Historische Spaziergänge

Mit der „Zeitzeugen-App“ auf den Spuren der NS-Zwangsarbeit in Berlin

Die Berliner Geschichtswerkstatt zeigt mit ihrer „Zeitzeugen-App“, wie das Leben von Zwangsarbeitenden zur Zeit des Nationalsozialismus in Berlin aussah. Auf fünf interaktiven Spaziergängen erzählen euch verschiedene Zeitzeug:innen, wie ihr Alltag aussah, vom banalen Arbeitsweg über den widrigen Arbeitsbedingungen bis zur steten Angst vor der Gestapo. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur, den die „Zeitzeugen-App“ bietet.

Eine NS-Zwangsarbeiterin in einem Berliner Barackenlager. Die „Zeitzeugen-App“ schildert euch das Leben der betroffenen. Foto: Imago/Rolf Poss

Was die „Zeitzeugen-App“ bietet

Die „Zeitzeugen-App“ zeigt ein düsteres Berlin. Zwischen 1938 und 1945 war die Hauptstadt ein Zentrum der Zwangsarbeit. Das NS-Regime verschleppte unter anderem eine halbe Millionen Menschen, zwang sie in Berliner Fabriken, Dienststellen und Haushalten zu arbeiten, meist unter widrigsten Bedingungen. Sie durften kein Teil der „Volksgemeinschaft“ sein, stattdessen landeten sie in einem der mehr als 3000 Lagern, häufig unweit der Berliner Bevölkerung, quasi direkt vor ihrer Haustür.

Fünf interaktive Spaziergänge stehen dafür zur Auswahl, alle unterfüttert mit Zeitzeugenberichten und Dokumenten, mal als Video, mal als Text. Es gibt kürzere Routen für Spaziergänge und längere fürs Rad – außerdem eine kleine S-Bahn-Tour, vorbei an den wichtigen Stationen der jeweiligen Protagonist:innen. Alles bedrückend, aber auch aufschlussreich. So geht eine Route etwa von der Bornholmer Straße zum Humboldthain, auf den Spuren des polnischen Zwangsarbeiters Jòzef Przedpelski, verschleppt aus Warschau, eingesetzt für die Reichsbahn.

Ebenso spannend ist die S-Bahn-Tour vom Bahnhof Zoologischen garten nach Schöneberg. Während der Fahrt erzählen ehemalige Zwangsarbeiter:innen, wie sie ihren Arbeitsweg damals im gleichen Gefährt wahrgenommen haben. Sie sprechen über Begegnungen mit den Deutschen, über die Gestapo, über Liebe, Hoffnung und Befreiung. An den Bahnhöfen lohnt sich der Ausstieg, um tiefer in diese Lebenswirklichkeit zu tauchen.

Dokumente wie auch Videos stammen aus der Sammlung der Berliner Geschichtswerkstatt. 1993 startete der Verein den Aufbau, 2012 übergab er sie dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide. Dank der Arbeit beider Institutionen kann der Blick auf die Verbrechen der NS-Diktatur weiter geschärft werden. Ein kleiner Spaziergang mit der App lohnt sich, wenngleich er auch bedrückend sein kann.

  • Zwangsarbeit. Die Zeitzeugen-App der Berliner Geschichtswerkstatt kostenfrei im Appstore eures Vertrauens (Apple und Android), weitere Infos hier

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Falls ihr noch mehr historische Spaziergänge wollt: Karlshorst: Wo der Krieg endete und sowjetische Geschichte begann. Und an diesen Orten findet ihr noch Spuren der Schlacht um Berlin 1945. Mehr Historisches findet ihr in unserer Geschichte-Rubrik.

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