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Geschichte

Jahresrückblick 2022 in Bildern: Viel passiert, viel zu verarbeiten

Wird wieder Zeit, dass Redaktionen die (gefühlte) Flaute zwischen den Jahren nutzen und einen Jahresrückblick für 2022 schreiben. Hat Tradition, wir machen mit. Immerhin ist es doch nett, kurz in sich zu gehen und zu rekapitulieren, wenngleich es diesmal eine inhaltliche Schwere mit sich bringt. Naja, das Jahr war desaströs. So sehr, dass es unser westliches, durchaus privilegiertes Verständnis, dass Frieden für uns eben selbstverständlich sei, ins Wanken brachte. Wir wollen aber nicht ausschließlich über den Angriffskrieg vonseiten Russlands sprechen, sondern auch ein zwei nettere Ereignisse hervorheben. Damit unser Jahresrückblick 2022 nicht allzu betrübt ausfällt.


Januar: Als Corona noch ein Ding war

Was passt besser zum Anfang unseres Jahresrückblicks als Corona-Testcenter? Foto: Imago/Jochen Eckel

Es mag sich fern anfühlen, aber Anfang 2022 galten noch einige Corona-Maßnahmen. 2G im Einzelhandel mitsamt direkter Kontrolle an den Eingängen, Tests bei Veranstaltungen mit mehr als zehn Personen vorzeigen, ein Tanzverbot in Clubs. Gerade letzteres führte dazu, dass der Drogenkonsum in Berlin dramatisch abnahm, entsprechend stieg die Arbeitslosigkeit. Spaß, auch wenn es für Berliner Dealer keine leichte Zeit gewesen sein dürfte. Richtig gelitten haben allerdings die Clubbetreiber, die noch lange warten mussten, bis die Tanzflächen wieder öffnen durften: Die meisten Beschränkungen endeten erst im März. Viele sprachen bei einigen Regeln von politischer Willkür. Für ihr heftiges Kopfschütteln hätte es übrigens PCR-Tests mit Gelenk gebraucht.


Februar: Russland greift die Ukraine an

Anti-Kriegsproteste in Berlin. Foto: Imago/Panthermedia/Jekurantodistaja

Es war eine Zäsur. Am 24. Februar begannen russische Truppen die Invasion der Ukraine. Plötzlich war ein Krieg ganz nah. Einer, der sich vielleicht Jahre zuvor abzeichnete, letztlich aber doch politisch, gesellschaftlich wie auch medial verdrängt wurde. Statt umfangreicher Prävention gab es lediglich Reaktion. NATO und EU beschlossen mal mehr, mal weniger effiziente Sanktionen gegen Russland, sperrten etwa Devisenkonten, froren Vermögen ein, schlossen Banken aus dem SWIFT-System (stark vereinfacht: WhatsApp für Finanzdienstleister). In Deutschland folgte zudem ein virulent um sich greifender Militär-Pathos, katalysiert durch die Zeitenwende-Rede des Bundeskanzlers. Und in Berlin gingen rund 100.000 Menschen gegen den Krieg auf die Straße.


März: Tausende flüchten nach Berlin

Um den vielen Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen, braucht es einige Freiwillige und Spenden. Foto: Imago/Jens Schicke

Tausende flüchteten aus der Ukraine, tausende kamen nach Berlin. In der Stadt eröffneten Aufnahmezentren, Initiativen und Privatpersonen sammelten Spenden, ein Gros der Berliner:innen wollte helfen, sich einbringen, den mitunter traumatisierten Ankömmlingen einen warmen Empfang bereiten.


April: Union Berlin holt das Derby Triple

„Jaaa, endlich wieder Siegesprämien!“ Foto: Imago/Matthias Koch

Im Fußball ist es ein einmaliges Ereignis: Union Berlin konnte in einer Saison gleich dreimal das Stadtderby gegen Hertha für sich entscheiden. Sportjournalisten lagen sich tränenüberströmt in den Armen, ekstatische Fans taumelten auf den Rängen, nur den Verlierern wird es nicht so gut ergangen sein. Es folgten Ansprachen, Verrisse, Wutschriften. Ja, für Fußballfans war viel los. Für alle anderen war es ein normaler Samstag.


