Berlin verstehen

Die Spreepark-Geschichte: Aufstieg, Fall und große Zukunftspläne

Von Gestrüpp und Moos überwucherte Fahrgeschäfte, verlassene Lebensräume und geplatzte Träume: Der Spreepark im Berliner Plänterwald hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der einst gut besuchte und bunte Freizeitpark der DDR glich in den vergangenen Jahren eher einem Friedhof als einem Rummel. Trotzdem zog er zahlreiche Neugierige, Touristen und Kreative an. Mit dem gespenstischen Lost-Place-Image soll 2026 Schluss sein: Dann soll der Spreepark der Zukunft, ein Ort für Kunst, Kultur und Natur, eröffnet werden. 

Wir führen euch durch die Geschichte der Berliner Legende: Von den Anfängen in der DDR, dem langsamen Abstieg nach der Wiedervereinigung, der Tragödie der Betreiberfamilie Witte und der Freizeit-Friedhof-Ära bis hin zur geplanten Spreepark-Wiedereröffnung 2026.


Der beliebte Kulturpark in der DDR

Zuerst hieß der Spreepark „VEB Kulturpark“. Foto: Imago Images/Gerhard Leber

Der Rummelplatz im Plänterwald wurde am 4. Oktober 1969 als „VEB Kulturpark“ eröffnet. Er war der einzige Vergnügungspark in der DDR. Anders als die westlichen Themenparks war der Kulturpark Plänterwald schlichter gestaltet. Auf einer Asphaltfläche standen Fahrgeschäfte und Buden, wie man sie vom Rummel kennt. Die alles überragende Attraktion war natürlich das Riesenrad mit seinen 40 Gondeln. Daneben zogen Konzerte, Tanzveranstaltungen und ein Kinderprogramm zahlreiche Besucher an – bis zu 1,7 Millionen jährlich.


Wiedervereinigung und neue Impulse

Ab geht's auf der Bob-Bahn. Im Hintergrund das kultuge Futuro-13-Haus. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-N0331-0028 / Joachim Spremberg
Ab geht’s auf der Bob-Bahn im Spreepark. Im Hintergrund das kultuge Futuro-13-Haus. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-N0331-0028/Joachim Spremberg

Nach der Wiedervereinigung beschloss der Berliner Kultursenat, den festen Rummelplatz in neuer Gestalt zu erhalten. Auf der Suche nach einer privaten Betreibergesellschaft erhielt die Schaustellerfamilie Witte den Zuschlag. Norbert Witte sollte das Areal in einen Vergnügungspark nach westdeutschen Standards verwandeln. Sein Großvater war ein stadtbekannter Schausteller und Hochstapler: Die wundersame Geschichte von Otto Witte, der behauptete, König von Albanien zu sein, lest ihr hier.


Der Spreepark startet durch

Einige Artist*innen und Attraktionen wurden aus dern DDR-Zeiten übernommen. Copyright: Imago Images/Lem
Einige Artist:innen und Attraktionen wurden aus dern DDR-Zeiten übernommen. Foto: Imago/Lem

Am 4. April 1992 öffneten sich die Tore zum Spreepark im Ortsteil Treptow. Die Wittes versuchten in der Anfangszeit einen Spagat zwischen den alten Angeboten des Kulturparks und westlichen Attraktionen. Aus dem großen Betonplatz rund ums Riesenrad entstand eine große Wasserlandschaft mit Kanalfahrt, der die „märchenhafte“ Atmosphäre des Spreewalds nachbilden sollte. Hinzu kamen weitere Attraktionen wie Achterbahnen, zwei Wildwasserbahnen sowie ein Westerndorf und ein englisches Dorf. Außerdem wurde ein pauschaler Eintrittspreis eingeführt.


Ein problematischer Standort

Stadtbild vom Plänterwald bis zur Berliner City, Landschaft; 1999. Foto: Imago/Lem

1997 wurde erst ein Erbpachtvertrag für das 28 Hektar große Gelände zwischen der Spreepark GmbH und der Stadt bis 2061 geschlossen. Dabei legte die Senatsverwaltung für Finanzen fest, dass die Betreiber:innen eine naturverträgliche Einbindung in das Waldgebiet sicherzustellen hatten.

