Berlin verstehen

Trabant in Berlin: Auf dem Schrottplatz der Geschichte

Der Trabant und Berlin haben eine lange gemeinsame Geschichte, die mit dem Mauerfall abrupt endete. Der DDR-Kleinwagen wurde zwar in Sachsen produziert, doch ab den späten 1950er-Jahren füllten sich die Straßen in Ost-Berlin mit dem P 50. Es folgte das Modell 600 und schließlich ab 1964 der Trabant 601, der Trabi schlechthin. Bis 1990 wurden mehrere Millionen Exemplare produziert, etwa jeder zweite Wagen in der DDR war ein Trabant. In der Wendezeit verwandelte sich der stinkende Zweitakter mit Duroplast-Karosserie in ein Symbol der Freiheit und eine Ikone des untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaats.

Hier schauen wir uns die letzte Zeit der Trabanten in Berlin an. Vom Massenansturm der Trabis auf West-Berlin, ihrem langsamen verschwinden aus dem Stadtbild, Trabi-Leichen in Hinterhöfen, mit Hakenkreuzen beschmierte Schrott-Trabanten in der Provinz und den langsamen Wandel zum Kultobjekt.


Mit dem Trabi nach West-Berli

Der Trabant in Berlin: Trabanten und andere Autos auf dem Weg nach West-Berlin am 9. November 1989. Foto: Imago/Thomas Imo/Photothek
Trabanten und andere Autos auf dem Weg nach West-Berlin am 9. November 1989. Foto: Imago/Thomas Imo/Photothek

Etwa 25 Jahre wurde der Trabant produziert, ohne dass man maßgeblich etwas am Design verändert hätte. In den 1960er-Jahren passte die trapezförmige, leicht eckige Silhouette in den Zeitgeist. Der klassische Trabant ähnelte etwa dem damaligen Peugeot 404 und dem Triumph Herald. In den 1980er-Jahren sahen aber westliche Autos anders aus, stromlinienförmig und fließend, während der Trabi seine Form beibehielt. Als im November 1989 die Mauer fiel und die Trabis Kurs auf West-Berlin nahmen, wirkten sie wie Relikte aus einer anderen Zeit.


Trabi-Produktion geht 1990 weiter

Trabi-Produktion im Werk VEB Sachsenring, 1990. Foto: Imago/Teutopress
Trabi-Produktion im Werk VEB Sachsenring, 1990. Foto: Imago/Teutopress

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Irgendwie war 1990 klar, dass es mit dem Trabi nicht wirklich weitergehen wird, doch man setzte die Produktion in Zwickau fort. Die letzten Trabanten liefen im Sommer 1990 vom Stapel. Während der Währungsreform wurde der Bau des klassischen Trabant abgewickelt. Man versuchte noch mit dem Modell 1.1 (mit Viertaktmotor!) den DDR-Bestseller zu retten, aber auch das erwies sich als Sackgasse. Im April 1991 war endgültig Schluss.


Endstation Berliner Mauer

Trabi und Müll an der Berliner Mauer in Kreuzberg, 1990. Foto: Imago/NBL Bildarchiv
Trabi und Müll an der Berliner Mauer in Kreuzberg, 1990. Foto: Imago/NBL Bildarchiv

Die DDR trieb auf ihr Ende zu, der Staat befand sich in der Auflösung und die Verlockungen des Westens prasselten von allen Seiten auf die Menschen ein. Im Autoland Deutschland waren neben Urlaubsreisen vor allem neue PKW die Objekte der Begierde. Audi, Opel und Mercedes statt Trabant und Wartburg sollten es sein, und so landeten schon wenige Monate nach der Wende die ersten Trabis auf dem Schrottplatz der Geschichte.


Verlassener Trabant in Moabit

Verlassener Trabant in Alt-Moabit, November 1989. Foto: Imago/SMID
Verlassener Trabant in Alt-Moabit, November 1989. Foto: Imago/SMID

Den Trabant 601 gab es in den Versionen Limousine, Kübelwagen und als Kombi. Ein normalsterblicher DDR-Bürger musste teilweise Jahre oder Jahrzehnte auf den begehrten Wagen warten, die Wartelisten waren immens und der Gebrauchtwagenmarkt winzig. Importe aus dem Ausland gehörten der Seltenheit an, wenn überhaupt schwappten hin und wieder Autos aus den sozialistischen Brüderstaaten in die DDR, Westautos konnten sich nur die SED-Bonzen leisten. Schon Ende November 1989 war das alles egal. Dieser Trabant-Kombi endete bei einer Spritztour in den Westen keine zwei Wochen nach dem Mauerfall.


Trabiwrack am Tacheles

Der Trabant in Berlin: Schrott-Trabi vor dem Kunsthaus Tacheles in der Oranienburger Straße, August 1991. Foto: Imago/Teutopress
Schrott-Trabi vor dem Kunsthaus Tacheles in der Oranienburger Straße, August 1991. Foto: Imago/Teutopress

1991 war Berlin noch ein Zwischenraum. Die Wiedervereinigung und D-Mark brachten beide deutschen Staaten ökonomisch und politisch zusammen, doch man spürte die DDR noch. Das lag nicht zuletzt an den Trabis und Wartburgs, die immer noch durch die Gegend kurvten. Dieses hellblaue Modell gehörte im August jenes Jahres aber nicht mehr dazu, es fand seine letzte Ruhestätte vor dem frisch besetzten Kunsthaus Tacheles.