Mai: Letztes Mal Maientage

Bei den Maientagen Neukölln gab es tolle Fahrgeschäfte, teils auch romantisch. Aber auch, wer eine Beziehung beenden wollte, konnte es im Riesenrad versuchen. Abenteuerlich. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Bis zum 22. Mai fanden die Neuköllner Maientage ein letztes Mal auf der Hasenheide statt. Besuchende konnten sich bis dahin in Fahrgeschäften durchschütteln lassen, Livemusik lauschen und sich mit Zuckerwatte, Schaumeis und Würstchen ins wohlige Fresskoma stürzen. Da die Maientage nicht zur großen Hasenheide-Klimafit-Projekt des Bundes passt, wird sie weichen müssen. Völlig legitim. Fragt sich nur, wo sie in den kommenden Jahren stattfinden werden.


Juni: Wir sagen Dankeschön, 9 Euro das Ticket

Es war so schön. Foto: Imago/Jürgen Held

Anfang Juni kam es wirklich zu einer Zeitenwende: Bund und Länder führten das bundesweit gültige 9-Euro-Ticket ein. Plötzlich brauchte es für Ortsfremde kein Studium mehr, um die mannigfaltigen Ticketsysteme des jeweils regionalen ÖPNV zu verstehen. Plötzlich konnte sich alle Fahrten mit Bus und Bahn leisten. Plötzlich war unter anderem auch Reisen für diejenigen drin, die in Armut leben. Es war sozial, nachhaltig, günstig. Eine sinnvolle Entlastung, vor allem mit Blick auf die explodierende Energiepreise, die sich auf alle möglichen Lebensbereiche ausgewirkt haben. Ende August lief das 9-Euro-Ticket aus. Berlin führte ab April das 29-Euro-Ticket (AB) ein, 2023 soll es einen bundesweit gültigen Nachfolger geben.

Übrigens: FDP und Konservative, aber auch einige vermeintlich Linke, taten sich damit schwer, das 9-Euro-Ticket zu akzeptieren, übten sich in wohlfeiler Kritik. Etwa seien die Bahnen deswegen überfüllt und einige könnten das Ticket ausnutzen. Besonders genial war Finanzminister Lindners Argument, dass Personen auf dem Land zwar das Ticket mitfinanzieren, es aber nicht nutzen können. Joa, was könnten Finanz- und Verkehrsminister (beide FDP) da nur unternehmen?


Juli: DJ Wendehals holt Love Parade zurück

Rave the Planet entpuppte sich als Erfolg, hinterließ bei Dr. Motte aber auch einen mittelschweren Imageschaden. Foto: Imago/Olaf Schuelke

Dr. Motte, Mitinitiator der Love Parade, hat ein großes Reboot des Techno-Festivals gestartet: Rave the Planet. Am 9. Juli zogen wieder Wagen mit dröhnenden Bässen über die Straßen, die feierwütige Meute stets im Schlepptau. Alles war „so schön, so bunt, so toll“, wie die Besuchenden wohl vor sich hinstöhnen würden. So lange, bis Dr. Motte das Zeichen der Freedom Parade in die Höhe hielt.

Die verschwörungsideologische Gruppe sympathisiert mit der AfD, Reichsbürgern und anderen Rechtsradikalen. Das Symbol entpuppte sich für Motte zur elektrischen Fliegenfalle. Er verbrannte sich, entschuldigte sich kurz darauf. Wie er es schon tat, nachdem er wohl zu einem Polizisten „Heil Hitler“ sagte, er in einem Interview von „Juden in aller Welt“ sprach und Klaus Wowereits Politik als „schwule Politik“ bezeichnete. Sorry, sorry, sorry.

Er hat übrigens auch in unsere Liste der peinlichsten Berliner:innen geschafft.