Das bedeutete konkret: Baumfällungen und Versiegelungen sollten möglichst unterlassen werden. Zudem wurde der Plänterwald zum Landschaftsschutzgebiet erklärt, worunter auch ein Teil des Spreeparks fiel. Naturschutz und Freizeitpark wollten nicht so richtig zusammen gehen: Für den Bau dringend benötigter Parkplätze direkt am Eingang bekam Witte nach jahrelangem Hin- und Her keine Erlaubnis.


Krise im Spreepark: Das Publikum bleibt aus

Das Riesenrad war stets ein Wahrzeichen des Spreeparks. Copyright: Imago Images/Lem
Das Riesenrad war stets ein Wahrzeichen des Spreeparks. Foto: Imago Images/Lem

Entgegen der Hoffnungen von Familie Witte erreichten die Besucherzahlen des Spreeparks nicht mehr als eine Million, sondern bewegten sich mit durchschnittlich 500.000 Gäste pro Jahr deutlich darunter.

Das lag zum einen an der unglücklichen Parkplatzsituation. Gäste mussten einen 15-minütigen Fußweg oder eventuelle Strafzettel für Falschparken in Kauf nehmen. Zum anderen waren die 1990er-Jahre auch gegen Ende noch eine wirtschaftlich angespannte Zeit für viele Menschen in Berlin. Da saß das Geld nicht so locker für einen Besuch im Freizeitpark, dessen Eintrittspreise wiederum jährlich stiegen. Denn die Spreepark GmbH musste ausfallenden Einnahmen wieder reinholen, Kredite bezahlen. Ein Teufelskreis.


Das Ende des Spreeparks

Einfahrt in den Tunnel einer Achterbahn des ehemaligen Freizeitparks. Dort, wo einst Besucher:innen herumgewirbelt wurden herrscht nun gespenstische Leere. Foto: Imago/McPHOTO

2001 gab die Familie auf und kündigte den Erbpachtvertrag. Laut Norbert Witte war es aufgrund der (Naturschutz-)Auflagen seitens des Senats unmöglich, den Park wirtschaftlich zu betreiben. Von der Gegenseite wiederum hieß es, Witte hätte sein ursprüngliches Konzept nicht umgesetzt, hätte sich an Vereinbarungen nicht gehalten. Familie Witte räumte das Gelände und wanderte mitsamt einigen Fahrgeschäften nach Südamerika aus. Der Geschäftsführer der Spreepark GmbH meldete Insolvenz an und das Gelände ging in den Berliner Liegenschaftsfond über.


Familie Witte zwischen Neuanfang und Tragödie

Für die sehenswerte Doku „Achterbahn“ von Peter Dörfler kehrte Witte zurück in den Spreepark. Foto: Imago Images /IPON
Für die sehenswerte Doku „Achterbahn“ von Peter Dörfler kehrte Witte zurück in den Spreepark. Foto: Imago/IPON

Die Wittes planten einen Neuanfang – und zwar in Peru. Unter den von ihnen mitgenommenen Attraktionen befand sich sogar der Schmetterlingsflug aus DDR Zeiten. Bis 2009 drehte dieser in Lima seine Runden.

Doch auch in Peru hatten sie kein Glück. Der Park lief nicht, die Eheheleute ließen sich scheiden. Pia Witte kehrte mit der Tochter Sabrina zurück nach Deutschland. Norbert Witte und Sohn Marcel blieben in Peru – und kamen auf Abwege. 2004 wurde das Vater-Sohn-Gespann angeklagt, 167 Kilo Kokain mit dem Karussell „Fliegender Teppich“ nach Deutschland geschmuggelt zu haben. Während sein Vater lange wieder frei ist, sitzt Marcel Witte nach einer Überführung in die JVA Moabit eine deutlich längere Haftstrafe noch ab. Mehr über die Geschichte der Berliner Gefängnisse erfahrt ihr hier.


