Immer wieder verursachen junge Männer schwere Unfälle indem sie illegale Autorennen fahren. Unsere Autorin fordert deswegen gedrosselte Wagen für junge männliche Raser. Ein Kommentar.
Wieder gab es vermutlich ein illegales Autorennen auf dem Ku’damm mit schweren Folgen. Dabei wurden eine 45-jährige Frau lebensgefährlich und ihre Tochter schwer verletzt. Die beiden Insassen des BMW, der mit dem kleinen Ford der Frau zusammenkrachte, flüchteten zu Fuß. Und am vergangenen Wochenende hatte es die Polizei auch mit vier illegalen Autorennen oder viel zu schnellen Autofahrern zu tun: in Friedrichshain, in Gesundbrunnen, in Kreuzberg und auf der A 111.
Nun übertreffen sich Politiker*innen mit Vorschlägen, um illegalen Autorennen und Menschen, die einfach nur Bock haben, zu rasen, Einhalt zu gebieten: Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf (SPD), wünscht sich Blitzer auf der Tauentzienstraße und auf dem Kurfürstendamm. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Oliver Friedrici, fordert, dass die Autos von Rasern konsequenter eingezogen werden. Der SPD-Politiker Daniel Buchholz ist dafür, Rasern den Führerschein lebenslang zu entziehen.
Weitere Forderungen sind: mehr Polizei auf jene Straßen, wo Autofahrer*innen besonders gern rasen, Asphaltbuckel und ein Tempo-30-Limit – oder die Straßen gleich ganz für Privatautos zu sperren. Der beste Vorschlag aber kommt vom zuständigen Oberstaatsanwalt, Andreas Winkelmann: Er will einen „Stufenführerschein“. Bis zu einer bestimmten Altersgrenze dürften junge Fahrer*innen dann nur Wagen mit bis zu 100 PS fahren.
Wie wär’s mit lebenslang gedrosselten Autos für junge Raser?
Der Vorschlag ist ziemlich gut, aber es geht noch besser: Man könnte die Autos von jungen Rasern lebenslang drosseln. Am besten nicht nur auf 100 PS, sondern so, dass sie so langsam beschleunigen wie der silbergraue Mercedes von Elmar (87), wenn er an der Ampel anfährt. Oder man verfrachtet sie gleich in den Kindersitz und lässt ihre Mütter, Freundinnen und Tanten fahren. Gemessen an ihrer Reife scheint das für sie der richtige Platz im Auto zu sein.
Denn immer wieder sind es junge Männer, die sich Rennen liefern und dabei das Leben ihrer Mitmenschen aufs Spiel setzen. Härtere Strafen als Abschreckung sind offenbar wirkungslos. Seit 2017 ist die Teilnahme an einem illegalen Autorennen eine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit mehr. Trotzdem erfasste die Polizei im vergangenen Jahr 390 illegale Rennen — und das sind nur die, von denen sie etwas mitbekam, weil sie mit einem Unfall endeten. „Für junge Männer ist das Thema Auto zu wichtig“, sagte der Unfallforscher Siegfried Brockmann vor zwei Tagen dem Tagesspiegel. „Schärfere Strafen haben keine präventive Wirkung.“
Männer sollen weniger Privilegien genießen, also nehmen junge Autofahrer sie sich woanders
Das liegt wahrscheinlich daran, dass viele junge, männliche Autofahrer sich nicht einschränken lassen wollen. Denn das müssen sie ja plötzlich in so vielen anderen Lebensbereichen. Im Club dürfen sie keine Frauen mehr von hinten antanzen, ihnen feucht ins Ohr atmen und ihre Hände zwischen ihre Pobacken schieben. Sie sollen sich Frauen nicht mehr in den Weg stellen und sagen: „Ey Süße, siehst geil aus! Bleib doch mal stehen! Warum guckst’n so böse? Lächel doch mal“! Und auch noch verstehen, warum die Frauen Angst haben, wenn sie es doch machen. Männer, die flennen und von selbst die Spülmaschine ausräumen, sind auf einmal keine Weicheier mehr. Plötzlich sind solche Typen attraktiv und haben womöglich noch mehr Sex als die jungen Wilden in ihren dicken Karren.
Die Vermutung liegt nahe, dass junge Männer, die an illegalen Straßenrennen teilnehmen, das Gefühl haben, mit der Emanzipation der Frauen würden sie am Ende schlechter dastehen als Frauen. Diesen Denkfehler machen viele Männer. Dabei bedeutet Gleichberechtigung lediglich, dass ihnen Privilegien genommen werden, die sie zusätzlich zu den Rechten, die alle Menschen, für sich beansprucht haben. Vielleicht sind sie aber auch einfach nur sauer, dass sie gesellschaftliche Vorteile abgeben müssen. Sind viele ältere Männer ja auch, siehe all jene, die gegen den Feminismus wettern. Die jungen Raser nehmen sich aus Trotz dann einfach woanders Privilegien raus: auf der Straße. Dort blasen sie ihr Ego auf Kosten unbeteiligter Verkehrsteilnehmer*innen auf.
Wenn die jungen männlichen Raser nun an der Ampel hinter jungen Frauen zurückbleiben würden, weil sie wegen ihrer Drosselung langsamer beschleunigen als Elmar (87), könnten sie vielleicht eine Ahnung davon bekommen, was es bedeutet, strukturell benachteiligt zu werden. Gleichzeitig gehen keine unbeteiligten Verkehrsteilnehmer*innen mehr drauf, weil irgendwelche Heiopeis denken, sie seien gute Autofahrer, wenn sie schnell beschleunigen, schnell die Kurven nehmen und ihre Motoren besonders männlich aufheulen lassen können.
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