Geschichte

Schlacht um Berlin 1945: Hier sieht man noch Spuren des Krieges

1945 lag Berlin in Trümmern. Die Narben und Einschusslöcher der Schlacht um Berlin sind noch immer überall in der Stadt zu erkennen – wenn man weiß, wo man suchen sollte. Seit 2018 dokumentiert der Blog „Berlin Battle Damage“ die verbliebenen Kriegsschäden. Peter Matthews von unserem Schwestermagazin Exberliner hat sich mit ihm getroffen.

Spuren des Krieges lassen sich auch heute noch an den Yorckbrücken sinderkennen. Sie wurden während der Schlacht um Berlin 1945 beschossen. Foto: Makar Artemev

Einschusslöcher in Berlin: Blog dokumentiert Kriegsschäden

„Es ist eine Frage der Einstellung des Auges“, sagt Peter Graham, der Mann hinter Berlin Battle Damage, einem Blog, den er seit 2018 betreibt, um die vielen Orte in Berlin zu dokumentieren, die noch immer von den schweren Kämpfen im April und Mai 1945 zeugen. „Ich erinnere mich, dass ich eine Dokumentation gesehen habe, in der es hieß, dass es nur noch wenige Orte in Berlin gibt, an denen man Kriegsschäden sehen kann. Ich dachte: Das stimmt nicht, die sind überall. Der Blog wuchs von da an, aber das war wahrscheinlich der Zeitpunkt, an dem ich begann, alles zu dokumentieren.“

Berlin Battle Damage ist ein Blog auf Facebook und Twitter – bald auch mit eigener Website –, der die Narben, die diese Stadt noch vom Krieg trägt, dokumentieren will. Als wir uns in einem Café in der Yorckstraße treffen, kann Graham nur wenige Schritte entfernt an den nahegelegenen Yorckbrücken auf bleibende Schäden hinweisen. Er zeigt mir sogar eine Tafel auf der Brückenseite, auf der der letzte Anstrich zu sehen ist. „Schauen Sie“, sagt er. „Können Sie das Datum lesen? 1939. Das habe ich noch nie gesehen. Jedes Mal, wenn ich hier bin, entdecke ich etwas Neues.“

An diesen 12 Orten – die Informationen stammen von Peter Graham und seinem Blog – könnt ihr die Narben der Schlacht um Berlin 1945 noch immer sehen.


Die Yorckbrücken tragen noch immer Spuren der Schlacht um Berlin

Luftaufnahme der Yorckbrücken. Die Spuren der Schlacht um Berlin erkennt man an den Anlagen nach wie vor. Foto: A.Savin/Wikimedia Commons

Die Yorckbrücken sehen auf den ersten Blick vielleicht nicht nach viel aus, aber diese berühmten Wahrzeichen Berlins gibt es schon seit etwa 1883. 45 verschiedene Eisenbahnbrücken standen hier einst, von denen einige noch immer in Betrieb sind – und sie tragen die deutlichen Spuren der Kampfhandlungen des Jahres 1945.

Als die sowjetischen Truppen sich von Osten her näherten und von der Gneisenaustraße und Neukölln Richtung Yorckstraße vorstießen, bildeten diese Brücken eine bequeme Verteidigungsposition für die sich zurückziehenden Deutschen. Auf einem Foto aus dieser Zeit kann man sogar sehen, dass eine der Brücken eingestürzt ist und die Straße komplett versperrt.

Kriegsgefangene bewegen sich Richtung Osten, im Hintergrund sieht man, dass eine der Brücken eingestürzt ist. Foto: Piet Vergiet

An den Stützpfeilern sind heute noch deutliche Spuren der Kämpfe zu erkennen. Die Schäden, die auf dem Foto unten zu sehen sind, wurden wahrscheinlich durch eine Bombe oder Artilleriebeschuss verursacht. Das Eisen selbst hat sich verzogen und eine der Nieten wurde herausgedrückt, während die gegenüberliegende Wand ebenfalls deutliche Kampfspuren aufweist. Der schmutzige weiße Anstrich stammt ebenfalls aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs: Die Stützen wurden eingefärbt, um für die Menschen am Boden noch sichtbar zu sein, wenn nachts als Luftschutzmaßnahme auf Beleuchtung verzichtet wurde.

