Berlin verstehen

Historische Morde und Attentate: So starben Adelige, Politiker, Anarchisten

Im alten Berlin gab es Attentate auf Könige und Kaiser, während der Weimarer Republik wurden liberale und sozialdemokratische Politiker angegriffen und die sozialistischen Anführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Nach dem Zweiten Weltkrieg spitzte sich die Gewalt auf den Straßen zu. In West-Berlin wurde 1967 der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration von einem Polizisten erschossen, kurze Zeit später der sich auf der Flucht befindliche Anarchist Georg von Rauch. Zuletzt verübte ein Mann im November 2019 ein tödliches Attentat auf den Arzt Fritz von Weizsäcker. Wir haben spektakuläre Attentate, Morde und Erschießungen zusammengestellt, die von einer blutigen Geschichte Berlins erzählen.


König Friedrich Wilhelm IV. 

Attentate in Berlin: Friedrich Wilhelm IV. wurde 1840 König von Preußen. Foto: Imago/Rust
Friedrich Wilhelm IV. wurde 1840 König von Preußen. Foto: Imago/Rust

Eine merkwürdige Sache ereignete sich am 26. Juli 1844. Heinrich Ludwig Tschech, der ehemalige Bürgermeister des brandenburgischen Städtchens, war schwer gekränkt – die Bürger wollten ihn nicht mehr im Rathaus sehen. Weil er den Abstieg nicht überwinden konnte, verübte er ein Attentat auf Wilhelm IV. und dessen Gattin. Damit wollte er die landesweite Aufmerksamkeit auf seine als große Schmach empfundene Situation lenken. Die Sache ging für Tschech nicht gut aus. Das Königspaar blieb unverletzt, er selbst aber wurde verhaftet und wenige Monate später in Spandau enthauptet.


Otto von Bismarck

Attentate in Berlin: Otto von Bismarck in Uniform und preußischem Helm. Gemälde von Franz von Lenbach, 1871. Foto: Imago/Vernon Lewis Gallery/Stocktrek Images
Otto von Bismarck in Uniform und preußischem Helm. Gemälde von Franz von Lenbach, 1871. Foto: Imago/Vernon Lewis Gallery/Stocktrek Images

Der Politiker und Staatsmann Otto von Bismarck (1815-1898) prägte wie kein anderer die politischen Entwicklungen im Deutschen Reich. Er gilt als treibende Kraft hinter der Reichsgründung, wurde 1871 erster Reichskanzler und dominierte in dieser Funktion bis 1890 die deutsche Politik.

Im Mai 1866, fünf Jahre vor der Reichsgründung, amtierte Bismarck noch als preußischer Ministerpräsident. In jenem Jahr führten Preußen und Österreich Krieg, dies missfiel dem jungen Demokraten und Kriegsgegner Ferdinand Cohen-Blind und so schoss dieser auf den Staatsmann. Bismarck blieb unverletzt, der Attentäter kam in Haft, wo er sich in seiner Zelle am folgenden Tag die Halsschlagader aufschnitt und infolge der Verletzungen verstarb.


Kaiser Wilhelm I.

Attentate in Berlin: Wilhelm I., Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen, ab 1871 deutscher Kaiser. Foto: Imago/H. Tschanz-Hofmann
Wilhelm I., Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen, ab 1871 deutscher Kaiser. Foto: Imago/H. Tschanz-Hofmann

Von 1861 bis 1871 war Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen König, am 18. Januar 1871 wurde der Monarch aus dem Hause Hohenzollern deutscher Kaiser. Bei seinem Tod im Jahr 1888 trauerte das ganze Reich, besonders die Berliner vergossen viele Tränen. Mit seinem Tod ging das „alte Preußen“ nach und nach verloren.

1878 überstand Wilhelm I. gleich zwei Attentate. Beide ereigneten sich auf dem Prachtboulevard Unter den Linden. Im Mai schoss ein sozialistischer Klempnergeselle auf das in einer Kutsche vorbeifahrende Staatsoberhaupt, drei Wochen später ein Landwirt aus einem Fenster. Dies veranlasste Bismarck, das so genannte „Sozialistengesetz“ im Reichstag durchzusetzen. Es verbot sozialistische, sozialdemokratische und kommunistische Vereine, Schriften und Versammlungen und galt bis 1890.


Rosa Luxemburg

Rosa Luxemburg. Foto: Imago/Leemage
Radikale Vertreterin des Sozialismus, harsche Kritikerin des Militarismus, Rednerin, Redakteurin und Denkerin, die polnische Jüdin Rosa Luxemburg ist eine Ikone der Linken. Foto: Imago/Leemage

Am 15. Januar 1919 nahm die selbsternannte „Wilmersdorfer Bürgerwehr“ Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in einer Wohnung in der Mannheimer Straße 27 in Wilmersdorf fest. Die Männer brachten sie zu einem Regiment der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, einem aus der preußischen Armee entstandenem Verband, aus dem später nationalistische Freikorps hervorgingen.

