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Jubiläum

Jim Avignon und tipBerlin: Fünf Cover für 50 Jahre – von Dinos bis Klima

Kaum ein Künstler hat Berlin mit seinem Werk in den vergangenen 30 Jahren so durchdrungen, wie der umtriebige Maler, Zeichner, Partyveranstalter und Musiker Jim Avignon. Seine bunten Bilder, die sich an der Schnittstelle von Pop Art, Expressionismus und Comickunst bewegen, sind allgegenwärtig. Ob an der East Side Gallery und Kneipenwänden oder in Galerien, Clubs, auf seinem Facebook-Kanal und immer wieder auf dem Cover des tipBerlin. Auch das Jubiläumsheft, das Anfang Januar 2022 exakt 50 Jahre nach der tip-Erstausgabe erschien, hat Jim Avignon illustriert. Jim Avignon und der tipBerlin – eine illustre Beziehung.

Der Berliner Maler, Illustrator und Musiker Jim Avignon und seine fünf Cover für tipBerlin. Foto: Privat
Der Berliner Maler, Illustrator und Musiker Jim Avignon und seine fünf Cover für tipBerlin. Foto: Privat

Jim Avignon illustrierte immer wieder den tipBerlin: Dinos, Clubs und Klima

„Berlins 1,5 Grad Challenge“, lautet die Titelzeile des tipBerlin 01/2022. Auf dem Cover laufen sympathische Figuren herum, sie fahren Fahrrad und Skateboard, ein Mann beisst in einen Apfel, ein bärtiger Hipster schlendert vorbei. Auf den begrünten Dächer sind Solarzellen installiert. „Was muss die Stadt tun, um die Klimaziele zu erreichen?“. Wir fragen nach, kann der Senat das? Für die Geschichte fand Jim Avignon die passende visuelle Umsetzung. Er kennt die Stadt und die Stadt kennt ihn. Seine Figuren sind selbst zu Berlinern und Berlinerinnen geworden und zwischen den Partys, Exzessen und absurden Momenten, streut er immer wieder politische Botschaften hinein. Kapitalismuskritik, Misstrauen gegenüber dem Kunstmarkt und der Konsumgesellschaft, aber eben auch Umweltthemen. Er ist eine Art Georg Grosz der Neuzeit.

Angefangen hat alles in den 1980er-Jahren. Avignon malte schnell: Wie eine Punkband einen Dreiminutensong von der Bühne schmettert, haute er seine großen, bunten Bilder heraus. Auf Pappe oder Holzplatten gepinselt, hängte er sie noch nach Farbe riechend in Kneipen. Verkaufte die Serie bei einer Party und zog in die nächste Stadt. Kunst-Rock‘n‘Roll. Dem Motto ist Jim Avignon treu geblieben. Seinen Namen gab er sich, nach einer Autopanne, ja wo sonst, in Avignon. Er war 20, in Frankreich unterwegs und brauchte dringend Geld. Also malte der junge Jim mit Straßenkreide Dalì-Reproduktionen auf den Bürgersteig und die Stadt war gut zu ihm, er konnte die Rechnung in der Werkstatt bezahlen und weiterfahren. Seitdem trägt er den Namen seines Geburtsortes als Künstler.

Jim Avignon gab Techno ein Gesicht, ein gemaltes Gesicht

Kurz vor dem Mauerfall strandete er in West-Berlin, doch statt Punk und Geniale Dilletanten entdeckte er die in den Kinderschuhen steckende Technoszene. Damals interessierten sich höchstens ein paar Dutzend Leute für elektronische Tanzmusik. Man ging in Schöneberg aus, in die Turbine Rosenheim, ins UFO, später in Kreuzberg in die Space Agency. Die erste Loveparade fand im Juli 1989 statt. Gut 100 Technofreaks tanzten wild über den Ku’Damm. So richtig los, ging es dann aber nach der Wiedervereinigung. Bunker, Tresor, E-Werk, die Loveparade wurde ein Megaevent und Techno gibt noch heute den Ton an.

Jim gab Techno ein Gesicht, ein gemaltes Gesicht. Er inszenierte Clubs, Flyer, Poster und Partywagen bei der Parade. Alles war bunt, verspielt, wuselig, irre. In dieser Zeit wurde auch erstmals der tipBerlin auf den lustigen Künstler aufmerksam, der immer und überall zur gleichen Zeit zu sein schien, immer neugierig, immer gut gelaunt, immer mit dabei. Sein erstes tip-Cover erscheint 1993. Die Dinosaurier sind los, gerade sorgte Steven Spielberg mit „Jurassic Park“ für einen Wandel der Kinolandschaft. Die Riesenechsen auf der Leinwand wirkten so real wie die Schauspieler neben ihnen. Jim Avignons Illustration war erschreckend, grotesk, bunt. Chaos in der Stadt! Das Motiv passte gut zum tipBerlin.

Von Hitchcock zu Avignon: 1972 hatte der tipBerlin noch sechs Seiten, 2022 waren es schon etwas mehr.
Von Hitchcock zu Avignon: 1972 hatte der tipBerlin noch sechs Seiten, 2022 waren es schon etwas mehr.

In den 1990er-Jahren folgten noch zwei weitere Cover für den tip, und bei beiden war Jim Avignon voll in seinem Metier: 1995 eines zur Loveparade und 1999 zur Clubszene. Zwischendurch lieferte er noch für die Redaktion kleinere Zeichnungen ab. Doch die Zusammenarbeit Avignon-tipBerlin schlief ein. Jim arbeitete eine Weile für die Werbebranche, erfand sich mit seinem Ein-Mann-Band-Projekt Neoangin als Musiker neu, lebte mehrere Jahre in New York. Erst 2013 gab es wieder ein tip-Cover, diesmal ging es um Berlin als die Stadt der Zeichner. Mittlerweile hatte Avignon seinen Stil verfeinert, er ist expressionistischer geworden, genauer, nicht mehr so explosiv und euphorisch wie in den Anfangsjahren. Und doch sehen seine Bilder immer noch aus, als würden Dalí, Grosz und Picasso eine Party in Warhols Factory feiern.

So eine Partyszene entwarf er 2016 abermals exklusiv für den tipBerlin. Diesmal zwar nicht als Cover, sondern im Rahmen der tip-Siebdruck-Editionen. „Wenn es einen roten Faden in meinen Motiven gibt, dann ist es die Bar“, sagte Jim Avignon damals. Die letzten Exemplare seiner mit „Bar Berlin“ betitelten (limitierten und signierten) Arbeit sind noch in unserem Webshop erhältlich. Als ein Jahr später, im April 2017 in der Galerie Neurotitan in Mitte, der tip gemeinsam mit der ZITTY eine Ausstellung zur Geschichte der beiden Stadtmagazine organisierte, sang bei der Vernissage kein anderer als Jim Avignon. Und noch einmal fünf Jahre später folgte Avignons fünftes Cover, pünktlich zum tip-Geburtstag am 9. Januar 2022. Fünf Cover für 50 Jahre, das ist ein guter Schnitt und so wie Jim Avignon die Stadt geprägt hat, hat er auch immer wieder den tipBerlin geprägt.


Mehr Jim Avignon, mehr Berlin

2016 führten wir ein sehr langes Interview mit Jim Avignon, darin erfährt man alles, wirklich alles! 50 Jahre tipBerlin: Mit sechs Seiten fing 1972 alles an. Dr. Motte zum 60. Geburtstag! 12 Fotos aus dem Leben des Techno-DJs und Erfinders der Loveparade. 12 legendäre West-Berliner Clubs und Bars, die nicht mehr existieren.

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