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Kommentar

Abgeschnitten vom Leben: Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

Wer im Lockdown shoppen will, muss es online tun. Doch fällt die Klingel längere Zeit aus und die Paketboten und Briefträger kommen nicht ins Haus, ist es vorbei mit den Einkaufsfreuden. Plötzlich ist man vom Leben abgeschnitten. Dieses klassische „First World Problem“ kommentiert Jacek Slaski, als Betroffener: Seine Klingel ist kaputt, kein Paket kommt an.

Ob diese Klingeln noch funktionieren? Ohne Signal und Gegensprechanlage kommt kein Paket an. Foto: Imago/Marius Schwarz
Ob diese Klingelanlage noch funktioniert? Ohne Signal und Gegensprechanlage kommt kein Paket an. Foto: Imago/Marius Schwarz

Ich sitze ziemlich viel in der Wohnung herum und schaue auf den Monitor. Homeoffice heißt die schöne neue Arbeitswelt. Es ist Corona, man soll soziale Kontakte meiden, außerdem war es in den letzten Wochen immer wieder kalt, nass und grau. Ein Glück, gibt es das Internet.

Wo sollte ich sonst Geburtstagsgeschenke für die Freundin oder den Sohn kaufen? Einen Käse aus dem Biomarkt oder eine Tafel Milka-Schokolade kann man den Lieben daheim als Präsent doch nicht zumuten. Also kaufe ich Schlittschuhe, Spielzeug, Obstschalen und Spezialgerät zur Unkrautbeseitigung im Netz.

Davor ärgerte ich mich, wenn drei oder vier mal am Tag die Glocke schrillte

So wie viele Millionen Menschen in diesem Land es auch tun. Das hat keinen großen Neuigkeitswert. Und plötzlich, oh Schreck, die Klingelanlage funktioniert nicht mehr! Davor ärgerte ich mich, wenn drei oder vier mal am Tag die Glocke schrillte und dubiose Kuriere sich Eingang verschaffen wollten. Vermutlich wollten die nur Werbezettel in die Postkästen stopfen, dachte ich misstrauisch, aber was soll’s, ich drückte brav den Summer, und der Logik des Warenkonsums im 21. Jahrhundert war Genüge getan. Alles ging seinen kapitalistischen Weg.

Päckchen, Großbriefe und Pakete schwappten aus den Lieferwagen in die Wohnungen. Amerikanische Milliardäre waren wieder ein klein wenig reicher und der Endkonsument zufrieden. Shoppen rund um die Welt, ohne sich vom Sofa zu rühren. Doch ohne funktionierende Klingel sieht man sich aus dem Einkaufsparadies vertreiben. Im ganzen Gebäude schwiegen die Bimmeln. Tage, Wochen, gefühlte Ewigkeiten schon.

Dieser Kurier würde gerne einige Pakete loswerden, doch die Tür bleibt manchmal Stumm. Foto: Imago/Schöning
Dieser Kurier würde gerne einige Pakete loswerden, doch die Tür bleibt manchmal stumm. Foto: Imago/Schöning

Wie vor einer feindlichen Festung standen die Boten und Kuriere am Portal und zogen enttäuscht fort. Niemand öffnete, nicht einmal die Benachrichtigung konnte ordnungsgemäß im hauseigenen Briefkasten hinterlassen werden. Außen an die Türe geklebt, flogen die Zettel vermutlich mit Wind und Wetter davon oder wurden von stumpf dreinblickenden Fieslingen abgerupft und im Matsch zertreten. Frechheit. Manche Firmen verschicken die Benachrichtigungen über den Verbleib der Sendung via E-Mail, doch seltsamerweise verstummte in letzter Zeit auch dieser Kommunikationsweg.

Keine Klingel, keine Pakete, kein Konsum

Keine Klingel, kein Konsum. Das Kind muss vertröstet werden, nächstes Jahr ist schließlich wieder Geburtstag, der Freundin wird ein Bild der bestellten und nicht gelieferten Obstschale gezeigt und das schon bald dringend benötigte Durchwurfsieb (googelt mal, was das ist!), wurde angeblich zweimal ausgeliefert und ging zweimal an den Absender zurück. Da freut sich das Unkraut. Ich ärgere mich.

Aber aller guten Dinge sind bekanntlich drei, und vielleicht hänge ich demnächst eine Schnur aus dem Fenster, an deren Ende eine Kuhglocke hängt. Da kann der Bote dann bei Bedarf ziehen, und ich rausche hinunter und nehme die ersehnte Ware höchstselbst entgegen. Analog ist besser.


In Berlin kann man auch sehr gut analog shoppen

Hier gibt es alles für Fans der asiatischen Küche: 12 Asia-Märkte in Berlin. Hier kann man vegan einkaufen: Die besten Läden für tierfreie Mode. Ihr braucht neue Unterwäsche? 12 Berliner Läden und Labels für Dessous. Und das Projekt „Kornwerk“ stellt Hafermilch aus alten Getreidesorten in Brandenburg her – und das auch noch mittels solidarischer Landwirtschaft.

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