Luxemburg und Liebknecht wurden verhört, gefoltert und noch am gleichen Tag ermordet. Ihre Leichen warf man in der Nähe der Lichtensteinbrücke in Tiergarten in den Landwehrkanal. Weil man die Körper nicht fand, wurden am 25. Januar leere Särge auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde bestattet. An der Beerdigung nahmen mehr als 100.000 Menschen teil.


Hugo Haase

Attentate in Berlin: Hugo Haase (1853-1919). Foto: Imago/Collection Dixmier/Kharbine Tapabor
Der USPD-Vorsitzende Hugo Haase (1853-1919) gehörte zu den bedeutendsten sozialistischen Politikern nach dem Ersten Weltkrieg. Foto: Imago/Collection Dixmier/Kharbine Tapabor

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wehte in Berlin ein anderer Wind. Die Monarchie wurde abgeschafft, der Staat organisierte sich um und die politische Stimmung radikalisierte sich. Die revolutionären Umtriebe jener Zeit verstörten den Arbeiter Johann Voß, am 8. Oktober 1919 schoss er auf Hugo Haase, den Vorsitzenden der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), der nach der Novemberrevolution (1918/19) für kurze Zeit dem Rat der Volksbeauftragen angehörte. Der nur leicht verletzte Haase verstarb einen Monat nach der Tat überraschend infolge einer Sepsis.


Großwesir Talaat Pascha

Mehmed Talaat Pasha. Foto: Imago/CPA Media/UIG
Ehemaliger türkischer Innenminister und Großwesir: Mehmed Talaat Pasha. Foto: Imago/CPA Media/UIG

Spätestens in den 1920er-Jahren entwickelte sich Berlin zur Weltstadt. Durch die Eingemeindungen umliegender Städte, Güter und Dörfer hatte die Spreemetropole etwa vier Millionen Einwohner. Das Nachtleben pulsierte und auch für die internationale Politik mit all ihren Verwerfungen war Berlin ein Schauplatz. So befand sich 1921 der ehemalige türkische Innenminister und Großwesir Talaat Pascha im Exil und lebte in einer Charlottenburger Wohnung. Dort wurde er am 15. März jenes Jahres von einem armenischen Studenten ermordet. Als Grund gab der Attentäter den von den Türken verübten Völkermord an den Armeniern an.


Walther Rathenau

Walther Rathenau. Foto: Imago/Topfoto /United Archives International
Der deutsche Jude Walther Rathenau war 1922 Reichsaußenminister und wurde von rechtsradikalen ermordet. Foto: Imago/Topfoto /United Archives International

Die rechtsradikalen Erwin Kern und Hermann Fischer erschossen am 24. Juni 1922 den Schriftsteller, Industriellen und liberalen Politiker Walther Rathenau. Dies war der Auftakt einer blutigen Mordserie, die die Zeit der Weimarer Republik überschattete, man sprach von den „Fememorden“. Die politische Radikalisierung jener Zeit war auch der Beginn eines offenen und brutalen Antisemitismus – Rathenau war deutscher Jude und Reichsaußenminister – der Hitler und der NSDAP den Weg ebnete.


Benno Ohnesorg

Trauer und Empörung nach Tod des Studenten Benno Ohnesorg durch Schüsse der Polizei bei einer Anti-Schah-Demo in West-Berlin am 2.6.1967. Foto: Imago/Klaus Rose
Trauer und Empörung nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg durch Schüsse der Polizei bei einer Anti-Schah-Demo in West-Berlin am 2.6.1967. Foto: Imago/Klaus Rose

Berlin in den 1960er-Jahren: Der Protest gegen den Krieg in Vietnam und der Besuch des persischen Schahs am 2. Juni 1967, bei dem der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde, bewegten die Gemüter junger Menschen, die später als die „68er“ in die Geschichte eingehen sollte. Benno Ohnesorg wurde während der Demo gegen den Schah-Besuch von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras in der Krummen Straße erschossen. Die Umstände, in denen der tödliche Schuss fiel, sind verschwommen und nicht vollständig geklärt. Es gab Beweise, die verschwanden, angebliche Vertuschungen und eine mangelhafte juristische Aufarbeitung des Falls, für die sich am 2. Juni 2017, genau 50 Jahre später, der damalige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt entschuldigte.


