Es ist ja keine Neuigkeit, dass Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister von Mitte, gern mal den gestrengen Grünen gibt – manchmal aus zumindest nachvollziehbaren Gründen. Aber ab und an bricht sich dann doch der innere Blockwart Bahn. Wie von Dassel nun ankündigte, will er den Kurs gegenüber Spätis verschärfen. Grund seines Ärgers ist zum einen, dass sich kaum ein Verkäufer an das Späti-Öffnungsverbot am Sonntag hält; zum anderen gerieten die Allzwecklädchen immer öfter zu Oasen des enthemmten Suffs. Einige Spätis, so kritisierte von Dassel, hätten lediglich eine Genehmigung für 30 Außenplätze, stellten dann aber Tische für bis zu 50 Leute auf. „Und plötzlich haben sie 100 Leute da, die Alkohol trinken und keine Toilette dahaben“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Auf die Idee, bei der Gelegenheit mal grundsätzlich das Fehlen einer Infrastruktur für öffentliche Toiletten zu bemängeln, kam er nicht.
Wo von Dassel Recht hat: Gegen dubiose Beschäftigungsverhältnisse und unzumutbare Kotz- und Lärmexzesse vor Spätis, auf den Partymeilen und überhaupt, sollte man vorgehen. Die Beispiele aus seinem Bezirk sind aber wenig überzeugend: Als Fanal der entfesselten Spätikultur nennt von Dassel ausgerechnet den Rosenthaler Platz, wo das einst roughe Nachtleben zwischen Imbissen, Hotels und hippen Foodie-Lokalen sukzessive erstickt wurde. Fielen hier noch die Späti-Gelage weg, könnte der Platz bald aussehen wie ganz Berlin, wenn sich die Blockwarte durchsetzen: brav, langweilig, bevölkert allein von Besserverdienern. Es ist auch die Wegebier- und Späti-Kultur, das Bewohnen und Befeiern der Straßen, das Berlin zu der herrlich lebendigen Stadt macht, die es ist. Dieses Stück Identität zu opfern, wäre nicht nur schade. Man macht es sich auch zu einfach, wenn man grundlegende Probleme der Stadt – etwa den ewigen Konflikt „Anwohner versus Touristen“ – auf den Schultern der Späti-besitzer und -fans ablädt.