Jordan B. Peterson kommt nach Berlin, der wohl populärste Incel Intellektuelle, jedenfalls nach Reddit, 8Chan und den Foren beliebter Pornoseiten. Auch er selbst dürfte sich als solcher wahrnehmen. Die Hauptstadt kann sich also darauf freuen, von einem aufgeblasenen Ego zerquetscht zu werden. Vielleicht reicht auch der Platz im Tempodrom, die ihm dort gebotene Bühne soll ja relativ groß sein. Leider ist Jordan Petersons Auftritt bereits ausverkauft, er ist eben selten in Berlin. Dafür gibt unser Autor euch einen kleinen Überblick zu seinen Thesen.
Jordan B. Peterson in Berlin: Alles Auslegungssache
Es gibt Menschen, die liefern so viel Material für Sprüche, dass es gar nicht so leicht ist, einen Anfang zu finden. Jordan B. Peterson ist so einer. Sortieren hilft, also starten wir doch einfach chronologisch. Bekannt machte ihn sein Umgang mit dem 2017 beschlossenen Zusatz im kanadischen „Human Rights Act“, der die Liste verbotener Diskriminierungsgründe um Geschlechteridentität und -ausdruck erweiterte. Peterson fürchtete, er müssen seine Studierenden mit ihrem gewünschten Personalpronomen ansprechen, außerdem würden einige Inhalte seiner Vorlesungen illegal werden.
Zuspruch bekam er von allen mit einem konservativem Geschlechterverständnis, meist finden die sich unter einer Staubschicht. Rasch entwickelte sich Peterson für Rechtslibertäre zur Galionsfigur, ein Gleichgesinnter im Kampf um die Freiheit. Schon ironisch, dass er ein Gesetz ablehnt, das Menschen Selbstbestimmung ermöglicht. Doch die Wut ist verständlich, immerhin müsste er dann für seine Thesen Belege suchen, um nicht angreifbar zu sein.
Peterson ist mittlerweile weltweit populär. 2018 veröffentlichte er den Bestseller „12 Rules of Life“, inhaltlich eine Mischung aus absurder Selbsthilfe und Krustentiergebumse. Demnach sollten sich Menschen zum Beispiel an Hummern orientieren, da diese stets um ihr Territorium kämpfen und sich Siege und Niederlage auf ihre Hirnstruktur auswirke. Es entstünden klare hierarchische Strukturen, außerdem paaren sich Weibchen mit den Gewinnern. Sozialdarwinistischer Durchfall, den auch die Incel-Fraktion ins Internet spritzt.
Freiheit, für Liberale ein enger Begriff
Peterson selbst distanziert sich von den Incels, auch wenn sie tagtäglich in seine Social-Media-Timelines simpen. Vielmehr sieht er sich als „klassischen Liberalen“. Die Gruppierung setzt sich vorne herum für Universalismus, Meinungsfreiheit, Wissenschaft, Liberalismus und Diskurs ein. Bezeichnet links zu sein aber auch ironisch als Geisteskrankheit und will eine „regressive“ und „postmodernde Linke“ bekämpfen, die sie auch als Social Justice Warriors verunglimpft.
Es ist ein selektiver Freiheitsbegriff. Ebenso ordnen die Peterson-Fans sich dem „Intellektuellen Dark Web“ zu, da sie für Aussagen stehen, die nicht der Mehrheitsmeinung entsprechen, sogenannte „gefährliche Ideen“. Darunter fallen unter anderem antifeministische Thesen. Peterson vertritt beispielsweise die Haltung, Frauen und Männer dürften nicht gleich entlohnt werden, gerade in kraftzehrenden Berufen, da Männer in derselben Zeit deutlich mehr Arbeitsvolumen leisten können. Wie gesagt, das Diskriminierungsgesetz war nicht sein Fall.
Im Tempodrom erwartet die Besuchenden also vulgärwissenschaftlicher Ramsch. Petersons deutschsprachige Anhängerschaft wird das begeistern, haben sie doch nur selten die Gelegenheit, ihn live zu erleben. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie sich intensiver damit beschäftigen, inwiefern sich seine Thesen belegen lassen. Sein Ruf als Intellektueller ist wiederum nicht gerechtfertigt. Nur weil jemand meint, sich zu allen möglichen Themen zu äußern, muss diese Person lange nicht besonders smart sein. Das einzige, was Peterson von Stammtischpolterern unterscheidet, sind wahrscheinlich Uni-Abschlüsse.
Hinter dem Peterson-Text steckt eine alte Meckerziege. Sie wetterte gegen den Tram-Ausbau in Moabit oder auch die bald steigende Nebenkosten in Berlin. Was es noch so zu meckern gibt, aber auch, worüber ihr euch freuen könnt, lest ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.