Es gibt recht grausige Grünflächen und hässliche Parks in Berlin. Solche, die Dackel und Doggen in Depressionen treiben, die bunteste Liegedecken in Nagelbretter verwandeln, die alles Serotonin aus den Leibern ihrer Besuchenden ziehen. In dieser Liste findet ihr die misslungensten Grünflächen Berlins. Ob Einöde, Müllberg oder kalter Funktonalismus – alle Varianten der Fehlplanung sind vertreten.
Spreebogenpark (Mitte)
Landschaftsarchitektur, die so statisch ist wie eine mathematische Gleichung: Der Spreebogenpark in der Nähe des Paul-Löbe-Hauses in Mitte, eröffnet 2005, markiert den Tiefpunkt einer funktionalistischen Stadtplanung, die typisch ist für städtebauliche Projekte im Regierungsviertel rund um den Reichstag während der Nullerjahre. Das karge Arrangement aus Rasen, zweckmäßigen Laternen und Wirtschaftswegen dürfte selbst Ordnungsfanatikern, die Marie-Kondo-Bücher für tiefsinnig halten, zu viel Minimalismus verströmen.
Kuhle am Görlitzer Park (Kreuzberg)
Klar, der Görlitzer Park ist eigentlich ein Synonym des bunten Kreuzbergs – eingehüllt mit dem Geruch von Gras, überrannt von der urbanen Spaßgesellschaft. Doch die Kuhle, die sich in dessen Mitte in den Erdboden drückt, kann sich nur ein Landschaftsplaner mit Hang zum absurden Humor ausgedacht haben. Denn wer will sich schon in einen Trichter begeben, der den Eindruck erweckt, man würde dort – ähnlich wie im berühmten Sci-Fi-Mythos „Der Wüstenplanet“ – in eine schauderhafte Tiefe gezogen werden? Eben.
Mercedes-Benz-Platz (Friedrichshain)
Dieses Areal, das spröder ist als die karstigsten Ebenen auf Lanzarote, soll ja allen Ernstes den Anschein einer Grünfläche vermitteln. Ein paar spindeldürre Bäumchen, die aus der steinernen Wüste im Friedrichshainer Investorenparadies in der Nähe des Spreeufers ragen, sollen dieses Gefühl zumindest vermitteln. Bringt natürlich nichts: Über die Sterilität dieser seelenlosen Corporate City eines schwäbischen Automobilkonzerns kann dieses Quäntchen Natur nicht hinwegtäuschen.
Ernst-Reuter-Platz (Charlottenburg)
Eine gähnende Leere aus Betonflächen, Rasen und Fahnenstangen. Drumherum ein Kreisverkehr mit mehrspuriger Fahrbahn, breit wie ein Canyon. So sah Stadtplanung im West-Berlin der Nachkriegszeit leider oft aus: eine Topografie, die allein fossil betriebenen Gefährten diente. Heute, im Jahr 2022, soll der Ernst-Reuter-Platz mit 16 neuen Sitzbänken, die Adaptionen des ursprünglichen Mobiliars sind, zumindest ein bisschen wirtlicher werden. Zu Berlins Bois de Boulogne entwickelt sich der Ernst-Reuter-Platz damit aber noch lange nicht. Mehr West-Berliner Architektur hier.
Zentraler Festplatz (Wedding)
Dieses Plateau, das sich im Westen des wilden Weddings auf 87.000 Quadratmetern ausbreitet und an den stillgelegten Tegeler Flughafen grenzt, erinnert an das evakuierte Gelände einer Mondstation. Hin und wieder ist auf dieser Einsiedelei auch Kirmes, denn für Rummel und andere Späße ist dieses Großgelände einmal gemacht worden. Für eine nachhaltige Belebung sorgt der Budenzauber allerdings nicht. Da ist es nur konsequent, dass in der Lokalpolitik mittlerweile über eine Wohnbebauung diskutiert wird. Wir haben den Zentralen Festplatz übrigens nochmal genauer unter die Lupe genommen.
Dörferblick (Rudow)
In Berlin sind Berge ja stets Erhebungen, die mit Unrat künstlich aufgetürmt worden sind – gefühlt jedenfalls. Während der Teufelsberg – mit Trümmern aus dem Zweiten Weltkrieg zusammengeschaufelt – heute immerhin mit einer vielfältigen Flora bewachsen ist, ist dieser Müllberg in Rudow kahl wie eine Todeszone. Aus Schutt und Asche der Menschheitskatastrophe zwischen 1939 und 1945 ist er zunächst ebenfalls gebildet worden; im weiteren Verlauf der Nachkriegszeit kippten die Abfallwirtschaftsbetriebe noch ihren Zivilisationsmüll oben drauf. Nun wachsen dort ein paar Gräser. Immerhin sind oben auf dem Hügel die Aussichten auf die umliegenden Ortschaften ganz passabel. Deshalb heißt dieses sonderbare Desiderat im Süden des Bezirks Neukölln auch „Dörferblick“.
Mariannenplatz (Kreuzberg)
Gegenüber im Bethanien hat die linksalternative Szene in den 1970er-Jahren ihr Recht auf Stadt verteidigt. Ton, Steine, Scherben haben dem damals besetzten Gebäude, einem früheren Krankenhaus, mit dem „Rauch Haus Song“ bekanntlich ein epochales Denkmal gesetzt. Auf dem Mariannenplatz gegenüber ist heute immer noch Laissez-faire angesagt. Was ja erst einmal gut zu klingen scheint. Denn das könnte bedeuten, dass die Anarchie des Apo- und Tunix-Berlins einfach in die Jetztzeit gerettet worden ist. Das Problem: So ein Transfer wäre bloß eine Ausrede dafür, dass niemand aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft so richtig einen Plan zu haben scheint, wie man dieses Rondell so gestalten kann, dass dort Menschen aus dem Kiez gerne abhängen. Außer Pflastersteinen, Unkraut und vergeudeten Chancen ist da nämlich nicht viel.
Tilla-Durieux-Park (Mitte)
Diese Grünfläche krankt an einer Pathologie, die typisch ist für fehlgeschlagene Stadtplanung: Ihr mangelt es an Identität. Man weiß nämlich nicht, was der Tilla-Durieux-Platz, der eine Schneise zwischen Büro- und Wohnkomplexe südlich des Potsdamer Platzes schlägt, überhaupt darstellen soll. Die Freizeitanlage einer simulierten Wohnsiedlung wie in der „Truman Show“? Eine künstliche Dünenlandschaft? Oder doch nur Bauland, das noch erschlossen werden soll?
Park am Velodrom (Prenzlauer Berg)
Aus grüner Monotonie besteht diese Fläche in Prenzlauer Berg. Unterhalb dieser Dystopie rasen die Giganten des Radsports um Titel und Triumphe; dort befindet sich nämlich das Velodrom. Auf dessen Dach ist hingegen von Glanz wenig zu spüren. Stattdessen ein Nirwana, dem man sehnlichst mehr Grandezza wünscht.
Park-Trilogie (Hellersdorf)
„Park-Trilogie“ heißt diese postkommunistische Grünfläche an der Riesaer Straße in Hellersdorf. Sie präsentiert sich gegenüber vom Sozialamt des Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Eine fast schon tragische Nachbarschaft: Schließlich sollte eine kommunale Behörde, die sich um die Belange von Menschen in Nöten kümmert, einladend sein – auch in deren näherer Umgebung. Doch ein dermaßen schwermütiger Vorgarten ist nur Sinnbild dafür, dass die Verschönerung der Alltagswelt von armen Menschen nicht immer oberste Priorität im politischen Betrieb hat. Es gibt aber auch einige schöne Orte in Marzahn-Hellersdorf.
Gerhard-Schultze-Seehof-Brunnen und Grünfläche (Alt-Tempelhof)
Massiver Beton als Objekt der Naherholung im Kiez – das ist in etwa so absurd wie Beachvolleyball auf dem Seitenstreifen einer Autobahn. Bei diesem düsteren Gebilde handelt es sich übrigens um einen Brunnen, geschaffen vom Bildhauer Gerhard Schultze-Seehof (1919-1976). Er vedirbt stimmungsmäßig gleich die gesamte Grünfläche, die man übrigens in Alt-Tempelhof findet. Was man daraus lernt: Brutalismus mag interessante Gebäude hervorgebracht haben, den trutzigen Mäusebunker der TU in Dahlem zum Beispiel. Aber als Beigabe für den kleinen Park nebenan ist er wenig erhebend. Ein paar weitere brutalistische Bauwerke findet hier.
Thomashöhe (Neukölln)
Ob der prunkvolle Körnerpark aus dem frühen 20. Jahrhundert oder aber die waldige Hasenheide: Das nördliche Neukölln ist reich an reizvollen Parks. Die Thomashöhe, im Niemandsland zwischen Karl-Marx-Straße und Hermannstraße gelegen, ist hingegen ein Mysterium: Handelt es sich um eine Auslauffläche für Dackel und Doggen mit Depressionen? Um die letzte Station für verstrahlte Open-Air-Raver an trüben Sonntagen? Oder vor allem um den fiktiven Tatort in einer Jackt-the-Ripper-Neuverfilmung? Die Antwort weiß allein der Wind.
Mehr zu Grünflächen in Berlin
Ihre Negativ-Erfahrungen in Berliner Parks haben Besucher auch in den Google-Rezensionen hinterlassen. Vergessen sollte man trotz Trübsal nicht, wie schön viele Grünflächen sind – zum Beispiel der Volkspark Rehberge im Wedding. Augenweiden sind auch oft die Inseln auf Seen und Wasserstraßen, ob die Insel der Jugend am Treptower Park oder die Baumgarteninsel in Köpenick. Hier findet ihr übrigens auch alle schönen Berliner Parks, versprochen.