Geschichte

Keller in Berlin: Archive, Clubs, Gefängnisse – 12 Untergrund-Geschichten

Die Keller unter Berlin bilden ein unbekanntes Geflecht, eine Stadt unter der Stadt. Verborgen im Dunkeln dienten die Räume als Schutzbunker im Krieg, als Lagerhallen für frisch gebrautes Bier oder als Archive für verbotene Bücher und vergessene Filme. In vielen Kellern wurde getrunken, getanzt und in einigen auch Orgien gefeiert. Es gibt sogar eine Legende, dass in einem Schöneberger Keller seit Jahrzehnten ein Dämon gefangen gehalten wird. Hier erzählen wir 12 Keller-Geschichten aus Berlin.


Wasserwerk Beelitzhof

Renovierter Reinwasserbehälter im Wasserwerk Beelitzhof. Foto: Imago/Marius Schwarz
Renovierter Reinwasserbehälter im Wasserwerk Beelitzhof. Foto: Imago/Marius Schwarz

Industriearchitektur gehört zu Berlin, die imposanten Bauwerke prägen das Stadtbild bis heute. Im 19. Jahrhundert begann das Zeitalter der Industrialisierung, damals schossen Fabriken, Montagehallen und Lagerräume aus dem Boden. Die Luft verdunkelte sich vom Rauch, der aus den Schloten stieg, und es wurde produziert, was das Zeug hielt. Zu der gewaltigen Gebäuden gehörten stets auch Untergeschosse, die bis heute beeindrucken, etwa dieser renovierte Reinwasserbehälter im Wasserwerk Beelitzhof.


Kohlenkeller

Ein Kohlenhändler liefert Briketts direkt in den Keller. Foto: Imago/Sabeth Stickforth
Ein Kohlenhändler liefert Briketts direkt in den Keller. Foto: Imago/Sabeth Stickforth

Die Kohlenhändler sorgten einst für die Wärme in der guten Stube, noch bis in die 1990er-Jahre heizten nicht wenige Berliner und Berlinerinnen ihre Wohnungen mit dem schwarzen Gold. Ausgeliefert wurde das schwere Gut auf den krummen Rücken der Kohlenschlepper, die es in Säcken oder als gebündelte Briketts in die Keller schleppten. Von dort musste man sich bei eisigem Wetter einen Eimer voll nach oben holen und den Kachelofen anheizen. Vier oder fünf Stunden später war es dann (vielleicht) warm in der Bude.


Keller an der Rathausstraße

Grabungsarbeiten der Archäologen gegenüber vom Berliner Rathaus mit freigelegten Kellern an der Rathausstraße, 2010. Foto: Imago/Thomas Lebie
Grabungsarbeiten der Archäologen gegenüber vom Berliner Rathaus mit freigelegten Kellern an der Rathausstraße, 2010. Foto: Imago/Thomas Lebie

An der Rathausstrasse fanden die Wissenschaftler Keller und Brunnen von Häusern, die aus dem 13. Jahrhundert stammten. Auch die Überreste des alten gotischen Rathauses konnten freigelegt werden sowie an die 600 Münzen, die im und am Rathaus verloren gegangen waren. Bei den U5-Grabungen entdeckte man aber auch Spuren der neueren Berliner Geschichte, etwa die alten Fernmeldekabel im Keller der alten Oberpostdirektion am heutigen Marx-Engels-Forum. Hier sind wichtige Ausgrabungen in Berlin, die für Aufsehen gesorgt haben – von Schatzfunden bis zur Entdeckung der womöglich ältesten Berliner Straße Anfang 2022.