August: Großbrand in Grunewald

Schwieriges Thema: der Brand im Grunewald. Foto: Imago/Christian Ender

Am 4. August brach in Grunewald ein Feuer aus. 15.000 Quadratmeter Fläche eingehüllt in lodernden Flammen, nur 15 Kilometer vom Regierungsviertel entfernt. Auch ein abgezäuntes Areal, auf dem die Polizei Feuerwerkskörper, Munition und andere leicht brennbare Kampfmittel lagern, war betroffen. Vor Ort gab es Detonationen. In Kombination mit der zu dem Zeitpunkt anhaltenden Trockenheit war es ein Desaster. Polizei und Senat haben noch immer nicht die Ursache geklärt.


September: Berliner Marathon

Berlin-Marathon: Husch, husch, ihr kleinen Rennmäuse. Foto: Imago/blickwinkel

Was wäre ein Jahresrückblick ohne die Klassiker? Und in der Hauptstadt wäre das wohl der Berliner Marathon. 2022 nahmen mehr als 40.000 Personen teil, rannten für gute Zeiten, aus Ehrgeiz, manchmal aber auch einfach aus Hang zum Masochismus. Eliud Kipchoge konnte dabei seine Weltrekordzeit um 30 Sekunden verbessern, lief den Marathon in 2:01:10 Stunden. Tigist Assefa war mit 2:15:37 Stunden schnellste Läuferin. Flott, flott.


Oktober: Klimaaktivismus im Barberini

Uff. Es war durchaus umstritten, dass Klimaaktivist:innen der Letzten Generation eine Glasscheibe vor einem Monet-Bild im Barberine-Museum mit Kartoffelbrei bewarfen, die deutsche Variante eines vorausgegangen Tomatensuppewurfs auf ein Van-Gogh in London. Das Barberini schloss zeitweise und viele reagierten empört. Diese Form von Aktivismus sei weltfremd, sie sei Selbstinszenierung, sie sei Terrorismus. Nur dürfte Aktivismus kaum in der Pflicht stehen, allen zu gefallen.


November: Wahlwiederholung beschlossen

Bürgermeisterin Franziska Giffey, als sie schon wieder auf die Wahlwiederholung angesprochen wurde. Foto: Imago/Future Image/T.Bartilla

Berlins Bürokratie ist eine gewaltige Wurschtelei. Die Bürgerämter ähneln hinsichtlich ihrer Terminlage Hautarztpraxen, Eheschließungen sollen auch ein langwieriger Prozess sein und das wäre nur ein Bruchteil der Ausmaße, den das Durcheinander in der Hauptstadt annimmt. Seinen Höhepunkt erreichte es bei der Wahl September 2021. Zu lange Warteschlangen und fehlende Stimmzettel, für demokratische Prozesse nicht wirklich vertrauenserweckend. Nun folgt Februar nächsten Jahres eine Wahlwiederholung. Für die SPD, die sich weder kompromissbereit, noch großartig reformwillig gezeigt hat, eine ganz gruselige Geschichte.


Dezember: Berstender AquaDom

Weg ist er: der Aquadom. Foto: Imago/photo2000

Wir hätten gerne einen besinnlichen Abschluss gehabt, irgendwas Nettes. Doch das präsenteste Ereignis war eben der berstende AquaDom. Die Außenwände des Acrylglaszylinders zerbarsten und der Inhalt flutete die Halle des Radisson Collection Hotels. Zwei Menschen wurden verletzt, nur 40 der 1500 Fische in dem Aquarium überlebten. Der Umgang mit der Situation war nicht unbedingt tierfreundlich – Giffey sprach von der nun fehlenden Attraktion für die Kinder – die Attraktion selbst wiederum größenwahnsinnig und, pardon, frei von Geschmack.


Mehr zum Thema

So, wir haben unseren Jahresrückblick für 2022 geliefert, damit hatten wir genug zu tun. Ihr könnt hingegen die Zeit nutzen und euch eine von diesen Aktivitäten für die Zeit zwischen den Jahren aussuchen. Natürlich haben wir noch zusätzliche Konzert-Tipps für euch. Ist euch das zu laut, schaut doch in unsere Liste für aktuelle Ausstellungen. Was Berlin noch bewegt, erfahrt ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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