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Jüdisches Berlin: Orte der Vergangenheit und modernes jüdisches Leben

Berlin hat eine lange jüdische Tradition: Die ältesten Spuren jüdischen Lebens gibt es in Spandau zu entdecken. Im archäologischen Schaufenster werden mittelalterliche Grabsteine mit hebräischer Inschrift ausgestellt. Die jüdische Geschichte in Berlin ist durch durch viele Brüche gekennzeichnet, darunter der Holocaust.

Die Shoah besiegelte aber glücklicherweise nicht das Ende des jüdischen Berlins: Gerade in den vergangenen Jahren stabilisierte sich die Gemeinschaft, bedingt durch Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion sowie durch ausgewanderte Israelis. Auch deshalb gibt es in Berlin wieder tausende jüdische Menschen. Wir zeigen euch Orte, an denen ihr das aktuelle wie das vergangene jüdische Berlin erleben könnt.


Jüdisches Berlin: Auf den mosaischen Friedhöfen der Stadt spazieren gehen

Der Jüdische Friedhof in Weißensee ist der größte seiner Art in Europa. Foto: Imago/Schöning
Der Jüdische Friedhof in Weißensee ist der größte seiner Art in Europa. Foto: Imago/Schöning

Ein jüdischer Friedhof gilt als „bet olam“, als „Haus der Ewigkeit“. Anders als auf christlichen oder weltlichen Anlagen kennt man kein „Ablaufdatum“, nach dem ein Grab aufgelöst und der Grabstein entfernt wird. In Berlin existieren vier jüdische Friedhöfe. Der älteste liegt an der Großen Hamburger Straße und ist größtenteils zerstört. Allein der Grabstein von Moses Mendelssohn (1729-1786) wurde neu errichtet. Mendelssohn war Wegbereiter der Haskala, der jüdischen Aufklärung.

Auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee sind bedeutende Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts bestattet. Spannend ist der hinter dem Friedhof liegende Judengang, angeblich angelegt, weil Friedrich Wilhelm III. auf seinem Weg nach Pankow nicht jüdischen Bestattungen beiwohnen wollte. Andere meinen der Weg hätte religiöse Gründe. Der wohl bedeutendste jüdische Friedhof befindet sich in Weißensee. Es handelt sich um den größten jüdischen Friedhof in Europa. Die weitläufige Anlage ist definitiv einen Besuch wert. Nach der Teilung Berlins entstand ein weiterer im Westen der Stadt an der Heerstraße.

Noch ein kleiner Hinweis: Bei einem Besuch eines jüdischen Friedhofs gibt es ein paar Dinge zu beachten. Am Sabbat, also jeden Samstag, und an hohen jüdischen Feiertagen sind Friedhöfe geschlossen. Sowohl Sabbat als auch Feiertage beginnen mit dem Sonnenuntergang des Vorabend. Informiert euch also vorher, ob gerade ein jüdischer Feiertag ansteht. Außerdem gilt für Männer die Pflicht zum Tragen einer Kopfbedeckung.

  • Jüdischer Friedhof Weißensee Herbert-Baum-Str. 45, Weißensee, Öffnungszeiten und weitere Infos hier
  • Jüdischer Friedhof Große Hamburger Straße Große Hamburger Str. 25, Mitte, alle Infos und Öffnungszeiten hier
  • Jüdischer Friedhof Schönhauser Allee Schönhauser Allee 25, Prenzlauer Berg, alle Infos und Öffnungszeiten hier
  • Jüdischer Friedhof Heerstraße Heerstr. 141, Westend, alle Infos und Öffnungszeiten hier

Die Synagoge an der Rykestraße besuchen

Die Synagoge an der Rykestraße gehört zu den größten jüdischen Gotteshäusern Berlins. Foto: Imago/Ulli Winkler
Die Synagoge an der Rykestraße gehört zu den größten jüdischen Gotteshäusern Berlins. Foto: Imago/Ulli Winkler

Sie liegen oftmals versteckt und man gelangt aufgrund der hohen – und leider auch nötigen, man denke an die Anschläge im Herbst 2019 in Halle – Sicherheitsbarrieren noch viel schwerer ins Innere. Die Hürden sollte man allerdings nehmen, denn ein Blick in die Synagogen dieser Stadt lohnt sich, so auch im Fall der Synagoge an der Rykestraße. Das von Johann Höniger kurz nach der Jahrhundertwende errichtete Gotteshaus im neuromanischen Stil zählte einst zu den größten Europas.

Nach dem Holocaust beherbergte es die einzige jüdische Gemeinde Ost-Berlins. Besonders beeindruckend ist der farbenfroh ornamentierte Bogen über dem Toraschrein. Leider kann man die Synagoge nur mit einer angemeldeten Führung besuchen sowie bei Konzerten und anderen Veranstaltungen.