Verbotene Literatur im Kellerversteck

In der Buchhandlung Zauberberg in der Bundesallee lagerten in einem Keller seit der Zeit des Dritten Reiches Bücher, die damals verboten oder nicht erhältlich waren, 2010. Foto: Imago/Christian Schroth
In der Buchhandlung Zauberberg in der Bundesallee lagerten in einem Keller seit der Zeit des Dritten Reiches Bücher, die damals verboten oder nicht erhältlich waren. Aufnahme von 2010. Foto: Imago/Christian Schroth

Die Buchhandlung Zauberberg ist ein gemütlicher Ort in Friedenau, der zum Verweilen und Schmökern einlädt. In den Regalen stehen internationale Klassiker der Belletristik. Unter dem Namen Wolff’s Bücherei war der Laden einmal ein legendärer Literaturtreffpunkt. Damit hat Der Zauberberg zwar nicht mehr viel zu tun, ist mit seiner feinen Auswahl aber trotzdem zu empfehlen. Eine Kellergeschichte gibt es aber, die mit dem Ort verbunden ist. Während des Krieges wurden in einem Keller unter dem Laden von den Nazis verbotene Bücher aufbewahrt, noch 2010 befanden sich dort die vor dem Feuer der Faschisten bewahrten Bände.


SA-Gefängnis Papestraße

Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße in Tempelhof. Foto: Imago/Schöning
Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße in Tempelhof. Foto: Imago/Schöning

Der Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße ist der einzige historische Ort des frühen NS-Terrors in Berlin, in welchem sich noch Spuren aus dem Jahr 1933 finden lassen. In dem ursprünglich für die Preußischen Eisenbahn­regimenter erbauten Kasernen­gebäude befand sich von März bis Dezember 1933 ein frühes Konzentration­slager unter Führung der SA. Die als Haftzellen genutzten Keller­räume sind weitgehend in ihrem damaligen Zustand erhalten. Seit März 2013 dokumentiert eine Ausstellung die Geschichte des Ortes. 


Kellergewölbe einer Bierbrauerei

Prenzlauer Berger Kellergewölbe, in dem einst Bierfässer gelagert wurden. Foto: Imago/Steinach
Prenzlauer Berger Kellergewölbe, in dem einst Bierfässer gelagert wurden. Foto: Imago/Steinach

Berlin ist eine Bierstadt oder war es zumindest mal. Davon zeugen die vielen Brauereien, die bis heute noch ganze Viertel prägen. Gebraut wird mittlerweile weniger der Spree, nur die große Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei in Lichtenberg produziert hier noch Bier in großen Mengen. Aber die Keller, in denen einst der Gerstensaft gekühlt wurde, gibt es noch, so wie dieses Kellergewölbe in einer ehemaligen Brauerei in der Saarbrücker Straße in Prenzlauer Berg.


Untergeschoss des Flughafengebäudes von Berlin Tempelhof

Alter Luftschutzbunker mit Bemalung im Untergeschoss des Flughafengebäudes von Berlin Tempelhof. Foto: Imago/Martin Bäuml Fotodesign
Alter Luftschutzbunker mit Bemalung im Untergeschoss des Flughafengebäudes von Berlin Tempelhof. Foto: Imago/Martin Bäuml Fotodesign

Der im Dritten Reich gefragte Architekt Ernst Sagebiel bekam 1934 den Auftrag vom Reichsluftfahrtministerium für den Neubau des Zentralflughafens und legte einen Plan für ein monumentales Bauwerk vor. Das damals flächengrößte Gebäude der Welt hat eine Länge von gut 1200 Metern und gehört damit zu den längsten Bauwerken in Europa. Auch die Untergeschosse des Baus sind spektakulär, heute noch dienen Teile der Kelleranlagen als Proberäume für Berliner Bands. Bei längeren Streifzügen durch die labyrinthischen Gänge stößt man schon mal auf seltsame Wandbilder aus alten Zeiten. Leider sind die meisten Ebenen nicht frei begehbar.


Berliner Kellerclubs

Legendäre Kneipe in Mitte: Der Keller vom Zosch. Foto: Imago/Bernd Friedel
Legendäre Kneipe in Mitte: der Keller vom Zosch. Foto: Imago/Bernd Friedel

In den 1990er-Jahren etablierte sich das Zosch als Anlaufstelle für Nachtschwärmer und Musikfans. Oben wurde in der klassischen Berliner Kneipe ausgeschenkt, im Keller drehten DJs und Bands auf. Seitdem wird dort getanzt, geschwitzt und auch mal vorgelesen. Auch andere Kneipen und Clubs fanden die passenden Räume in Untergeschossen, etwa der ehemalige Kreuzberger Privatclub oder das Madame Claude. Auch viele Techno-Clubs zogen zeitweise in fensterlose Räume unter der Erde, und die Fetisch-Szene feiert gerne wilde Orgien in dunklen Verliesen. Keller bringen manchmal die Fantasie auf Touren.