Wiederbelebung: Mission Impossible

Einige Fahrgeschäfte wurden von der Insolvenzverwaltung verkauft, andere dem Verfall preisgegeben. Foto: Imago Images /IPON
Einige Fahrgeschäfte wurden von der Insolvenzverwaltung verkauft, andere dem Verfall preisgegeben. Foto: Imago Images /IPON

Während der Spreepark verlassen vor sich hindöste, bewarben sich verschiedene nationale und internationale Personen und Firmen um den erneuten Aufbau eines Freizeitparks. Der Senat konnte sich letztlich mit keinem von ihnen einigen. Ein gewichtiger Grund dabei waren die nach wie vor geltenden Auflagen für Naturschutz. Hinzu kam die komplizierten Situation mit Schulden in Millionenhöhe und dem Erbpachtvertrag.


Der bekannteste Lost Place der Stadt

Geplatzte Träume und verlassene Lebensräume machten den Spreepark zu einem Berliner Mythos. Copyright: Imago Images/Sabine Gudath
Geplatzte Träume und verlassene Lebensräume machten den Spreepark zu einem Berliner Mythos. Foto: Imago/Sabine Gudath

Während sich Bewerber:innen mit Land, Bezirk, Bank und Liegenschaftsfonds auseinandersetzten, belebten Sprayer, Abenteuerlustige und Künstler*innen das Areal aufs Neue. Der morbide Charme dieses Lost Place mit seinen verlassenen, überwucherten Überbleibseln bietet eindrucksvolles Fotomaterial. Auch wenn es anders als an anderen verlassene Orte in Berlin nicht erlaubt war, ihn auf eigene Faust zu erkunden.

Im Jahr 2008 wurde das Gelände an Familie Witte zurückgegeben wurde. Es folgten offizielle Führungen, Dreharbeiten von Musiker:innen und Filmproduktionen und Sabrina Witte, die Tochter des ehemaligen Betreibers eröffnete den Imbiss „Mythos“.


Kulturevents im Spreepark

Das Hebbel am Ufer (HAU) machte den Spreepark 2001 zu einem Theaterprojekt und ließ einen Burning Man aufstellen. Foto: imago images / DRAMA-Berlin.de
Das Hebbel am Ufer (HAU) machte den Spreepark 2001 zu einem Theaterprojekt und ließ einen Burning Man aufstellen. Foto: Imago Images/DRAMA-Berlin.de

Der Spreepark gab nicht nur eine besondere Kulisse für Foto- und Videoaufnahmen ab. Auch zahlreiche Events fanden zwischen 2008 und 2014 hier statt und lockten zahlreiche Besucher:innen an. So wurde im Rahmen der Berlin Biennale die historische Schlacht um Berlin im Zweiten Weltkrieg nachgespielt, die Band The XX veranstaltete ein eintägiges Konzertspektakel und sogar einige Techno- sowie Rockfestivals durften stattfinden.


Spreepark in Film und Fernsehen

Das Finale von "Wer ist Hanna" wurde an einem gespenstischen Ort gefilmt: dem Spreepark. Foto:Screenshot/Youtube SGS Journalism
Das Finale von „Wer ist Hanna“ wurde an einem gespenstischen Ort gefilmt: dem Spreepark. Foto: Screenshot/Youtube SGS Journalism

Der Spreepark war eine beliebte Kulisse und lieferte selbst Stoff für Geschichten. Die erfolgreiche DDR-Fernsehserie „Spuk unterm Riesenrad“ spielte im Kulturpark und wurde als Kinofilm sowie als Theaterproduktion verwurstet. Die preisgekrönte Doku „Achterbahn“ erzählt die filmreife Geschichte von Betreiberfamilie Witte. Auch der ein oder andere Tatort-Ermittler verirrte sich auf das Gelände. Und für den Hollywoodfilm „Wer ist Hanna?“ bekam 2011 das englische Dorf einen frischen Anstrich.