Die Narben der Schlacht um Berlin sieht man dem Mauerwerk noch an. Foto: Makar Artemev

Flakturm im Humboldthain

Die gewaltigen Mauern des Flakturms hielten in der Schlacht um Berlin dem Beschuss stand. Foto: Makar Artemev

Der Flakturm im Volkspark Humboldthain ist eines der bekanntesten Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs und war ein wichtiger Bestandteil der Luftverteidigungsstrategie der Stadt. Die zwischen Oktober 1941 und April 1942 in Zwangsarbeit errichteten riesigen Bauwerke wurden von Helfern der Luftwaffe (oft Schulkindern) bemannt und konnten während des Krieges 32 Flugzeuge abschießen.

Am 26. April 1945, als die Sowjets von Nordwesten her vorrückten, beschossen sie das Gebäude mit 203-mm-Haubitzen, doch die Flakanlagen hielten stand. Die sowjetischen Truppen waren schon weiter vorgerückt, doch die Kampfhandlungen rund um den Flakturm hielten an. Erst am 3. Mai kapitulierten die deutschen Soldaten.

Heute nutzen Kletterer den Flakturm zum Trainieren: Sie können Fuß fassen, wo einst die Granaten einschlugen. Mehr zum Bouldern und Klettern in Berlin lest ihr hier.

Das im Krieg beschädigte Mauerwerk wird heute auch als Kletterwand genutzt. Foto: Peter Graham

Die Sophienkirche in Mitte ist voller Einschusslöcher

Die Kriegsschäden an der Sophienkirche sind auch Jahrzehnte nach den Kämpfen noch sichtbar, im Mauerwerk finden sich zahlreiche Einschlusslöcher. Foto: Makar Artemev

Diese Mauern sehen aus, als ob die Kämpfe erst gestern stattgefunden hätten. Die Schlacht, die dieses Bauwerk vernarbte, fand am 24. April 1945 statt, als das sowjetische 7. Korps auf deutsche Truppen traf, die sich zusammensetzten aus Elementen der Wehrmacht, der SS, des Volkssturms und der Hitlerjugend. Die Kämpfe waren äußerst heftig, wie man an diesen verwüsteten Mauern sehen kann. Der größte Teil der Schäden wurde wahrscheinlich durch Handfeuerwaffen verursacht.


S-Bahn-Brücke an der Leibnizstraße in Charlottenburg

Die S-Bahn-Brücke an der Leibnizstraße war Schauplatz von Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg. Foto: Peter Graham

Dies ist ein dramatischer Fall. In einem der Stützpfeiler der S-Bahn-Brücke an der Leibnizstraße in Charlottenburg befindet sich ein Einschussloch von einer Granate, das den Stützbalken vollständig durchbohrt hat. Man kann sogar die spiralförmigen Linien der Riffelung sehen, die die Granate beim Durchschlagen hinterlassen hat.

Hier ging das Geschoss glatt durch. Foto: Makar Artemev

Peter Graham von Berlin Battle Damage geht davon aus, dass es sich um eine panzerbrechende 85-mm-Granate eines sowjetischen T34/85-Panzers handelte. Die Flugbahn und die Schäden in der Umgebung deuten darauf hin, dass das Geschoss, nachdem es den Brückenträger durchschlagen hatte, den nächsten Träger traf und in die Mauer einschlug. Die Kämpfe hier fanden zwischen dem 30. April und dem 1. Mai 1945 statt, als die Deutschen versuchten, nach Westen in Richtung Spandau durchzubrechen. 


