertiger der BVG bei der Arbeit im Bahnhof Zoologischer Garten, 1995. Foto: Imago/Detlev Konnerth
U-Bahn-Abfertiger der BVG bei der Arbeit im Bahnhof Zoologischer Garten, 1995. Foto: Imago/Detlev Konnerth

„Wir treffen uns beim DJ“, so hat man sich einst in Berlin auf U-Bahnhöfen verabredet und meinte damit die Häuschen der U-Bahn-Abfertiger, die an den meisten U-Bahnhöfen, schick uniformiert, die ein- und abfahrenden Züge an- und abmoderierten. Irgendwann waren die BVG-DJs verschwunden und das „Zurückbleiben, bitte“ schallt fortan mechanisch aus den Lautsprechern. Schade.


Parkplätze

Parkplatz gefunden! Foto: Imago/Steinach
Parkplatz gefunden! Foto: Imago/Steinach

Klimaerwärmung und Verkehrswende schön und gut, in Berlin steigt dennoch die Zahl der neu zugelassenen Autos von Jahr zu Jahr. Trotz Anwohner-Parkzonen, hoher Parkgebühren, Spurverengungen, Pop-up-Fahrradwegen und Begegnungszonen. Auch die Strafzettel für Falschparker sind teurer geworden. Wer erinnert sich nach an die Fünf-Euro-Tickets? Einen Parkplatz zu finden war aber, so viel Ehrlichkeit muss sein, auch vor 20 oder 30 Jahren in so mancher Gegend nicht leicht. Heute ist es in vielen Kiezen schier unmöglich, eine Lücke zu ergattern. Alles dicht!


Zeitungskioske

Diese Dinge sind verschwunden: Zeitungskiosk in Berlin. Foto: Imago/Ina Peek
Zeitungskiosk sind in Berlin leider auch viele verschwunden. Foto: Imago/Ina Peek

„Internet killed the Newspaper Star“ – so könnte man „Video Killed the Radio Star“, den berühmten Song der britischen Pop-Band The Buggles, abwandeln. Denn je mehr Menschen sich mit Nachrichten im Netz versorgen, desto weniger Zeitungen und Zeitschriften werden verkauft. Dies wiederum führt dazu, dass sich die klassischen Verkaufsorte, sprich Zeitungskioske, für die Betreiber nicht mehr rentieren. So weit der kausale Zusammenhang an dessen Ende das Verschwinden des Kiosks steht. Beim Späti, dem logischen Kiosk-Nachfolger, bekommt man zwar Süßigkeiten, Tabak, Craft-Beer, lange Blättchen und 25 Sorten kohlensäurehaltiger Limonade, eine Zeitung aber nicht überall.


Billige Wohnungen

Begehrte Wohnungen in Kreuzberg. Foto: Imago/Florian Monheim/Arcaid Images
Begehrte Wohnungen in Kreuzberg. Foto: Imago/Florian Monheim/Arcaid Images

Es war einmal, vor langer langer Zeit … da kam man in die große Stadt Berlin, und ohne größere Probleme fand man auch als junger Mensch mit wenig Geld eine Wohnung. Nein, nicht in Reinickendorf oder Adlershof, sondern so richtig schön mittendrin. In Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg. Diese Wohnungen waren oft nicht im besten Zustand, aber mit etwas Bafög, Zuschuss von den Eltern oder Brotjobs ließ sich die Miete bezahlen. Das war einmal: Manche Berlin-Erfahrungen machen Zugezogene heute nicht mehr – und das liegt auch daran, dass die günstigen Mieten aus der Stadt fast verschwunden sind.


Brachen

Brache in Mitte. Foto: Imago/Schöning
Brache in Mitte, heute befindet sich an dieser Stelle die Zentrale des Bundesnachrichtendiensts – es liegt in der Natur der Sache, dass Brachen bei Bebauung verschwinden. Foto: Imago/Schöning

Lange haben die innerstädtischen Brachen Berlin bestimmt. Nach dem Krieg entstanden in vielen Bezirken Leerstellen, die aufgrund der politischen Situation nicht gleich bebaut wurden. Diese urbanen Narben blieben in Mauerzeiten bestehen, plötzlich lagen viele einst attraktive Grundstücke am Mauer-Stadtrand, weder in Ost noch in West wollte man in diese Einöden investieren. Alte Bahngelände verfielen, Brachen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg boten der Natur Raum zur Entfaltung. Nach der Wende wurden sie von Künstlern, Aussteigern oder der Partyszene genutzt. Spätestens ab 2000 verwandelten sich die einst ungewollten Flächen in begehrte Lagen für finanzstarke Investoren. Heute sind die Brachen weitgehend zugebaut.


Videotheken

Diese Dinge sind verschwunden: Video Collection an der Berliner Straße in Berlin-Wilmersdorf, 2005. Foto: Imago/Schöning
Video Collection an der Berliner Straße in Berlin-Wilmersdorf, 2005. Foto: Imago/Schöning

Die Geschichte der Videotheken in Berlin ist eine Geschichte des Mediums im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In den frühen 1980er-Jahren begann die Ära der Videorecorder, nachdem sich das VHS-System durchgesetzt hatte, vermehrten sich schnell auch die Videotheken. 1983 gab es in Deutschland bereits 5000 davon, auch in Berlin gehörten sie fortan zum Stadtbild dazu. Etwa 20 Jahre währte die Homevideo-Kultur, bis sie von Internet und Streamingdiensten obsolet gemacht wurde. Da half auch der zwischenzeitliche DVD-Boom nicht. Die meisten Videotheken sind längst verschwunden, nur einige halten sich, teilweise mit neuen Konzepten, noch wacker!


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