  • Synagoge Rykestraße Rykestraße 53, Prenzlauer Berg, online

Modernes jüdisches Berlin: Israelische Produkte bei Kosher Life

Der koschere Supermarkt führt viele israelische Produkte. Foto: Imago/Uwe Steinert
Der koschere Supermarkt führt viele israelische Produkte. Foto: Imago/Uwe Steinert

Wer schon einmal in Israel war, wird sich in das ein oder andere lokale Produkt verliebt haben – von Hummus bis Hüttenkäse. Wie gut, dass man viele koschere israelische Produkte auch in Berlin bekommt. Der Supermarkt Kosher Life existiert seit 2008 an der Brunnenstraße. Nicht immer ist alles vorhanden, dafür kann man so manches Neue entdecken. Und sich zudem gut beraten lassen.

  • Kosher Life Brunnenstraße 31, Mitte, Mo–Do 8–19 Uhr, Fr 8–16 Uhr, online
  • Kosher Life Konstanzer Straße 58, Wilmersdorf, Mo–Do 12–19 Uhr, Fr 9–16 Uhr

Vom Feinberg’s bis zum Masel Topf die jüdische Küche entdecken

Zahlreiche israelische Restaurants sorgen dafür, dass sich die jüdische Küche auch in Berlin genießen lässt. Foto: Aida Baghernejad

In Berlin gibt es eine ganze Reihe jüdisch-israelischer Restaurants, die einen Besuch wert sind. Darunter kleine Institutionen wie das Beth Café an der Tucholskystraße im Haus der strengreligiösen Addas-Jisroel-Gemeinde. Zu den Klassikern zählen auch das Feinberg’s von Inhaber Yorai Feinberg, das vor allem sephardische Küche serviert, sowie das Masel Topf, das auch Klassiker wie „gefillte Fisch“ anbietet und das in besonderer Atmosphäre, freitags und samstags mit Klaviermusik. Weiter Tipps sind das Joseph im Amano-Hotel unweit des ehemaligen Tacheles oder das Kitten Deli an der Friedelstraße in Neukölln. Hier findet ihr weitere israelische Restaurants in Berlin.

  • Beth Café Tucholskystraße 40, Mitte, Mo-Do 11-18 Uhr, Fr 11-15 Uhr
  • Feinberg’s Fuggerstraße 35, Schöneberg, Di-So 12-23 Uhr
  • Masel Topf Rykestraße 2, Prenzlauer Berg, tgl. ab 12 Uhr
  • Joseph Friedrichstraße 113, Mitte, Mo-Fr 10-15 Uhr und 18-0 Uhr, Sa 18-1 Uhr
  • Kitten Deli Friedelstraße 30, Neukölln, Sa-Mo 10-22 Uhr, Di+Do+Fr 12-22 Uhr

Den jüdischen Opfern der NS-Diktatur am Holocaust-Mahnmal Tribut zollen

Das eindrucksvolle Holocaust-Mahnmal in Mitte erinnert an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Foto: Imago/Shotshop

2711 Betonstelen bilden das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Sie sollen zum Nachdenken anregen. Die Architektur des Mahnmals ist nicht nur eindrucksvoll, sondern weitläufig und begehbar. Dadurch dient der Gedenkort nicht nur stillen Erinnerung, sondern auch als offener Platz in Berlin-Mitte. Der dazugehörige Ort der Information dokumentiert die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden. Mehr über das Holocaust-Mahnmal lest ihr hier.

  • Denkmal für die ermordeten Juden Europas Cora-Berliner-Straße 1, Mitte, weitere Infos

Jüdisches Berlin im Centrum Judaicum erleben

Schönster Raum in der ehemaligen Synagoge ist der Repräsentantensaal. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Schönster Raum in der ehemaligen Synagoge ist der Repräsentantensaal. Foto: Imago/Jürgen Ritter

„Tuet auf die Pforten“ steht auf Hebräisch über dem Hauptportal. Das ist auch der Titel der Dauerausstellung, die es im Centrum Judaicum seit 1995 zu entdecken gibt, seit einigen Jahren in einer Neuauflage. Sie setzt sich unter anderem aus Modellen, Fundstücken aus der Synagoge, Infotafeln, Filmen sowie Zeitzeugeninterviews zusammensetzt. Diese sollen einen Eindruck der Formen des jüdischen Lebens in Berlin vermitteln.

Der thematische Schwerpunkt liegt auf der Geschichte des Hauses, die so viel mit der Geschichte des jüdischen Berlins gemeinsam hat. „Wir sind ein Museum mit allem, was nach Definition dazu gehört: Wir stellen aus, wir haben eine Sammlung, wir forschen, wir vermitteln, wir bringen in unseren Veranstaltungen Geschichte und Heute zusammen“, so Anja Siegemund, die Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Mehr über den Besuch und Wissenswertes zur Geschichte der Neuen Synagoge lest ihr hier.

  • Centrum Judaicum Oranienburger Straße 28-30, Mitte, Mo-Fr 10-18 Uhr, So 10-19 Uhr (Sommer), So–Do 10–18 Uhr, Fr 10–15 Uhr (Winter), Website

Mehr über das Judentum lernen in der Jüdischen Volkshochschule

Die Jüdische Volkshochschule befindet sich im Gemeindezentrum an der Fasanenstraße in Charlottenburg. Foto: Imago/Schöning
Die Jüdische Volkshochschule befindet sich im Gemeindezentrum an der Fasanenstraße in Charlottenburg. Foto: Imago/Schöning

Die Jüdische Volkshochschule ist seit vielen Jahre Anlaufpunkt für alle, die zu einem günstigen Preis Hebräisch lernen wollten. Zu den Angeboten gehören aber nicht nur Hebräisch-Kurse für Anfänger:innen, sondern auch Kurse in Althebräisch, Jiddisch und Sprachen wie Russisch und Deutsch. Neben den umfangreichen Sprachkursangebot bietet die Jüdische Volkshochschule auch Vorträge und Seminare zu allen Facetten des historischen und modernen Judentums.

  • Jüdische Volkshochschule Fasanenstr. 79-80, Charlottenburg, Website

Bücher über das Judentum kaufen in der Literaturhandlung

Die Literaturhandlung bietet Bücher sowie Schmuck und Ritualgegenstände. Symbolfoto: Unsplash/Jeremy Mura
Die Literaturhandlung bietet Bücher sowie Schmuck und Ritualgegenstände. Foto: Unsplash/Jeremy Mura

Die Literaturhandlung von Rachel Salamander existiert seit 1983 in München, die Berliner Filiale liegt an der Joachimsthaler Straße in Charlottenburg, in der Nähe des Zoos. Dort kann man neue Publikationen wie Standardwerke erwerben, zudem gibt es ein ausgewähltes Sortiment an Schmuck und Ritualgegenständen. Die Literaturhandlung verfügt auch über einen gut gepflegten Webshop. Reinschauen lohnt sich!

  • Literaturhandlung Joachimsthaler Str. 13, Charlottenburg, Mo–Fr 11-17 Uhr, Website

Das Denkmal „Züge ins Leben – Züge in den Tod“ betrachten

Das Pendant dieses Denkmals wurde an der Londoner Station Liverpool Street aufgestellt. Foto: Imago/Schöning
Das Pendant dieses Denkmals wurde an der Londoner Station Liverpool Street aufgestellt. Foto: Imago/Schöning

London und Berlin trennen mehrere Hundert Kilometer. Und doch findet sich an den Stationen Friedrichstraße und Liverpool Street ein und dieselbe Plastik mit dem Titel „Züge ins Leben – Züge in den Tod“ von Frank Meisler. Das Denkmal erinnert an die Transporte jüdischer Kinder: Ab 1938 kamen annähernd 10.000 Kinder nach Großbritannien und wurden so vor den Nazis gerettet. Das Denkmal erinnert zugleich auch an jene, die die Shoah nicht überlebt haben.

  • Züge ins Leben – Züge in den Tod am Bahnhof Friedrichstraße, Mitte

Deutsch-jüdische Geschichte im Jüdischen Museum

Darf auf keinem Spaziergang durch das Jüdische Berlin fehlen, ein Besuch des Jüdischen Museums. Foto: Imago/Rolf Kremming
Ein Besuch im Jüdischen Museum darf auf keinem Spaziergang durch das Jüdische Berlin fehlen. Foto: Imago/Rolf Kremming

Als architektonisches Meisterwerk ist der spektakuläre Museumsbau von Daniel Libeskind, den wir hier vorstellen, längst ein Wahrzeichen Berlins. Präsentiert werden zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Geschichte. Im Sommer 2020 wurde das Jüdische Museum neu eröffnet, wir durften im Vorfeld hinter die Kulissen blicken. Seitdem ist auch die neue Dauerausstellung „Jüdische Geschichte und Gegenwart“ zu sehen. Im Sommer 2021 eröffnete mit dem „Anoha“ die Kinderwelt des Museums, deren Schwerpunkt auf der Geschichte der Arche Noah liegt.

  • Jüdisches Museum Berlin Lindenstraße 9–14, Kreuzberg, tägl. 10–19 Uhr, Karten: 8, erm. 3 Euro, Website

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