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Unterwegs mit dem Street Photographer Holger Biermann

Holger Biermann ist Street Photographer, er lebt und arbeitet in in Berlin. Durch die Linse nimmt er am Berliner Großstadtgewimmel teil und hält prägnante Momente an vielen bekannten Orten fest. Nun klebt er die vor Jahren, teilweise Jahrzehnten entstandenen Fotos wieder zurück an den Ort, wo er sie aufgenommen hat. Wir begleiten Holger auf einem (langen) Spaziergang und gucken uns an, was aus seiner urbanen Kunstaktion unter dem Namen „Zurück woher wir kommen“ geworden ist.


Alexanderplatz – „DA KANNSTE NICHT MECKERN“

Am Alexanderplatz ist seine Arbeit „DA KANNSTE NICHT MECKERN“ aus den Jahren 2011-2019 zu sehen. Foto: Freddy Schönfeld

Am 29. Juni machte Holger Biermann mit den Kollegen und Freunden Alexander Langberg and Michael Wismar die große Runde und plakatierte seine Fotos dort, wo sie entstanden waren. Wir treffen uns am Alex unter der Weltzeituhr und laufen zur Karl-Liebknecht-, Ecke Dircksenstraße. „Mal gucken, ob sie überhaupt noch hängen, nach knapp einem Monat“, sagt Holger. Und siehe da, die insgesamt 40 Fotokacheln sind überraschenderweise fast alle noch intakt, nur ein paar vereinzelte Fotos wurden entrissen und tragen somit auch ein bisschen zum Charakter des chaotischen Ortes bei.

Michael Wismar beim Anbringen der Bilder. Die Baustellenabsperrung formt letztlich die Fotogalerie. Foto: Alexander Langberg

Bei Holgers Kunstaktion geht es darum, die Szenerie wieder zurückzubringen und den Ort fotografisch zu bespielen, für jene Menschen, die mit etwas Zeit und aufmerksam durch den öffentlichen Raum laufen.

Das dies möglich ist, liegt an dem Zeitabstand, denn Holgers Serie wachsen geduldig und beständig über viele Jahre. Die stärksten Bilder werden so zu einer Serie über den Ort. Die Chance, dass sich Menschen auf den Fotos wiedererkennen ist äußerste gering. Und wenn sind stets starke Momente, in denen es nicht um die Einzelperson geht sondern den Gehalt. Es ist ein Spiel mit der Zeit und dem Platz.

„Der Alex ist ein Durchgangsort. Erst waren hier die Punks mit ihren Hunden, da hatte man noch richtig das Gefühl vom Ost-Platz. Dann wurde es immer voller, als um 2010 mit den Billigfliegern die Touristen in die Stadt kamen und Party machten. Das veränderte auch den Alex. Und jetzt kommen die Hochhäuser dazu“, erzählt er.

Das schnelle Leben am Alex. Nur hastig im Vorbeigehen wird mal eben geguckt. Foto: Holger Biermann

Er zeigt auf zwei Gesichter von Menschen, die auf seinen Fotografien zu sehen sind und die er oft am Alex traf. „Solche Typen und Situationen wird man hier vielleicht bald nicht mehr sehen. Das besondere jener Tage erkennt man immer erst hinterher?“, sagt er. Die digitale Welt rast. „Wieso nicht das echte Leben zurückhängen und kurz verschnaufen?“, fragt er.


Rathausbrücke – „RÜCKBAU“

Wie Sie sehen, sehen Sie nix. Die Fotostrecke „RÜCKBAU“ wurde zurück geschrubbt. Foto: Freddy Schönfeld

Die schwarz-weiße Fotostrecke „RÜCKBAU“ am Palast der Republik entstand 2004 bis 2010. Es ist eine Bildsammlung über das Verschwinden des Bauwerks. Holgers erste Fototouren führten durch Berlin-Mitte, sodass der Palast immer mal wieder auf Fotos auftauchte bis er dann gänzlich verschwand. Zum Fotoprojekt wurde es erst in der Rückschau. Wie lange die Fotos über die Geschichte des Palastes an der Rathausbrücke glänzten, wissen wir nicht. Zurück zum grauen Urgestein also. Schade!

Knapp vor fünf Wochen plakatierten Alexander Langberg, Michael Wismar und Holger Biermann die Fotostrecke an der Rathausbrücke in Mitte. Foto: Holger Biermann

Mauerpark – „TAG DES HERRN“

Auch hier ist nicht mehr viel übrig geblieben. Das Wetter spielt bei der Plakat-Halbwertszeit auch immer eine bedeutende Rolle. Foto: Freddy Schönfeld

Wer mal am Sonntag im Mauerpark war, weiß wie es dort zu geht: Halligalli in Tüten. So hat es Holger in seiner Arbeit „TAG DES HERRN“ von 2010 bis 2019 dokumentiert. 40 wilde Farbfotografien, die den Mauerpark an einem Sonntag in seiner Fülle und Ektase festhält. Nur zu schade, dass der Sonntag irgendwann immer sein Ende erreicht.

Vorher. Die Fotowand im Mauerpark. Foto: Holger Biermann

Lychener Straße – „WO SIND DIE ZEITEN DAHIN“

Die Fotostrecke an der Friedhofsmauer im Helmholtzkiez hat sich insgesamt am besten im öffentlichen Raum gehalten. Foto: Freddy Schönfeld

Hintergrund hier ist die Szenerie des ehemaligen Spätis „Raumer 6″ in der Raumerstraße, der aufgrund eines Möbelgeschäfts weichen musste. Im Jahr 2020 wurde hier noch einmal zum Abschied groß gefeiert und angestoßen. „Vor allem für die jungen Leute, von der Schule nebenan war das ein sehr wichtiger und regelmäßiger, sozialer Treffpunkt“ erzählt Holger. Hier klebt jetzt vor allem viel Nostalgie.


Neben den oben genannten Orten wurde noch an drei weiteren Standpunkten mit Holgers Fotografie der urbane Raum geschmückt. Inzwischen wurden alle Fotos aber bereits entfernt.

Foto: Holger Biermann
  • „ECKE EBERSWALDER“, plakatiert an der Eberswalder Straße, 2012-2022, Farbe
Foto: Michael Wismar
  • „GOLD“, plakatiert am Spreebogenpark, Berliner Fanmeile 2006 und 2010
Foto: Holger Biermann
  • „LUXUS FÜR ALLE“, plakatiert an der Bauakademie, 2003-2010, S/W, über die Brachflächen und die Weite in der Großstadt, nach dem Mauerfall

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