Der Trabant im Hinterhof

Wrack eines Trabant 601 in einem Hinterhof der Rykestraße in Prenzlauer Berg, 1990. Foto: Imago/Dieter Matthes
Wrack eines Trabant 601 in einem Hinterhof der Rykestraße in Prenzlauer Berg, 1990. Foto: Imago/Dieter Matthes

Die Keller, Gewerberäume, Brachen und leere Fabriken machten aus Ost-Berlin einen einzigen Abenteuerspielplatz. Kneipen, Bars und Clubs entstanden in diesen urbanen Nischen, manche wurden weltberühmt, andere gab es nur wenige Wochen. Es knisterte in der Luft und alles schien möglich. Während die Stadt tanzte, und feierte, vergammelte in der Rykestraße ein Trabant im Hinterhof. Prenzlauer Berg war damals eine andere Welt, die Gentrifizierung sollte erst noch kommen.


Hakenkreuz-Trabi auf dem Acker

Viele Trabis landeten im Niemandsland auf wilden Schrotthalden. Foto: Imago/Jörg Böthling
Viele Trabis landeten im Niemandsland auf wilden Schrotthalden. Foto: Imago/Jörg Böthling

Mit dem Mauerfall und dem Ende der DDR radikalisierte sich in Ostdeutschland die rechte Szene. Neonazis, Skinheads und NPD gehörten in den 1990er-Jahren in vielen Regionen zum neuen Alltag. Junge Menschen, die sich in den Wirren der Wendezeit nicht zurechtfanden, sprühten ausländerfeindliche Parolen an die Wände oder Hakenkreuze an Trabi-Wracks, die im Niemandsland abgestellt wurden.


Friedhof der Trabanten

Trabantenfriedhof, 1993. Foto: Imago/Fossiphoto
Trabantenfriedhof, 1993. Foto: Imago/Fossiphoto

So sah 1993 das Trabanten-Endlager aus. Drei Jahre nach dem Mauerfall gab es kaum noch DDR-Autos in Berlin, die meisten Trabifahrer stiegen auf VW, Ford oder Toyota um, dafür sorgten in den frühen 1990er-Jahren die beiden „Go Trabi Go“-Filme für etwas Ostalgie in den Kinos.


Trabileiche 1995

Parole "Es lebe der 1. Mai" an einer Hauswand und Trabileiche, 1995. Foto: Imago/Rüttimann
Parole „Es lebe der 1. Mai 93“ an einer Hauswand und Trabileiche, 1995. Foto: Imago/Rüttimann

Um 1995 endete die Ära der Trabi-Leichen, denen man in Berlin am 1990 immer wieder begegnete. Dieses mintgrüne Modell stand damals noch an einer Brandmauer herum, an die jemand „Es lebe der 1. Mai 93“ pinselte.


Trabi wird Kult

Der Trabant in Berlin: Der Trabi als Ikone an der Reste East Side Gallery, 2000. Foto: Imago/Teutopress
Der Trabi als Ikone an der East Side Gallery, 2000. Foto: Imago/Teutopress

Die Mauer teilte Berlin in Ost und West. Nach der Wiedervereinigung wurde sie weitestgehend abgerissen. Der 1.316 Meter lange Abschnitt zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke entlang der Spree ist das größte erhaltene Teilstück. Daraus haben Künstler und Künstlerinnen mit der East Side Gallery ein ein besonderes Monument geschaffen. Das Segment „Test the West“ von Birgit Kinder zeigt einen Trabanten, der die Mauer durchbricht. Es ist ein Symbol der Freiheit und erinnert an die Fluchtversuche von DDR-Bürgern, die mit ihrem PKW versuchten, die deutsch-deutsche Grenze zu überqueren.


Ab ins Museum

Ausstellungs-Trabi im Little Big City Berlin, 2020. Foto: Imago/Eventfoto54
Ausstellungs-Trabi im Little Big City Berlin, 2020. Foto: Imago/Eventfoto54

Das Erlebnis-Museum Little Big City Berlin blickt auf 750 Jahre Berlin-Geschichte im Miniaturformat. In diesem Rahmen wird auch dieser orangefarbene Trabi-Cabrio ausgestellt. Er symbolisiert den Wandel des DDR-Automobils: vom begehrten Statussymbol in der Ära des Sozialismus über das ungeliebte Relikt der Wendezeit zur verspielten Attraktion für Kinder, Touristen und Nostalgiker, die sich an dem Retro-Design des lustigen „DDR-Mobils“ erfreuen.

  • Little BIG City Berlin Panoramastr. 1A, Mitte, Mi-So 10-17 Uhr

Touristen in Trabanten

Der Trabant in Berlin: Touristen entdecken mit dem DDR-Trabant bei einer Trabi-Safari das Zentrum von Berlin. Foto: Imago/Hohlfeld
Touristen entdecken mit dem DDR-Trabant bei einer Trabi-Safari das Zentrum von Berlin. Foto: Imago/Hohlfeld

„Brumm, brumm, brumm“, knattert es in der Stadt, wenn die zumeist bunt gescheckten, dafür immerhin historischen Fahrzeuge in Kolonnen Berlins Sehenswürdigkeiten abklappern. Weil sich viele der Touristen mit dem Lenkrad-Schalthebel schwer tun, reißt häufig der Zusammenhalt. Der an der Spitze vorweg fahrende Guide hat jedoch alles im Blick und nutzt die Wartemomente, um per Walkie-Talkie Touristisches zu erläutern.

  • Trabi Safari Zimmerstraße 100, Mitte, mehr Infos hier

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