AEG-Fabrikkomplex an der Gustav-Meyer-Allee

Noch heute tragen die Mauern Spuren von der Schlacht um Berlin. Foto: Makar Artemev

Diese Fabrik der AEG (Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft) wurde 1887 erbaut. Die Schäden, die heute noch sichtbar sind, stammen vom 26. April 1945: Die Sowjets begannen ihren Angriff auf die Fabrik, als sie versuchten, die Flaktürme am Humboldthain zu umgehen. Dieses riesige Backsteingebäude wurde von Flugabwehr-, Volkssturm- und Polizeieinheiten verteidigt, auf dem Dach waren Flugabwehrkanonen angebracht. Die Rote Armee musste die Fabrik Stockwerk für Stockwerk einnehmen, und noch heute tragen die Wände die Spuren von Handfeuerwaffen, Mörser- und Artillerieeinschlägen.


Murellenschlucht und Schanzenwald: Hinrichtungsplatz Nr. 5

Hier wurden einst Deserteure erschossen. Foto: Peter Graham

Dies ist sicherlich einer der gruseligsten Orte auf dieser Liste. Zwischen dem Olympiastadion und dem U-Bahnhof Ruhleben liegt ein Gebiet mit Buschwerk und Wald, das als Murellenschlucht und Schanzenwald bekannt ist. Dieser Ort wurde während des Krieges als Truppenübungs- und Schießplatz genutzt, aber hier liegt auch eine Einrichtung, die einst als Hinrichtungsplatz Nr. 5 bekannt war: Wehrpflichtige, die sich nicht zum Dienst meldeten, desertierten oder sich weigerten zu kämpfen, wurden hier als Exempel und Warnung für die anderen Truppen erschossen.

Munitionsüberreste kann man hier noch immer finden. Foto: Peter Graham

Heute ist dieses Waldgebiet ein beliebtes Ziel für Spaziergänge mit Hunden, doch der oben abgebildete Bergrücken ist jener Ort, an dem die jungen Soldaten an drei Pfähle gefesselt und hingerichtet wurden. Als Peter Graham diesen Ort besuchte, fand er sogar Überreste von Kugeln direkt im sandigen Boden. 


Stadtbahn-Viadukt an der Friedrichstraße

Einschusslöcher findet man an vielen Orten in Berlin. Auch das Mauerwerk an der Friedrichstraße ist noch von ihnen übersät. Foto: Makar Artemev

Das Stadtbahn-Viadukt verläuft östlich des S-Bahnhofs Friedrichstraße und bildete während der Kämpfe im Jahr 1945 eine wichtige Verteidigungsbarriere. Das sowjetische 7. Korps erreichte diesen massiven Bau am 30. April und wurde so lange aufgehalten, dass die SS-Division Nordland am 1. Mai versuchte, entlang der Friedrichstraße nach Norden durchzubrechen.

Sie haben es jedoch nicht geschafft, und nur sehr wenige Mitglieder der Einheit haben überlebt. Heute sind an der gesamten Struktur noch immer Schäden zu sehen. 


St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof

Die Schlacht um Berlin tobte auch nahe der Friedhöfe, die noch immer von Einschusslöchern gekennzeichnet sind. Foto: Peter Graham

Da sie relativ unberührt bleiben, sind Friedhöfe ein guter Ort, um nach Kriegsschäden in Berlin zu suchen – und der St. Marien- und St. Nikolai-Friedhof hat eine besondere Bedeutung für die Nazizeit. Hier wurde Horst Wessel begraben, der berühmte „Nazi-Märtyrer“, der am 14. Januar 1930 von einem KPD-Mitglied getötet wurde. Sein Grab ist nicht mehr gekennzeichnet, aber es gibt Fotos von Hitlers Besuch an diesem Ort. Viele der Grabsteine und Mausoleen weisen Einschusslöcher aus den Kämpfen von 1945 auf.


Martin-Gropius-Bau

Im Krieg wurde der Martin-Gropius-Bau schwer zerstört. Foto: Makar Artemev

Genau wie heute war der Martin-Gropius-Bau 1945 ein Museum. Die Straße, in der er liegt, hieß allerdings nicht Niederkirchnerstraße, sondern Prinz-Albrecht-Straße. Sie war berüchtigt als Sitz der Gestapo. Heute ist das Gebäude neben dem Martin-Gropius-Bau verschwunden, an derselben Stelle befindet sich das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors. Der Vorgängerbau war eindeutig ein wichtiges Ziel für die vorrückende sowjetische Armee. 

