Berlin ist laut, manchmal so laut, dass der Lärm einen fast wahnsinnig macht. Aber manchmal, da gibt die Stadt gute Geräusche von sich, findet unsere Autorin. Geräusche, die einen entspannten Sonntagnachmittag in der Wohnung noch wohliger machen, solche, die einen an die Kindheit erinnern oder die dafür sorgen, dass man gut gelaunt in den Tag startet.
Lärm erlebt man dauernd in Berlin, echte Stille selten
Berlin ist ein Moshpit der Geräusche. Sirenen überlagern den Lärm von anfahrenden Autos und scheppernden leeren LKW, die über Straßenbahnschienen rumpeln. Dumpfe Bässe aus tiefer gelegten Limousinen vermischen sich mit dem empörten Geschrei von Kleinkindern, die nach Eis oder Aufmerksamkeit verlangen. Straßenputzmaschinen schrubben geräuschvoll den Asphalt, während sie von mit Soundsystem ausstaffierten Lastenrädern überholt werden. Selbst die BVG spielt gerade in ausgewählten U-Bahnhöfen probeweise Musik. Der Geräuschpegel kann so stressig sein, dass Menschen krank davon werden.
Sogar in den Wohnungen ist es extrem selten wirklich still, ob Altbau oder Platte. In den meisten Fällen ist das einfach nur anstrengend, zum Beispiel, wenn die Nachbar:innen oben scheinbar Möbel rücken oder mit Highheels durch die Wohnung laufen – nachts um 12 Uhr. Oder wenn sie ihr Handy auf dem Boden neben dem Bett platzieren, der Wecker mit Vibrationsalarm morgens um 5 Uhr klingelt, das Ganze sich anhört, als würde das Handy irgendwo im eigenen Bett versteckt liegen und der Mensch mit Frühschicht obendrein gerne den Snooze-Knopf drückt.
Es kann auch bedrückend sein, zum Beispiel wenn einen die Vermutung beschleicht, dass in der Nachbarwohnung jemandem Gewalt angetan wird. Oder schmerzlich, wenn es einen selbst nach Intimität verlangt und die Nachbar:innen nebenan geräuschvoll Sex haben.
Geräusche können auch wohltuend sein
Manchmal aber, da sind die Geräusche der Nachbar:innen wohltuend, meistens wenn sie Musik hören. Wenn von oben Musik dringt, gute Musik, nicht alles davon, nicht jede Frequenz des elektronischen Lieds, nicht jede gezupfte Saite der Komposition, nein, aber doch so viel, dass in der eigenen Wohnung die Grundstimmung ankommt. Von einem Sonntagnachmittag im Frühling, an dem Jazz im sonnigen Wohnzimmer läuft, während die Pflanzen auf der Fensterbank Schatten an die Wand werfen. Von einem Samstagmorgen, an dem die Küche nach Kaffee und frischen Brötchen riecht und Jimmy Cliffs „I can see clearly now“ im Radio kommt. Ob die Menschen in den Wohnungen nebenan und oben drüber ahnen, dass sie einem gerade etwas Gutes tun?
Oder der Sound des Hinterhofs: An manchen Sommerabenden atmen Berlins Hinterhöfe eine Stimmung, die von den Erlebnissen des Tages und manchmal von den Erwartungen an die Nacht erzählt. Dann dringt der Geruch von Zwiebeln in heißem Olivenöl nach draußen und das Klappern von Töpfen und Pfannen, das Lachen von Kindern, die heute vielleicht den Tag im Schwimmbad verbracht haben.
Auch das ist der Lärm der Großstadt, aber der gute, der einem ein Stück Geborgenheit gibt. Vielleicht, weil der Gedanke schön ist, dass da ein paar Meter über einem jemand auf dem Sofa sitzt, ein Buch in der Hand oder einfach so, und Musik hört. Vielleicht, weil einen die Kochgeräusche an Abende aus der eigenen Kindheit erinnern, als man noch nicht selbst kochen musste, aber es trotzdem etwas Leckeres zu Abend gab.
Die Geräusche, die auf dem Land fehlen
Es heißt ja immer, die Großstadt sei anonym, viel zu anonym, sagen manche, sodass man leicht einsam wird. Aber einsam kann man auch auf dem Land oder am Stadtrand in einem Einfamilienhaus werden. Dort kann man sich dann aber nicht mit dem Töpfeklappern der Nachbar:innen trösten. Dort dringt, wenn überhaupt, höchst selten mal Musik von nebenan herüber.
Deswegen ist dies ein Plädoyer für mehr Geräusche des Lebens in den Wohnungen und den Hinterhöfen. Klappert abends mit Tellern und Töpfen, lacht am offenen Fenster, hört am Sonntag euer Lieblingsalbum. Denn das ist der gute Lärm der Großstadt, der einen schönen Abend noch schöner machen kann.
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