Das Rad soll sich wieder drehen

2021 begann die Demontage – die ersten Gondeln waren da schon weg. Foto: Imago/Bernd Friedel

Nachdem der Berliner Liegenschaftsfonds 2014 eine Zwangsversteigerung letztlich doch platzen ließ und das Erbbaurecht selbst für zwei Millionen zurückkaufte, mussten die Wittes das Gelände endgültig räumen. Seit 2016 kümmert sich die gemeinnützige Grün Berlin GmbH, ein Tochterunternehmen des Landes Berlin, um den Spreepark. Sie erarbeitet gemeinsam mit einer Arbeitsgemeinschaft ein umweltverträgliches Nutzungskonzept. Die Federführung liegt bei dem international renommierten Landschaftsarchitekturbüro Latz + Partner.

Der Spreepark wird schrittweise saniert und geöffnet. 2026 soll der geplante „Natur- und Kulturpark“ komplett fertig sein. Dafür wird das Riesenrad saniert, um nach der Instandsetzung die Besucher:innen wieder in schwindelerregende Höhen zu. Denn wie auch immer der Park letztendlich aussehen wird – ohne Riesenrad geht’s nicht!


Frühling 2023: Eröffnung Eierhäuschen

Das früher stark sanierungsbedürftige und denkmalgeschützte Gebäude wurde unter Leitung des Architekturbüros DHL-Architekten Detlev Höink-Langguth restauriert. Foto: Imago/Future Image

Anknüpfend an alte Zeiten eröffnet zur Saison 2023 wieder ein Ausflugslokal im Eierhäuschen. Dort könnt ihr im Innenraum oder im Biergarten regionale und saisonale Speisen genießen – Inklusive Blick aufs Wasser. Neben der Gastronomie bietet das Eierhäuschen auch einen Raum für Ausstellungen und Residenzen von Künstler:innen. Besucher:innen wird so ein direkter Einblick in künstlerische Arbeiten gewährt. Ein weiteres Highlight: Geplant ist, die benachbarte Spreepark-Werkhalle in einen Veranstaltungsort umzuwandeln.


Neueröffnung 2026: Visionen und Ziele

An der Herrichtung des Spreeparks sind die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, der Bezirk Treptow-Köpenick und Grün Berlin beteiligt. Foto: Imago/Bernd Friedel

Der Spreepark soll wieder zu einer kulturellen Institution Berlins werden. Das Ziel ist es, die ehemaligen Gebäude und Fahrgeschäfte zu Bühnen für Kunst und Kultur umzubauen. Dabei sollen Architektur und Vegetation so weit wie möglich erhalten und vor dem Verfall bewahrt werden. Neben einem Kulturort soll der neue Spreepark vor allem eins sein: nachhaltig. Als Würdigung für seine ökologische Planung hat das Spreepark-Projekt das Vorzertifikat von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. in Platin erhalten.

Programmatisch soll ein Angebot geschaffen werden, das am Charakter des Ortes ausgerichtet ist und den nostalgischen Charme bewahrt. Um auf die Wiedereröffnung vorbereitet zu sein, wird jetzt schon im „Labor Spreepark“ gemeinsam mit Kunst- und Kulturschaffenden erprobt, welches Programm den Besucher:innen am meisten Freude bereiten könnte.

Bis zur Neueröffnung müsst ihr euch noch eine Weile gedulden. Doch bis es 2026 so weit ist, ist der legendäre Spreepark dennoch einen Besuch wert. Ihr könnt Führungen durch den Park im Plänterwald buchen: Alte Überbleibsel bestaunen und die ersten innovativen Änderungen auf der Baustelle begutachten. Auch Kunstausstellungen und zahlreiche Workshops rund um die Themen Kunst und Natur werden geboten. 

  • Spreepark Berlin Führungen immer samstags, sonntags und an Feiertagen. Kosten: 5 Euro, für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren 3 Euro, Buchung und weitere Infos hier

Mehr zum Thema

Mehr Geschichten über Berlins Geschichte lest ihr hier. Während die Dinos und Schwäne im Spreepark aus Plastik waren, gibt es im Tierpark Friedrichsfelde echte Tiere zu sehen – alle Infos zu Besuch und Geschichte für euch. Der Spreepark war ein Ost-Kulturgut. Wir haben 12 Tipps für euch, wo man der DDR in Berlin nachspüren kann. Raus aus der Stadt und ab in diese Erlebnisparks in Brandenburg.

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