Diese Seite des Museums stand unter Beschuss, nebenan befand sich das Gestapo-Hauptquartier. Foto: Makar Artemev

Im Morgengrauen des 29. April 1945 stürmte die 301. sowjetische Schützendivision das Gestapo-Hauptquartier und konnte es nach schweren Kämpfen einnehmen. Einheiten der SS verteidigten das Gebäude, an der Seite des Museums sind Spuren davon zu sehen.


Saalestraße in Neukölln 

Unscheinbarer Bau, auffällige Einschusslöcher: Die Schlacht um Berlin hat 1945 hier in Neukölln ihre Spuren hinterlassen. Foto: Makar Artemev
Unscheinbarer Bau, auffällige Einschusslöcher: Die Schlacht um Berlin hat 1945 hier in Neukölln ihre Spuren hinterlassen. Foto: Makar Artemev

Manchmal sind es die eher alltäglichen Gebäude, die den größten Eindruck hinterlassen. Das eher unscheinbare Wohnhaus hinter einem kleinen Gebrauchtwagenhandel in der Saalestraße in Neukölln zeigt deutliche Spuren schwerer Kämpfe. Am 25. April 1945 rückten sowjetische Truppen von Süden her vor und trafen die deutsche Verteidigungslinie entlang des S-Bahn-Rings, wo die Bahndämme eine wirksame Barriere bildeten. 

Dieses Gebäude beherbergte wahrscheinlich einen Scharfschützen oder eine Maschinengewehrmannschaft im oberen Fenster. Es sieht nicht so aus, als hätten sie es lange ausgehalten.


Panzerspuren an der Eisenbahnbrücke am Prellerweg

Auch diese Eisenbahnbrücke überstand den Krieg nicht unbeschadet. Foto: Peter Graham

Auch diese Kriegsschäden fallen auf den ersten Blick nicht auf: Unter einer Eisenbahnbrücke am Prellerweg in Tempelhof befinden sich tiefe Furchen in den Betonwänden, die entstanden sind, als ein Panzer dicht an den Rand der Brücke gefahren ist. Die Einkerbungen befinden sich recht weit oben – sie liegen höher als ein durchschnittliches Fahrrad – und lassen die Größe des Fahrzeugs erahnen, das sie verursacht hat. 

Diese Einkerbungen hat ein Panzer hinterlassen. Foto: Makar Artemev

Sigismundstraße am Landwehrkanal 

Kriegsschäden an einem Haus an der Sigismundstraße. Foto: Makar Artemev

Hier, auf der Potsdamer Brücke, ereignete sich einer der berühmtesten Vorfälle der Schlacht um Berlin. Als die Sowjets am 30. April 1945 versuchten, die Brücke zu überqueren, um zum Großen Tiergarten zu gelangen, wurden sie von Maschinengewehrfeuer eingekesselt. Doch als Nikolai Massalow, Fahnenträger des 220. Gardeschützenregiments der 79. Gardeschützendivision, auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke ein Kind weinen hörte, war er entschlossen zu helfen. Als er unter schwerem Beschuss über die Brücke kroch, fand Massalow ein dreijähriges Mädchen, dessen Mutter unter der Brücke gestorben war, und rettete es.

Diese Geschichte bildete die Grundlage für die Statue im Treptower Park – eine idealisierte Darstellung der Geschehnisse, auf ausdrücklichen Wunsch von Stalin zudem mit einem Schwert anstatt einer Feuerwaffe. Mehr zum Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park lest ihr hier.

Noch heute kann man in der Nähe der Potsdamer Brücke die Spuren der Kämpfe sehen. Das Haus am Reichpietschufer 20, von dem aus die Deutschen auf Massalows Einheit schossen, steht noch, und ganz in der Nähe, an der Sigismundstraße, weist ein weiterer ehemaliger deutscher Stützpunkt dramatische Kampfschäden auf. An der Brücke befindet sich eine Gedenktafel, die an den historischen Ort erinnert. 

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