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Stadtgeschichte

Haus Lindenberg: Die leere Villa am Viktoriapark

Seit 150 Jahren steht die vornehme Stadtvilla Haus Lindenberg in der heutigen Methfesselstraße am seitlichen Zugang zum Kreuzberger Viktoriapark – ein denkmalgeschütztes Juwel aus der Gründerzeit. Einst lebten in dem vornehmen Gebäude Geheimräte und Kauflaute, später residierte hier unter anderem das Berliner Literaturhaus Lettrétage und eine Filmproduktionsfirma. Jetzt steht Haus Lindenberg leer und soll verkauft werden.

Das Haus Lindenberg in Kreuzberg steht zum Verkauf. Foto: Jacek Slaski
Das Haus Lindenberg in Kreuzberg steht zum Verkauf. Foto: Jacek Slaski

Haus Lindenberg – ein gründerzeitlicher Fels in der Kreuzberger Brandung

Wer die schmale Methfesselstraße, die die Duden- mit der Kreuzbergstraße verbindet, entlanggeht, kommt an klassischen Mietskasernen, modernen Wohnhäusern und an der Gärtnerei vorbei, in der die Trauben für den Kreuzberger Wein angebaut werden, die vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg unter dem Namen Kreuz-Neroberger (Weißwein) und Kreuz-Ingelberger (Rotwein) vertrieben werden. Wer interessiert ist, kann mal im FHXB Museum im dortigen Museumsshop vorbeischauen. Ein Stück weiter die Methfesselstraße hoch geht es hinein in den Viktoriapark, man kann im Sommer hier sogar das Plätschern des Wasserfalls hören, und oberhalb beginnt das längst gentrifizierte Areal der alten Schultheiss-Brauerei.

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Schräg gegenüber steht eine vom wilden Wein bewachsene, stimmungsvoll heruntergekommene Stadtvilla: das Haus Lindenberg. Gebaut wurde sie 1874, so ist sie in diesem Jahr stolze 150 Jahre alt! Damals ersann der Bauherr, der Berliner Kaufmann Ernst Lindenberg, eine ganze Villenkolonie rund um den Park zu errichten. 20 Objekte entstanden schließlich, doch Berlin wuchs zu schnell, und schon bald schossen in der Umgebung eher viergeschossige Mietskasernen in die Höhe als vornehme Häuser für reiche Familien.

Eine Oase für Gutbetuchte

Doch die heutige Methfesselstraße, damals eine versperrte Privatstraße, war so etwas wie eine Oase für gut betuchte Bewohner. Vornehm, ruhig und im Grünem residierte man am Fuße des Kreuzbergs wie sonst nur in Dahlem, Steglitz oder Frohnau. Davon ist heute kaum noch etwas zu spüren. Die Zeit und der Krieg ließen die schicke Villenstraße verschwinden, aber das Haus Lindenberg blieb. Wie ein gründerzeitlicher Fels in der Brandung steht es bis heute zwischen Neubauten und funktionaler Architektur aus den 1970er-Jahren.

Vor 20 Jahre etwa zog hier das Literaturhaus Lettrétage ein, heute finden in der Veteranenstraße in Mitte die Lesungen und Gespräche statt, auch die 23/5 Filmproduktion GmbH des renommierten Regisseurs, Produzenten und Drehbuchautors Hans-Christian Schmid („Nach Fünf im Urwald“, „Crazy“, „Requiem“) ist einige hundert Meter weiter in die Friesenstraße gezogen.

Das Werbebanner an der Fassade vom Haus Lindenberg. Foto: Jacek Slaski
Das Werbebanner an der Fassade vom Haus Lindenberg. Foto: Jacek Slaski

Nun soll das illustre Objekt verkauft werden, an der Fassade hängt ein großes Banner eines Immobilienunternehmens. Schaut man auf die Webseite, wirbt der Makler im typischen Maklersprech: „Hinter einem Schleier aus grünen Blättern ruht eine vergessene Schönheit. Eine klassizistische Villa, deren Geschichte ebenso tiefgründig wie ihr Fundament ist: das Haus Lindenberg. Mitten in bester Kreuzberger Lage, unweit von Bergmannkiez, Viktoriapark und dem Tempelhofer Feld, wartet sie auf einer außergewöhnlichen Anhöhe auf ihre Wiederbelebung.“

Die Wiederbelebung bedeutet sicherlich jahrelange Sanierungsarbeiten zu horrenden Kosten, die auf den sicherlich horrenden Verkaufspreis noch draufzuschlagen sind. Man muss sich zudem als Millionär, sonst dürfte sich das Haus niemand leisten können, auch mit dem Blick auf den nicht wirklich pittoresken, viel befahreneren und recht lauten Mehringdamm arrangieren. Und der Viktoriapark ist zwar weder der Görli noch die Hasenheide, aber Feiervolk, Kiffer und nervige Berlintouristen kursieren dann schon direkt vor dem Tor des mondänen Anwesens.

Unterteilt ist das Gebäude in vier Wohneinheiten und einen Gewerberaum. Insofern wird vielleicht kein Kreuzberger Elon Musk das Haus beziehen. Vielleicht wäre es für ein wohlhabendes Architekturbüro oder ein sehr gut dotiertes Start-up-Unternehmen interessant? Toll wäre in dem Objekt natürlich ein schaurig-aufregender Nachtclub, betrieben von den sicherlich sehr wohlhabenden Eigentümern des Berghains. Aber genug Spekulation! Wer auch immer in Zukunft das Haus Lindenberg beziehen wird, darf sich als Bewohner einer ganz besonderen Kreuzberger Adresse rühmen.


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