Rudi Dutschke

Rudi Dutschke. Foto: Imago/United Archives/Sven Simon
Charismatischer Anführer der Studentenbewegung: Rudi Dutschke. Foto: Imago/United Archives/Sven Simon

In West-Berlin der 1960er-Jahre entstand eine vielfältige und sehr rege linke bis linksradikale Politszene. Rudi Dutschke führte die Studentenbewegung an, die Außerparlamentarische Opposition (APO) organisierte sich gegen die Bonner Parteien, in der Kommune 1 experimentierte man mit neuen Formen des Zusammenlebens, Verlage brachten Manifeste in Umlauf, dogmatische K-Gruppen diskutierten die Weltrevolution und die langhaarigen Freaks trieben sich als umherschweifende Haschrebellen herum.

Besonders die Springer-Presse hat es auf die protestierenden Studenten und ihren charismatischen Anführer abgesehen. Von den Schlagzeilen der „Bild“ und „B.Z.“ aufgehetzt, schoss der junge Hilfsarbeiter Josef Bachmann auf den mit dem Fahrrad vorbeifahrenden Dutschke. Die Tat ereignete sich am 11. April 1968 vor dem Büro des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) am Kurfürstendamm.


Georg von Rauch

Georg-von-Rauch-Haus. Foto: Imago/PEMAX
Benannt nach einem von der Polizei erschossenen Anarchisten: Georg-von-Rauch-Haus in Kreuzberg. Foto: Imago/PEMAX

Der linke Student Georg von Rauch radikalisierte sich nach dem Tod von Benno Ohnesorg während der Demonstration gegen den Schah-Besuch in Deutschland am 2. Juni 1967. Er wechselte an die FU Berlin, trat dem SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) bei und lebte in der „Wielandkommune“, deren Hauptmieter Otto Schily war. Dort experimentierten die Kommunarden mit Drogen und freier Liebe und finanzierten sich mit dem Raubdruck und Verkauf von sozialistischen Schriften. Georg von Rauch begriff sich als Anarchist und schloss sich einer Stadtguerilla nach dem Vorbild der uruguayischen Tupamaros an. 8iuojkln

Er ließ sich in einem jordanischen Militärlager ausbilden und plante mit seiner Gruppe „bewaffnete Aktionen gegen den US-Imperialismus“. Er wurde 1970 wegen Körperverletzung und versuchtem Raub verhaftet, durch einen „Verwechslungstrick“ konnte er fliehen. Nach mehreren Monaten im Untergrund stellte ihn die West-Berliner Polizei am 4. Dezember 1971 in der Schöneberger Eisenacher Straße. Es kam zu einem Schusswechsel bei dem Georg von Rauch tödlich verletzt wurde. Sein Tod sorgte für einen Schock in der linken Szene. In Kreuzberg wurde das ehemalige Schwesternwohnheim des besetzten Bethanien-Krankenhauses Georg-von-Rauch-Haus genannt und auch die Ton Steine Scherben erwähnten ihn im „Rauch-Haus-Song“.


Sadegh Scharafkandi

Enthüllung der Gedenktafel für die Opfer des Attentats im Restaurant Mykonos von 1992, 2004. Foto: Imago/Manja Elsässer
Enthüllung der Gedenktafel für die Opfer des Attentats im Restaurant Mykonos von 1992, 2004. Foto: Imago/Manja Elsässer

Im Herbst 1992 reiste der kurdische Politiker Sadegh Scharafkandi nach Berlin, um an einer Versammlung der Sozialistische Internationale teilzunehmen. In dieser Zeit fungierte der im Iran geborene Chemiker als Vorsitzender der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran. Nach der Versammlung am 17. September ging Scharafkandi gemeinsam mit einer Gruppe iranisch-kurdischer Exilpolitiker in dem griechischen Restaurant Mykonos essen. Dort wurden er und drei weitere Personen im Auftrag des iranischen Geheimdienstes erschossen. Das „Mykonos-Attentat“ gilt neben dem Anschlag vom Breitscheidplatz und dem Attentat in der Discothek La Belle als eines der düstersten und blutigsten Kapitel in der Berliner Nachkriegsgeschichte.


Fritz von Weizsäcker

Grabstein von Fritz von Weizsäcker. Foto: Wikimedia Commons/Mutter Erde/CC BY SA 4.0
Grabstein von Fritz von Weizsäcker. Foto: Wikimedia Commons/Mutter Erde/CC BY SA 4.0

Fritz von Weizsäcker, jüngster Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, war Professor für Innere Medizin und Chefarzt der Inneren Abteilung der Schlosspark-Klinik Berlin, wo er am 19. November 2019 einen Vortrag hielt. Im Anschluss an die Veranstaltung stach ihm der psychisch erkrankte Gregor S. mit einem Messer in den Hals. Die Staatsanwaltschaft verurteilte den Angreifer zu 12 Jahren Freiheitsstrafe sowie einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Im April 2022 beging S. vermutlich Suizid.


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