Satire

Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters: Pastafaris unter sich

„Pastafaris“ nennen sich die Anhängerinnen und Anhänger der Kirche des Fliegendes Spaghettimonsters. Ein satirisches Projekt, das nun schon seit fast 20 Jahren die großen Weltreligionen persifliert – und dabei ganz nebenbei Bigotterie sowie politische Einflussnahme von Amtskirchen und anderen Glaubensträgern kritisiert. Im brandenburgischen Templin, einer Kleinstadt in der Uckermark, unterhält die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters eine Pilgerstätte, die von Fans immer wieder besucht wird. Wir waren zur Audienz vor Ort. Vom dortigen Oberhaupt Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus haben wir uns auch erklären lassen, warum die populäre Quatsch-Religion nun sogar zum Tourismusfaktor geworden ist

Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus posiert vor einem Fresco in der Templiner Kirche des Fliegenden Spaghetthimonsters. Foto: Jana Vollmer

Der heilige Narr, der eine große Anhängerschaft hat, empfängt in seiner Kathedrale. Vor einem Altar, drapiert mit Nudelrolle und anderen Requisiten, steht er und erzählt von der verbindenden Kraft der Pasta, vom Messbier und anderen liturgischen Themen. Bruder Spaghettus nennt sich der Blasphemiker. Mit bürgerlichen Namen: Rüdiger Weida.

Willkommen in der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters. Deren Gottheit ist auf einem Wandgemälde in psychedelischen Farben zu bewundern. Man sieht ein Nudelgeflecht, wie man es vom Bolognese-Teller im Restaurant kennt. Zwei Zyklopen-artige Augen ragen aus den Teigwaren heraus. Eine Wesenheit wie eine Comic-Figur.

Menschen, die ihr pubertäres Ich ins Erwachsenenalter gerettet haben, wissen Bescheid: Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonster ist diese Quatsch-Religion, die Glaubensbewegungen aufs Korn nimmt. Sie zielt dabei auf Ikonen sämtlicher Religionen. Ob Heilige Dreifaltigkeit, Mohammed oder Bodhisattva.

Das besagte Gotteshaus ist das deutsche Zentrum der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, einem eingetragenen Verein. Eine alte Scheune auf dem Hof von Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus, ein Typ wie ein Bär, der auf diesem Anwesen in der Peripherie von Templin mit seiner Frau wohnt. Elli Spirelli wird sie gerufen, ein kulinarisches Pseudonym, das zugleich eine Verneigung vor Udo Lindenberg ist, einem ganz und gar säkularen Leitstern. Der hat in den 70ern mal einen Song namens „Elli Pyrelli“ geschrieben.

Für den tip-Reporter gibt Bruder Spaghettus eine Audienz, um den touristischen Reiz seines Pilgerorts zu veranschaulichen, vor allem in der warmen Jahreszeit.

Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ist international vernetzt

Bruder Spaghettus ist der Guru der pseudoreligiösen Gemeinde. Und lebende Legende, als Mitbegründer und Ehrenvorsitzender der deutschen Kirche des fliegenden Spaghettimonsters, die hierzulande 2006 aus der Taufe gehoben wurde.

Die international vernetzte Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, gegründet 2005 in den USA, ist schon vor den Europäischen Gerichtshof gezogen – um offiziell als „Weltanschauungsgemeinschaft“ anerkannt zu werden. Mit derlei Aktionen will das Satire-Kollektiv den Klerus vorführen: dass nämlich die Etablierung als religiöse Gruppe in vielen Ländern unverdiente Privilegien einbringt, ob Steuervorteile oder die große Nähe zu politischen Machthabern. Nicht gerade laizistisch.

Die Wirkungsstätte in der Uckermark, zeigt, wie sich ein Ulk zum Standortfaktor für eine Region entwickelt hat. Die Kirche sorgt für interessanten Publikumsverkehr in einem Landstrich, den man vor allem deshalb kennt, weil Angela Merkel dort aufgewachsen ist. Sonst ist in Templin nüscht viel los. In Fabelsprache: Fuchs und Hase sagen sich hier „Gute Nacht“. Wäre da nicht die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters, umgeben von Feldern und gottverlassenen Wirtschaftswegen.

Das Gotteshaus der Kirche des Fliegenden Spaghetthismonsters ist eine alte Scheune. Foto: Jana Vollmer

„Der Chef vom Tourismus-Marketing Templin ist ein richtiger Fan von uns“, sagt Bruder Spaghettus, der früher als Sozialarbeiter und in anderen Berufen gearbeitet hat. Seine Kirche ist zur Destination für Ausflügler geworden.

