• Stadtleben
  • Hässliche Skulpturen und Denkmäler in Berlin: Ist das Kunst oder kann das weg?

Spaziergänge

Hässliche Skulpturen und Denkmäler in Berlin: Ist das Kunst oder kann das weg?

Kunst kann den öffentlichen Raum beeinflussen, verschönern, prägen. Sie allein kann einen Ort zum Besuchermagneten werden lassen. Doch es gibt auch „Kunstwerke“, die einen mit purer Verzweiflung zurücklassen. Weil sie zu abstrakt, zu überdimensioniert, mitunter einfach hässlich sind. Wir haben die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, wo es in der Stadt überall diese Monstrositäten gibt. Und siehe da, in allen Bezirken finden sich übelste Geschmacksverwirrungen. Bei diesen 12 Skulpturen und Denkmälern im öffentlichen Raum in Berlin scheint die Frage mehr als berechtigt: „Ist das Kunst oder kann das weg?“


Der überdimensionierte Ball vom Bethlehemkirchplatz in Mitte

Pop-Art, die daneben ging: Der "Houseball" von Claes Oldenburg in Mitte. Foto: imago images/imagebroker
Pop-Art, die daneben ging: Der „Houseball“ von Claes Oldenburg in Mitte. Foto: imago images/imagebroker

Das elf Meter hohe, fast kreisrunde und quietschbunte Scheusal trägt den Namen „Houseball“ und stammt vom Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg. Tatsächlich erinnern die bunten Farbtönen an coole Pop-Art-Kunst. Cool ist ansonsten aber nichts an dem Knäuel, um das Stühle, Leitern und Treppen gebunden sind. Schade eigentlich, denn der Künstler wollte doch einerseits das Leid von Exilanten verdeutlichen und andererseits Berlin ein Lob als weltoffene Stadt aussprechen.

Der „Houseball“ nimmt Bezug das Relief „Böhmische Einwanderer“ am Denkmal Friedrich Wilhelms I. in Neukölln. Er symbolisiert den Hausstand eines Geflüchteten, der nach Berlin kommt – so wie einst die böhmischen Protestanten in Berlin eine neue Heimat fanden. Immerhin, angesichts der Unmöglichkeit dieser Skulptur kann man ein bisschen mit diesen Menschen mitleiden.

  • Bethlehemkirchplatz, Mitte

„Love is in the Air“ oder: Wie verschandelt man das Regierungsviertel

Mia Florentine Weiss weiß, wie sie sich in Szene setzen kann. Foto: Imago Images/photothek
Mia Florentine Weiss weiß, wie sie sich in Szene setzen kann. Foto: imago images/photothek

Empfindsamkeit, das ist für Mia Florentine Weiss ein geflügeltes Pferd, das sie 2015 inmitten syrischer Geflüchteter inszeniert hatte. Oder ein absurder „Love“-Schriftzug, mit dem sie in diesem Jahr für den, nun ja, europäischen Gedanken wirbt. Wo doch das Denken, vor allem das abwägende Nachdenken, dieser studierten Modejournalistin so offensichtlich fern scheint. Mia Florentine Weiss’ Love-Schriftzug jedenfalls steht mittlerweile im Regierungsviertel – und verschandelt so einen ganzen Kiez. Wie gut, dass es sich um eine temporäre Installation handelt. Übrigens: Frau Weiss hat es 2019 in unsere Liste der peinlichsten Berliner*innen geschafft!

  • Regierungsviertel (temporär), Mitte

„Steckenpferd tanzt mit dem Regenbogen“ zwischen den Marzahner Plattenbauten

Kunst gegen Tristesse, funktioniert eher so semigut. Foto: imago images/Schöning
Kunst gegen Tristesse, funktioniert eher so semigut. Foto: imago images/Schöning

„Ein Regenbogen, der könnte doch die Plattenbau-Tristesse auflockern“ – dieser Gedanke mag wohl einem der Verantwortlichen gekommen sein, der für die Aufstellung der Skulptur „Steckenpferd tanzt mit dem Regenbogen“ verantwortlich war. Vermutlich lag der Gedankengang näher, dass hässliche Kunst in hässliche Viertel gehört. Anders kann man gar nicht erklären, wie es dazu kam, dass die scheußliche Installation tatsächlich im öffentlichen Raum unweit der Ahrensfelder Terrassen gezeigt wird. Bei der Skulptur handelt es sich um eine Zusammenarbeit zwischen den Metallbildhauer Jan Skuin und Rüdiger Roehl, die vor 15 Jahren fertiggestellt wurde.

  • Havemann-Center, Marzahn

Funken für Pyrotechnik-Prüfer 

Die Funken-Skulpturen von Chili Seitz in Adlershof. Foto: imago images/POP-EYE
Die Funken-Skulpturen von Chili Seitz in Adlershof. Foto: imago images/POP-EYE

„Sicherheit in Technik und Chemie“ ist die Leitlinie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, kurz BAM. Ihr Sitz ist in Lichterfelde, eine Zweigstelle befindet sich auf einem Campus in Adlershof. Die Mitarbeiter prüfen, untersuchen und analysieren. Schließlich geht es um nationale und internationale Normen, technische Sicherheit und nicht zuletzt auch um Pyrotechnik.

Dass eine Bundesoberbehörde auch ein gutes Auge für Kunst hat, ist nicht unbedingt naheliegend. Doch auf dem BAM-Campus in Adlershof finden sich Skulpturen, die das Gegenteil beweisen. Geschaffen hat diese die Künstlerin Chili Martina Seitz im Jahr 2012. Drei floral anmutende Plastiken, jeweils sechs Meter hoch, brechen den streng gestalteten Außenbereich der Anlage auf und verleihen dem Gelände Leichtigkeit. „Funken“ nennt Seitz die Skulpturen.

Man könnte einen fast zufällig gewählten Titel vermuten, doch Seitz nimmt damit Bezug auf die sogenannte Schleiffunkenanalyse: Damit wird grob die chemische Zusammensetzung von Stahl bestimmt. Die Formen und Farben der Funken, die beim Kontakt mit einer Schleifscheibe versprüht werden, geben einen ersten Aufschluss darüber. In Adlershof ist das nicht nur Chemie, sondern Kunst. (Christopher Wasmuth)

  • BAM-Campus, Adlershof

Diese Skulptur erklärt Neu-Berlinern, sich nie auf versiffte Sitzplätze in den Öffis zu setzen

Ja, das ist Kunst und kein Streu-Behälter. Foto: Imago Images/Ritter
Ja, das ist Kunst und kein Streu-Behälter. Foto: imago images/Ritter

„Ach, das ist Kunst?“, wird sich der ein oder andere denken, der die Plastik mit dem eigentlich ganz lustigen Titel „Mind the Gap“ bisher als BSR-Streich betrachtet hat. Nein, es handelt sich nicht um einen Mülleimer, bei dem das Orange zu rotstichig wurde, und es handelt sich auch nicht um einen Streu-Behälter, sondern ein Kunstwerk von Twin Gabriel, das zugleich als Sitzgelegenheit dienen soll. Vermutlich haben sich dort außer ein paar Obdachloser und dem einen oder anderen Betrunkenen in den vergangenen Jahren kaum Berliner niederlassen, dafür ist dieses Kunstwerk einfach zu versifft. Die entscheidende Frage ist allerdings: Funktionieren eigentlich die Lautsprecher noch?

  • Bornholmer Straße, Pankow

Aus der Zeit gefallen: Die Cadillacs von Charlottenburg

Wolf Vostell Skulptur „2 Beton Cadillacs in Form der nackten Maja“. Foto: imago images/Joko

Wir sind ja bekanntermaßen Beton-Fans (Brutalismus!) und Cadillacs finden eigentlich auch alle kultig. Nur wenn’s zusammenkommt, fragt man sich, was das eigentlich soll. Während drüben in der DDR das Nikolaiviertel neu aufgebaut wurde, gönnte man sich im Westen anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins ein Denkmal, das die deutsch-amerikanische Freundschaft unterstreichen sollte. Größter gemeinsamer Nenner schien die Leidenschaft fürs Autofahren zu sein. Und so kam es nun einmal zur Realisierung dieser Skulptur von Wolf Vostell.

Sehr zum Ärger vieler Anwohner, deren Proteste allerdings schon lange verebbt sind. Immerhin: Das Kunstwerk zerlegt sich von selbst. Die Autos rosten, der Beton bröckelt. Sobald sich niemand mehr findet, der Geld in die mittlerweile dritte Sanierung steckt, hat sich das Problem von ganz allein gelöst. Übrigens: Unser Kollege Jacek Slaski ist Fan dieser Skulptur, die seiner Meinung nach zu den wichtigsten der Stadt zählt.

  • Rathenauplatz, Wilmersdorf

Ein Künstler, der der halben Stadt seine Ästhetik aufzwingt

Der Molecule Man prägt halb Ost-Berlin. Foto: imago images/Hohlfeld

Löchrig, aber alles andere als Käse: Die Monumentalskulptur Molecule Man gehört zu den imposantesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Zugleich kann man sich fragen, was das soll. Denn während die meisten wirklich hässlichen Statuen, Skulpturen und Denkmäler immerhin übersehen werden können, durfte Jonathan Borofsky seine Ästhetik gleich mehreren Bezirken unübersehbar aufzwingen. Die Statuen zumindest scheinen von der Kritik überrascht, anders lässt es sich erklären, warum die Münder halbdusselig offen stehen.

  • Molecule Man, Treptow

Eine „bärenstarke“ Quadriga, die zum Glück ziemlich gut versteckt ist

Wie Malen nach Zahlen: Das Konzept "Buddy Bear". Foto: Imago Images/CHROMORANGE
Wie Malen nach Zahlen: Das Konzept „Buddy Bear“. Foto: Imago Images/CHROMORANGE

Der Buddy Bear soll eigentlich Kulturbotschafter sein. Für andere hingegen handelt es sich um die skulpturalisierte Form von „Malen nach Zahlen“. Besonders peinlich ist das goldglänzende Quadriga-Konstrukt, das das neue Kranzler-Eck schmückt. Wie gut, dass sich dorthin eh fast niemand verirrt.

