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Kolumne

Jackie A. entdeckt … Liberaces Rotweinhütte

Hier ein Outing: Das schrecklichste Getränk ever, verbunden mit ein paar uneleganten Erinnerungen, ist für mich Glühwein *insert Würgereiz hier*.

Leider beginnt jetzt die Weihnachtsmarkt-Saison und damit die Zeit, in der Bekannte stets mit demselben Vorschlag um die Ecke kommen: „Lass uns doch mal auf einen Glühwein treffen!“  Sofort tauchen diese Bilder in meinem Kopf auf, von klebrigen Rotweinfingern an Plastikbechern, einem vor Säure stark zusammengekräuselten Mund, unschönen Flecken auf Jackenärmeln, in undichten Stiefeln im Matsch stehend, zwischen Grillwurst- und  Lammfell-Pantoletten-Bude. Als Möchte-gern-Optimist probierte ich es dennoch immer mal wieder, cornerte auf wechselnden Märkten – nach dem Motto: „Give Glühwein a Chance!“ Ein halbes Menschenleben musste vergehen, damit ich euch die folgende frohe Kunde überbringen kann. Es ist zwar keine von der Urban Legend „hochwertiger Glühwein“ – dafür die von einem Weihnachtsmarkt, der mal nicht von der ersten Sekunde an langweilte. Idyllisch gelegen, vor der Spielothek am Nollendorfplatz, eröffnete sich mir hier letzte Woche gegen 20 Uhr ein Universum aus Glitzer, Einhorn-Einstreu, rosa Weihnachtsbäumen und violetten Glanzlichtern. Das Publikum wirkte vertraut, Leute wie du und ich, also unwürdig gealtertes Disco-Publikum,  LGBTIQ*-Pärchen, lebensfrohe Heteros, junge Smartphone-Abhängige, Männer mit Perücken, Frauen mit burschikosen Kurzhaarfrisuren, ultrafreche Kinder und tiefenentspannte Kiezbewohner mit „Ich hab alles gesehen, erzähl mir nichts“ -Gesichtsausdruck.

Selbst als großer Weihnachtsmarktverächter war es mir unmöglich, eine Anti-Stimmung aufrechtzuerhalten, während ein komplett von Berlin begeisterter, viel zu junger Weihnachtsmann aus München seine vorweihnachtliche  Dildo-Kollektion am Verkaufstisch des Knusperhäuschens „Bude 1“ präsentierte.  Konsequent auch das Angebot schräg gegenüber: Malereien von halb-, viertel-, sowie komplett nackten Männern. Mein Highlight war die Glühweinhütte, eine „Liberace-meets-preisgünstiges -Segment“- Fantasie voller glitzernder Muster und Formen, deren kaleidoskop-hafter Glanz auch ohne Alkohol in den Kopf stieg. Die Band 2THEUNIVERSE spielte und jemand streckte sich über die Bühne, um sich für eine Songlänge einhändig und mit dem ganzen Körper am Mikrofonständer des Sängers hängen zu lassen. Immer mehr Menschen tanzten mit Thüringer Rostbratwürsten, den Kollegen oder „live“ für den Instagram-Account.  Die „LGBTIQ* Winterdays“ werden dann ab dem 25.11. in die „Christmas Avenue Berlin“ übergehen. Schaut doch mal auf einen Glühwein rein!

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