Die Straßenbahn in Berlin hat eine lange Geschichte. Schon im 19. Jahrhundert rollten die ersten Straßenbahnwagen durch die Stadt – die „Elektrische“ transportierte die Menschen quer durch die Hauptstadt des Kaiserreichs. Heute ist viel des Verkehrs unter die Erde gewandert – zumindest im Westen, während im Osten weiter die Tram vorherrscht. Wir widmen uns entlang von 12 Fotos der Geschichte der Straßenbahn in Berlin. Gute Fahrt!
Berlins erste elektrische Straßenbahn
Über den öffentlichen Nahverkehr in Berlin wird oft geschimpft, doch zumindest ist es das älteste Netz dieser Art in Deutschland. Die Geschichte der Straßenbahn begann 1881, zehn Jahre nach der Gründung des Kaiserreichs. Schon vorher gab es von Pferden gezogene Omnibusse und Bahnen, die als Vorläufer der heutigen Straßenbahnen gelten. Doch dann kam die Elektrifizierung! Werner von Siemens höchstpersönlich eröffnete damals die erste elektrische Straßenbahnlinie in Lichterfelde, heute ein Ortsteil von Steglitz. Eine Sensation, die die Welt noch nicht gesehen hat. Damit begann die Geschichte der Tram in Berlin.
Die Straßenbahn: Ein Verkehrsmittel setzt sich in Berlin durch
In den 1890er-Jahren wurden die Pferde-Eisenbahnen in Berlin auf Elektrizität umgestellt. Anfangs erhielten die „Elektrischen“ die Stromversorgung über die Gleise, was ein Sicherheitsrisiko darstellte und erforderte, dass der Streckenverlauf umzäunt werden musste. Die Stadtverwaltung stellte sich damals gegen die Oberleitungen, zwischenzeitlich verwendete man große Akkumulatoren, also Batterien. Klingt bekannt? Gab es schon vor gut 130 Jahren.
Die Tram aber hielt nichts auf, neue Linien entstanden, kilometerlange Schienennetze wurden in die Straßen und Alleen versenkt. Schon bald gehörte das flotte Verkehrsmittel zum Alltag der Berliner und Berlinerinnen und gab das Tempo der wachsenden Großstadt vor.
Berlin wird voller – und das Netz weiter ausgebaut
Am Anfang des 20. Jahrhunderts besannen sich die Verkehrsplaner und gaben den Weg für Oberleitungen frei. 1902 verschwanden die letzten Pferdebahnen aus dem Stadtbild, eine Ära des elektrischen Stroms begann. Neonschilder beleuchteten die neuen Kaufhäuser, Ragtime- und Jazz schallten aus den Tanztempeln der Stadt. Der Erste Weltkrieg kam dazwischen, doch die 1920er wurden wieder golden. Die Stadt wuchs, aus Berlin wurde durch die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften Groß-Berlin, die drittgrößte Metropole der Welt mit knapp vier Millionen Einwohnern. Und die brauchten Verkehrsmittel.
Auch am Stadtrand verkehrt die Elektrische
1929 fusionierten sämtliche Berliner Verkehrsgesellschaften zu einem Unternehmen, die BVG entstand, und damit begann die Geschichte des modernen ÖPNV. Das Liniennetz erstreckte sich über Neukölln, Mariendorf, Köpenick und Friedrichshagen bis Spandau, die gesamte Stadt war elektrifiziert. Es gab ein gemeinsames Fahrkartensystem, übersichtliche Fahrpläne und eine stadtweite Koordination der mehr als 100 Linien. Auch andere Verkehrsmittel wie Busse und die S- und U-Bahnen wurden mit einbezogen. Die Weltstadt Berlin hatte in den 1920er-Jahren nun ein modernes und einheitlich organisiertes Nahverkehrssystem.
Mai 1945: Sowjets in der Tram
Weil im Krieg Benzin und Diesel für militärische Zwecke verwendet wurden, übernahmen die Straßenbahnen teilweise auch den Güterverkehr. Doch die Bombennächte und vor allem die Schlacht um Berlin setzten dem Streckennetz stark zu. Die Zerstörungen waren gewaltig, aber schon wenige Tage nach dem Kriegsende fuhr die Tram wieder, wo es ging, und die Instandsetzungsarbeiten begannen sofort.
Die U-Bahn verdrängt die Tram
Nach dem Kriegsende und der politischen Teilung der Stadt wurde auch die BVG geteilt. In West-Berlin behielt sie den alten Namen, in Ost-Berlin hieß sie erst BVG-Ost und ab 1969 VEB Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB). Bereits in den 1950er-Jahren wurde klar, dass sich die Stadt auch in der Verkehrsplanung unterschiedlich entwickeln wird. Während in den West-Sektoren die Verkehrsplaner auf die U-Bahn, aber auch zunehmend auf den individuellen Autoverkehr setzten, versuchte man anfänglich auch in der Hauptstadt der DDR, die als technisch überholt geltende Tram aus dem Stadtbild zu tilgen, änderte man doch die Strategie. Die Tram gewann wieder mehr an Bedeutung.