  • Kranzlereck, Charlottenburg

Schmettaus weltberühmte Uhr 

Markant, aber nicht wirklich schön. Die Handuhr von Schmettau. Foto: Manuela Blisse
Markant, aber nicht wirklich schön. Die Handuhr von Schmettau. Foto: Manuela Blisse

Seit 45 Jahren gibt es die auffällige Uhr an der Ecke Altonaer Straße/­Lessingstraße auf dem Vorplatz des Gymnasiums Tiergarten (ehemals Melzel-Oberschule). Die Zeit anzeigen konnte sie allerdings häufig nicht. Technische Mängel und die Witterung sorgten dafür, dass die Digitaluhr nicht funktionierte. Erst seit ihrer Restaurierung im Jahr 2012 ist sie wieder voll funktionstüchtig. 

Die Digitaluhr mit roten Ziffern ist Teil eines Kunstwerks von Joachim Schmettau (geb. 1937). Die Bronzeskulptur „Hand mit Uhr“ wurde 1975 im Hansaviertel aufgestellt. Übersehen kann man sie nicht – sie ist stattliche viereinhalb Meter groß und hat einen Durchmesser von anderthalb Metern. Die Fingerkuppen umfassen den oberen Teil eines Sockels. Die Zeitanzeige befindet sich auf dem Handrücken. 1983, als ein weiteres Werk von Schmettau, der Weltkugelbrunnen auf dem Breitscheidplatz in Charlottenburg, als „Kunst im öffentlichen Raum“ installiert wurde, erlangte die Bronzeskulptur internationale Berühmtheit.

Die britische Synthie-Pop-Band Depeche Mode machte sie zur Kulisse in ihrem Video zum Song „Everything Counts“, in dem von „grabbing hands“ gesungen wird. Dabei steht die Band um Frontmann Dave Gahan um die markante ­Uhren-Hand herum. (Manuela Blisse)

  • Gymnasiums Tiergarten, Ecke Altonaer Straße/­Lessingstraße

Das gekeulte Pferd vom Hauptbahnhof

Angesichts dieser „Kunst“ will man gleich wieder in den Zug steigen und wegfahren. Foto: imago images/imagebroker

Ob sich Hartmut Mehdorn seinerzeit eine knackige Pferdewurst gönnte, nachdem er den Auftrag für dieses „Kunstwerk“ unterschrieb, ist nicht bekannt. Ausgeschlossen ist es aber nicht, dass der ehemalige Bahnchef angesichts dieses gekeulten Pferdes vielleicht Hunger bekam. Das Un-Tier stammt von Jürgen Goertz und ist bereits dessen zweite Arbeit, die einen Bahnhof verschandeln darf – das Pendant zum Rolling Horse heißt S-Printing Horse und steht in Heidelberg.

  • Hauptbahnhof, Mitte

Stefan Sous‘ Stahl-Skulptur 

Stefan Sous‘ Stahl-Skulptur am BND. Foto: imago images/Eckel

„What You Deserve Is What You Get“ heißt es bei der Berliner Kultband SEEED. Der BND hat scheinbar einen korrodierten Metallklotz verdient. Die „offizielle“ Erklärung macht es nicht besser. „Der monolithische Körper aus Corten-Stahl gibt als autarkes, fremdes, unergründliches Ding einen subtilen Hinweis auf die Funktion des BND.“ Ein Schelm, der den BND mit einem großen braunen Sumpf assoziiert. Das sind höchstens Einzelfälle!

  • BND, Mitte

Eigentlich ein schönes Denkmal, also wirklich. Doch die Entscheidung darüber, ob das Kunst ist oder weg kann, hat der Bezirk schon längst getroffen. Denn Wasser sprudelt am Rathenau Brunnen im Volkspark Rehberge schon lange keins mehr. Und auch sonst ist der Brunnen in den vergangenen Jahren arg in Mitleidenschaft gezogen wurden, sichtbar vor allem an den großflächigen Graffitis. Ein echter Schandfleck, der alles andere als eine Ehrung Walther Rathenaus darstellt.

  • Rathenau Brunnen, Wedding

Noch mehr Kunst und Kultur im öffentlichen Raum

Lust auf noch mehr Skulpturen in Berlin? Hier sind 12 ungewöhnliche Statuen in Berlin. Statt Skulpturen eignen sich auch Gebäude als spannende Ziele für einen Berlin-Spaziergang: Das sind 12 Orte in Berlin, die wirklich jeder Architektur-Fan gesehen haben muss. Unseren großen Architekturguide von Bauhaus bis Baller findet ihr hier. In Berlin haben schon vor Jahrhunderten Stars gebaut: 12 berühmte Architekten des alten Berlin – klassizistisch, historistisch, preußisch

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin