Erinnern

Sophie Scholl auf Instagram: Neue Influencerin aus dem Jahr 1942?

Wir befinden uns im Jahr 1942. Der zweite Weltkrieg ist in vollem Gange. In Hitler-Deutschland werden weiterhin Nazi-Parolen propagiert und es gibt keine Aussicht auf ein baldiges Ende des Krieges. Immer mehr Menschen zweifeln an dem NS-Regime. Wer damit jedoch in die Öffentlichkeit geht, hat sein Leben schon verloren. Sophie Scholl, 21 Jahre alt, Studentin in München ging 1942 in den Widerstand. Wie, zeigt sie auf ihrem Instagram-Account.

Sophie Scholl (Luna Wedler) auf Instagram: Arbeit mit Bruder Hans (Max Hubacher) und Alexander Schmorell (David Hugo Schmitz) bis spät in die Nacht im Atelier. Foto: SWR/Rebecca Rütten/Sommerhaus Film

Wie jetzt? Sophie Scholl bei Instagram?

Ja, Instagram. Der SWR und der BR starteten am 4. Mai den Instagram-Account von Sophie Scholl, Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg. Am 9. Mai wäre sie 100 Jahre alt geworden. Doch 1943 wurde sie mit vielen anderen aus Mitglieder der „Weißen Rose“ festgenommen und hingerichtet. Nun soll Instagram-Sophie (Schauspielerin Luna Wedler) an die echte Sophie erinnern und aufklären. Ob das klappt?

Schaut man auf den Instagram-Account @ichbinsophiescholl so sieht man eine junge Frau, 21 Jahre alt, Studentin. Sie hielt ihre Zugfahrt nach München in einem „Reel“ fest. Filmte sich auf dem Weg in die weite Welt. Weg aus Ulm und hinein in das Studierenden-Leben. Sie macht Selfies mit ihrem Bruder Hans Scholl. Postet ihre „Liebe im Leben“ Fritz Hartnagel und ihre Schwester Inge. Wäre nicht grade Pandemie, die Unis geschlossen und überall Maskenpflicht, dann würde man wirklich denken, Sophie Scholl lebt. Die Transformation in die Gegenwart ist gelungen.

Sophie Scholl: Studentin und Regimegegnerin

Sophie Scholl wurde in Ulm geboren und folgte ihrem Bruder Hans 1942 nach München, um dort Biologie und Philosophie zu studieren. In ihrer Jugend glaubte sie zunächst an das Gemeinschaftsideal der Nationalsozialisten und trat 1934 dem „Bund Deutscher Mädel“ bei. Später wandte sie sich dann von der Organisation ab. Mit ihrem beginnenden Studium in München und durch ihren Bruder Hans, der dort Medizin studierte, lernte sie weitere Studierende kennen, die das NS-Regime ablehnten. So wurden auch ihre Zweifel am Nationalsozialismus immer größer.

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Ihr Bruder Hans wollte sie von der Widerstandsgruppe fern halten, doch Sophie schloss sich an. Entschlossen machte sich die Gruppe „Weiße Rose“ daran, öffentlich Kritik am Regime zu üben. Sie verteilten Flugblätter, die klar gegen die Diktatur Hitlers Stellung bezogen. Insgesamt wurden sechs Flugblätter geschrieben, welche mehrfach gedruckt und in München, Wien, Stuttgart und Köln unter die Leute gebracht wurden.

An der Ludwig Maximilian Universität in München hat dieses Denkmal seinen Platz gefunden. Es zeigt Flugblätter auf dem Boden der Uni. Foto: Imago/Ralph Peters

Das sechste Flugblatt wurde von Helmut James Graf von Moltke nach Großbritannien gebracht, nachgedruckt und im Herbst 1943 von britischen Flugzeugen aus über Deutschland abgeworfen. Das erlebten Sophie und ihr Bruder schon gar nicht mehr mit. Am 18. Februar 1943 wurden sie verhaftet und noch am gleichen Tag hingerichtet.

Sophie-Schauspielerin Luna Wedler: „Mehr nachdenken, mehr nachfragen“

„Mehr nachdenken, mehr nachfragen“, sagt die Schauspielerin Luna Wedler, die Sophie nun auf Instagram verkörpert. Der Instagram-Account soll aufklären, die Erinnerung an die dunkelste Zeit Deutschlands auch bei jüngeren Generationen verankern, um eine Wiederholung zu verhindern. Dass das heute vielleicht so wichtig wie seit dem Krieg nicht mehr ist, zeigen die Zahlen.

In Berlin bekam der Platz vor dem früheren Kriegsgefängnis in Spandau einen neuen Namen. Wo sich die Jahre zuvor Neo-Nazis trafen um Rudolf Hess zu „gedenken“, findet man heute den Platz der weißen Rose. Foto: Der wahre Jakob/CC BY-SA 4.0

Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei fast 24.000 rechtsextreme Straftaten in Deutschland. Das ist der höchste Stand seit der Beginn der Erfassung solcher Daten im Jahr 2001. Ein dramatischer Anstieg, dem Aktionen wie der Instagram-Account entgegenwirken sollen.

Wieder eine Querdenkerin?

Die Aufklärung ist notwenig, das bewies zuletzt zum Beispiel auch „Jana aus Kassel“, eine Studentin, die bei einer Querdenker-Aktion ihr Leid in der Pandemie mit dem Sophie Scholls verglich – und ob dieser Geschichtsvergessenheit viel Häme kassierte. Auch bei den Demos, teils direkt am Bundestag, bei denen Corona-Leugner neben Nazis demonstrieren und immer wieder Menschen zum Beispiel Judensterne tragen, zeigt sich, dass viele das Leid des Zweiten Weltkrieges instrumentalisieren für die eigene Sache, oder offenbar vergessen haben, wie groß da Elend war.

Während der Pandemie wurden Querdenker, Corona-Leugner und Nazis immer lauter. Und immer öfter sah man sie auf den gleichen Demos. Foto: Imago/ULMER Pressebildagentur

Sophie Scholls Instagram-Account kann hilfreich sein, ihr Schicksal erfahrbar zu machen und Menschen wie Jana aus Kassel und Demonstranten, die Symbole des Zweiten Weltkriegs leichtfertig für ihre Sache missbrauchen, zeigen, wie es damals wirklich war. Ein innovativer Ansatz in der Geschichtsvermittlung. Bitte mehr davon.


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