Die Tram im Sozialismus
Die Verkehrsplaner in der DDR konnten den technologischen Wettstreit mit dem Westen nicht für sich entscheiden. Weder im U-Bahn- noch im Autobahnbau. Man betrieb zwar das S-Bahnnetz, auch im Westteil der Stadt, und versuchte die Innenstadt von der Tram möglichst freizuhalten, um sich als moderner Staat zu präsentieren. Aber die Tram blieb und verkehrte auf dem Alexanderplatz, zumindest bis 1967. Dann wurde auch diese Linie stillgelegt, bis in den 1970er-Jahren ein erneutes Umdenken erfolgte und etwa die neu entstandenen Großsiedlungen in Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf an ein Straßenbahnnetz angeschlossen wurden.
In der Mauerstadt endet eine Ära
In West-Berlin endete die Ära der Tram in den 1960er-Jahren. Um 1962 existierten noch 18 Linien in der kürzlich ummauerten Stadt, im Oktober 1967 war auch damit Schluss. Mit der Stilllegung der Linie 55 gab es nur noch U-Bahn, S-Bahn und Bus in der Stadt, aber die Verkehrsplaner träumten eher von einer Autostadt und konzipierten an den innerstädtischen Autobahnen herum.
Die Tram nach der Wende
Nach Mauerfall und Wiedervereinigung schlossen sich 1992 auch die West-Berliner BVG und die Ost-Berliner BVB wieder zu einem gemeinsamen Verkehrsunternehmen zusammen, das fortan wieder BVG hieß. Die getrennten Streckennetze mussten vereinigt werden, gemeinsame Fahrpläne und Fahrkarten wurden eingeführt, und auch der Ausbau und die grundsätzliche Zukunft des Berliner Verkehrs brauchten neue und gemeinsame Konzepte.
In den 1990er-Jahren erhoben sich erneut Stimmen, die Tram abzuschaffen, doch die „Elektrische“ erwies sich erneut als widerspenstig und verkehrte weiter. In den späten 1990er-Jahren entstanden neue Linien, seit 1997 verkehrt die Tram wieder auf dem Alexanderplatz und fährt bis zur Museumsinsel. Doch die alten roten DDR-Straßenbahnen verschwanden schnell und wurden durch die gelben Fahrzeuge ersetzt.
Neue Linien braucht die Stadt!
Von einer Stilllegung der Straßenbahnen in Berlin sprach man in den 2000er-Jahren nicht mehr. Im Gegenteil. Ein neues Umweltbewusstsein entstand. Die E-Mobilität bekam Aufwind, sie sollte klimaschädliche Verbrennermotoren ersetzen, für weniger CO2-Ausstoß sorgen und schließlich in eine abgasfreie Stadt der Zukunft führen. Die gute alte Tram passte plötzlich ins Konzept. Die BVG modernisierte in dieser Phase ihren Fuhrpark und eröffnete weitere Linien.
Die Tram fährt wieder in West-Berlin!
Auch im 21. Jahrhundert ist die Straßenbahn in Berlin immer noch eher dem Ostteil der Stadt zuzuschreiben. Von den fünf Betriebshöfen der Tram befinden sich alle auf dem einstigen Gebiet der DDR-Hauptstadt. In Weißensee, Köpenick, Friedrichshain und Marzahn. Dennoch gibt es die ersten Vorstöße Richtung Westen.Bereits 1995 wurden im Norden die U-Bahnhöfe Seestraße und Osloer Straße ans Tramnetz angeschlossen, seit 2006 fährt die M10 auch durch Gesundbrunnen und seit 2015 bis zum Hauptbahnhof. Auch bis zur Turmstraße in Moabit soll die Straßenbahn irgendwann einmal fahren.
Straßenbahnen – Das Verkehrsmittel der Zukunft
Im April 2021 wurde es wieder richtig laut um die Straßenbahn in Berlin. Der Plan des Verkehrssenats, die M10 vom U-Bahnhof Warschauer Straße über den Görlitzer Park bis zum Hermannplatz zu verlängern, sorgte für Schlagzeilen und viel Unmut. Besonders die Querung des Parks gefällt vielen Anwohnern nicht. Eine Initiative gegen eine Haltestelle auf dem Parkgelände hat sich gegründet.
Auch die Sorge um Parkplätze treibt die Kreuzberger und Neuköllner um. Nimmt man aber die Verkehrswende ernst und will eine Stadt mit weniger Autos, Lärm und Abgasen, so führt an der Straßenbahn und dem Ausbau des Netzes wenig vorbei. So ist die „Elektrische“ auch 140 Jahre nach ihrer Geburtsstunde wieder einmal ein Symbol für moderne Verkehrslösungen und eine Stadt der Zukunft. Ob der alte Siemens das wohl 1881 geahnt hätte?
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