Kellergewölbe im Ägyptischen Museum

Ausstellungsräume in einem Kellergewölbe unter dem Ägyptischen Museum. Foto: Imago/Ingo Schulz/Imagebroker
Ausstellungsräume in einem Kellergewölbe unter dem Ägyptischen Museum. Foto: Imago/Ingo Schulz/Imagebroker

Wer das Neue Museum auf der Museumsinsel besucht, sollte sich auch in die Keller anschauen. Dort sind Exponate aus den Beständen des Ägyptische Museums und der Papyrussammlung zu sehen. Die Objekte spiegeln die Kulturen entlang des Nils bis hoch in den Sudan. Zu den Höhepunkten der Sammlung zählt aber natürlich die Büste der Nofretete, die seit 1925 in Berlin gezeigt wird, natürlich nicht im Keller.


Kunstwerke im Keller

Gemälde und Kunstwerke im Keller des Kunstsalons Posin. Foto: Imago/Emmanuele Contini
Gemälde und Kunstwerke im Keller des Kunstsalons Posin. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Hitler und Stalin blicken von den Leinwänden, es stapeln sich Rahmen und Gemälde, doch was aussieht wie die Räuberhöhle eine Kunstfälscherbande, ist einfach nur das Archiv des Kunstsalons Posin. Nicht in jedem Keller sollte man Kunstwerke für längere Zeit aufbewahren, da schnell mal ein Wasserrohr platzen kann und die Artefakte beschädigt werden können. Immer wieder vermelden Berliner Galerien Wasserschäden, auch das ist ein Aspekt der Keller-Realität.


Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Ehemaliges Stasi-Gefängnis und heute die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Foto: Imago/Rolf Kremming
Ehemaliges Stasi-Gefängnis und heute die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Foto: Imago/Rolf Kremming

Im Jahr 1951 übernahm das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) das Kellergefängnis „U-Boot“, nebenan entstand ein Gefängnisneubau mit 100 Zellen. In den fast 40 Jahren wurden hier mehr als 10.000 Menschen gefangen gehalten – physische und psychische Folter waren an der Tagesordnung. Nazi-Kriegsverbrecher:innen gab es hier nur noch vereinzelt. Den Großteil der Inhaftierten machten politische Gefangene, aber auch Menschen, die aus der DDR fliehen oder ausreisen wollten. Am 3. Oktober 1990 schloss das Gefängnis. Heute erinnert die Gedenkstätte Hohenschönhausen an das finstere Kapitel der DDR-Geschichte


Filmschätze im Kreuzberger Keller

Blick in den Keller im ehemaligen Kopierwerk Film- und Videoprint. Foto: Imago/Jürgen Heinrich
Blick in den Keller im ehemaligen Kopierwerk Film- und Videoprint. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Keller werden nicht nur in Berlin als Archivraum genutzt, was nicht immer sinnvoll ist, vor allem wenn sensibles Kulturgut gelagert werden soll. So erging es einem Berliner Filmschatz in Kreuzberg. Mit einer grossen Rettungsaktion barg 2014 die AG Dokumentarfilm mehr als 20.000 Filmbüchsen mit teilweise unwiederbringlichen Original-Negativen aus der Konkursmasse des ehemaligen Kopierwerks Film- und Videoprint in Kreuzberg. Die seit 2008 unsachgemäß dort in einem Keller gelagerten Filmrollen wurden mit Unterstützung der Stiftung Deutsche Kinemathek in ein Depot des Bundesfilmarchivs überführt.


Mehr Berlin, mehr Geschichte

Geschichte der Leere: Das sind 12 berühmte Berliner Brachen und ihre Geschichte. Der Bezirk Prenzlauer Berg ist Berlins Paradebeispiel für Gentrifizierung: eine Zeitreise durch die Kastanienallee in 12 Fotos. Mehr zu Berliner Bauten findet ihr in unserer Architektur-Rubrik. Und den Blick zurück findet ihr in unserer Geschichte-Rubrik.

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