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Perücken, Jungfern-Dasein und Tee: Verrückte Steuern in Preußen

Die verrücktesten Steuern in Preußen gehen auf Johann Kasimir Kolb von Wartenberg zurück. Die Liste, der von ihm eingeführten Steuern ist lang und umfasst, für unser heutiges Verständnis, recht skurrile Bereiche des Lebens. Alles nur erdenkliche war mit Abgaben belegt, von der Perücke, über das Jungfern-Dasein, zwischen 20 und 40 Jahren, bis zum Teekonsum. Ein steuerfreier Rückblick auf die verrücktesten Abgaben in der preußischen Geschichte.

Wer steckt hinter den verrücktesten Steuern?

Der Mann hinter den Steuern: Johann Kasimir Kolb von Wartenberg. Gemälde: Johann Christof Merck: Johann Kasimir Kolb von Wartenberg zu Pferd. Foto: Gemeinfrei
Der Mann hinter den Steuern: Johann Kasimir Kolb von Wartenberg. Gemälde: Johann Christof Merck: Johann Kasimir Kolb von Wartenberg zu Pferd. Foto: Gemeinfrei

Hinter den verrückten Steuern in Preußen stand das korrupte „Drei-Grafen-Kabinett“

Die verantwortlichen Männer hinter der Einführung der verrückten Steuern in Preußen gingen als das korrupte „Drei-Grafen-Kabinett“ in die Geschichte ein. Korrupt, weil die Grafen überwiegend für ihre eigene Tasche wirtschafteten und die Finanzen, wie überhaupt die gesamte Verwaltung des preußischen Staates von 1702 bis 1710 beeinflussten und gestalteten. Wegen der Anfangsbuchstaben der Namen von August David Graf zu Sayn-Wittgenstein, Alexander Hermann von Wartensleben und Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg, wurde das „Drei-Grafen-Kabinett“ auch „Das dreifache Weh“ genannt.

Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg stieg unter Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, innerhalb von elf Jahren vom Hauptmann von Oranienburg (einem Verwaltungsbeamten) zum engen Ratgeber und Freizeitgestalter auf. Spätestens mit der Krönung Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen, im Jahr 1701, war Wartenberg ein Liebling des Monarchen. Er bekleidete unzählige Ämter und war nicht nur preußischer Premierminister, sondern unter anderem auch Chef der Generalökonomiedirektion, Protektor der Königlichen Akademien und Oberhauptmann aller Schatullenämter sowie Generalpostmeister.

Perücken-Steuer – ein haarsträubendes Kapitel in der Geschichte Preußens

Auch für die Schaffung neuer Steuern war Wartenberg verantwortlich. Da sich unter König Friedrich I. in Preußen die Staatskassen leerten und der Staat am Rand des Bankrotts stand. Grund dafür war der kostspielige Prunk des Absolutismus, der Ausbau Berlins zur barocken Residenzstadt, aber auch die Förderung von Kultur und Wissenschaft. Um den Bedrüfnissen Friedrichs I. nachzukommen, ließ Wartenberg seiner Kreativität freien Lauf und führte neue Steuern ein. Die Liste ist lang und eine Steuer verrückter als die andere.

Die haarsträubende Geschichte der Perücken-Steuer begann 1698, als sich die Hauptstadt dazu entschloss, das Tragen von Perücken als Luxusbesitz zu besteuern. Von dieser „haarigen“ Abgabe befreit waren allerdings: Prediger, Schulpersonal, Studenten, Schüler, Kinder unter 12 Jahren sowie Unteroffiziere und einfache Soldaten.

Perücken um 1690. Kommt wie Vokuhila auch dieser Trend irgendwann zurück? Foto: Imago/Imagebroker
Perücken um 1690. Kommt wie Vokuhila auch dieser Trend irgendwann zurück? Foto: Imago/Imagebroker

Im Jahre 1701 pachtete der Franzose Laverdaugie die Steuer. Von nun an mussten alle Perücken in der „Stempelkammer“ taxiert und eine Abgabe entrichtet werden. Der königliche Stempel, der diskret im Inneren der Perücken angebracht wurde, veranlasste die sogenannten „Perückenriecher“, die Kontrolle zu übernehmen. Diese Spürnasen hoben den Leuten in den Häusern aber auch auf der Straße die Perücken vom Kopf – was nicht selten zu Tumulten und Schlägereien führte. Auch deswegen wurde die Maßnahme bereits 1702 wieder aufgehoben.

Doch ein Aus für die Perücken-Steuer hieß das nicht. Stattdessen wurde die Berliner Bevölkerung daraufhin in Steuerklassen eingeteilt und im Jahr 1704 dehnte Wartenberg die Perücken-Steuer auf ganz Preußen aus. Wer eine Perücke oder Fontange (eine aus mehrstöckigem Gestell aus Draht, mit Spitzen und Bändern dekorierte Frisur) tragen wollte, musste jährlich einen Taler entrichten. Doch schließlich kam der Retter aller Perückenträger, König Friedrich Wilhelm I. und schaffte 1717 die Perücken-Steuer endgültig ab.

Jungfernsteuer – teures Single-Dasein

Du bist weiblich und single, zwischen 20 und 40 Jahre alt und wohnst in Berlin? Beantwortest du diese Fragen mit einem „Ja“, dann wären Anfang des 17. Jahrhunderts monatlich zwei Groschen Jungfernsteuer zu entrichten gewesen. Natürlich geht auch diese Steuer auf das Ideenreichtum von Wartenberg zurück. Egal ob freiwilliges und unfreiwilliges Single-Dasein, belastend war es für die Frauen allemal.

Mussten diese Damen neben der Perücken-Steuer, für das Tragen einer Fontange, auch die Jungfernsteuer entrichten? Foto: Imago/H. Tschanz-Hofman
Mussten diese Damen neben der Perücken-Steuer, für das Tragen einer Fontange, auch die Jungfernsteuer entrichten? Foto: Imago/H. Tschanz-Hofman

Doch nicht nur der Lebenswandel auch Kleidung und Lebensmittel wurden im alten Preußen taxiert. Stellt euch vor, ihr lebt Anfang des 18. Jahrhunderts in Berlin und macht euch für ein Teekränzchen schick. Passend zur Mode der Zeit werden unter anderem Strümpfe und Stiefel angezogen, die besagte Perücke darf natürlich auch nicht fehlen und ein Hut soll das Outfit abrunden. Am Nachmittag bringt euch eine Kutsche zum Ziel. Tee, Kakao und Kaffee und dazu süßes wie herzhaftes Gebäck stehen bereit. Was ein schöner Tag. Doch nicht nur für die Gäste, sondern auch für das Drei-Grafen-Kabinett!

Wenig überraschend, wurde nicht nur die Perücke besteuert, auch für die Strümpfe, Stiefel und den Hut mussten Abgaben entrichtet werden und ebenso für den Salzverbrauch bei der Herstellung herzhafter Speisen und für Tee, Kakao und Kaffee musste man einen Erlaubnisschein erwerben, der pro Jahr zwei Taler kostete. Und selbstverständlich griff für die Fahrt nach Potsdam die Kutschensteuer, wie hätte es anders sein sollen.

Doch am Ende ereilte auch diese verrücken Steuern das gleiche Schicksal wie der Perücken-Steuer: ihre Abschaffung. Denn mit Friedrich Wilhelm I. folgte ein König auf den Thron, der den Prunkbedürfnissen seines Vaters den Rücken kehrte und für einen sparsamen Hof sowie eine straffe Verwaltung sorgte.


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