Menschen aus mindestens 15 Ländern seien schon zu Besuch gewesen, erzählt Bruder Spaghettus. Darunter auch Glaubensbrüder und -schwestern aus der Nudel-Community. Die Leute stammten aus Zypern ebenso wie aus dem russischen Nischni Nowgorod. Vom Weltruf zeugt auch, dass die Kirche vermerkt ist im „Atlas Obscura“, einem digitalen Reiseführer für Urlauber mit skurrilen Zielen.

Berlinerinnen und Berliner auf Landpartie können sich wiederum locken lassen von den Schildern, die fast überall im Umkreis von Templin an den Straßenrändern stehen. Darauf wird die „Nudelmesse“ angekündigt, die freitags um 10 Uhr zelebriert wird.

Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters: Gerstensaft bei der Nudelmesse

Um diese Schilder schwelte lange Zeit ein Rechtsstreit. Bis zum Oktober 2021: An diesem Tag beschloss die Stadtverordnetenversammlung Templin nach politischem Hickhack, dass die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters die Verkehrszeichen aufstellen darf. Das Establishment nobilitierte die Outlaws. Auf ihrer Homepage wirbt die Stadt Templin unter der Rubrik „Kultur“ für die Kirche.

Und es ist ja auch einiges los auf deren Latifundium. Bruder Spaghettus gibt die besagte Nudelmesse, wo er das „Monster Unser“ und anderen pastoralen Nonsens predigt. Dazu kann man Gerstensaft trinken. Gekleidet ist Bruder Spaghettus, der Hohepriester, dabei in ein Piratenkostüm. „Wir sind orthodoxe Pastafaris. Für uns zählt nur das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters“,  sagt der Gastgeber.

Manchmal kommen auch Paare, um sich in der Kirche trauen zu lassen. Und Lehrer erscheinen mit ihren Schulklassen, um ihrem Unterricht religionskritische Erkenntnistiefe zu geben. So eine Exkursion ist eben plastischer als ein Screening von Monty Pythons „Das Leben des Brian“ im Klassenzimmer. Nach dem weltanschaulichen Programm weilen die Gäste oft mit Bruder Spaghettus noch ein bisschen im Garten, unter dem Geäst von Walnussbäumen – jedenfalls an Tagen mit okayen Temperaturen.

Aus verschiedenen Nudelsorten ist diese Reliquie in der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters gebildet worden. Foto: Jana Vollmer

Anderswo pilgern Reisende zu Vatikan oder Hagia Sophia, Notre Dame oder Ulmer Münster. Im nördlichen Brandenburg führen alle Wege zur Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters.

Deren Jünger, die „Pastafaris“,  gibt es auch in Italien und Österreich, in Neuseeland und anderen Ländern. Sowie natürlich in den USA, dem Ursprungsland der Mythologie. Dort hatte sich die Spaßguerilla formiert, um gegen Evangelikale zu rebellieren, die die menschliche Abstammung von Adam und Eva zur wissenschaftlichen Realität erklären wollten.

Zurück nach Templin: Im dortigen Bürgerpark verläuft seit 2020 sogar ein aufklärerischer Parcours, den die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters der öffentlichen Hand gespendet hat. Los geht dieser „Evolutionsweg“ an einem Karl-Marx-Denkmal; er endet vor einem Anwesen der evangelischen Stephanus-Stiftung. Entlang der Route erläutern Schautafeln die Genese des Homo Sapiens – ohne kreationistischen Humbug. Die perfekte Kulisse für einen erbaulichen Spaziergang im Sommer.

  • In der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters können zwischen März und Oktober immer freitags um 10 Uhr Nudelmessen besucht werden. Für Gruppen ist eine Anmeldung erforderlich. Adresse: Schulzenfelde 9, 17268 Templin, weitere Infos hier

Mehr spannende Orte in Brandenburg

Es muss nicht immer die Schwimmeinheit im Kreuzberger Prinzenbad sein oder der Wasserspaß im Plötzensee – auch in Brandenburg gibt es eine beachtliche Anzahl von stimmungsvollen Freibädern. In diesem Bundesland, das einem großen Freizeitparadies für Großstädterinnen gleicht, ist dank eines Startup sogar besonders stilvolles Glamping möglich – ein Highlight unter den touristischen Angeboten zu dieser gehoben-luxuriösen Variante von Camping-Urlaub. Auch die Dichte an Restaurants und anderen kulinarischen Angeboten kann sich sehen lassen. In der Uckermark sind dabei Hofläden empfehlenswert.

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad