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Berliner Kieze

Der Lietzensee in Charlottenburg: Architektur, Marzipan und Suppen

Der Kiez rund rum den Lietzensee in Berlin-Charlottenburg hat einiges zu bieten: eine großzügige Grünanlage, gutes Essen und zahlreiche Gelegenheiten zum entspannten Shoppen. Wir geben euch einen Überblick über die Geschichte des Kiezes, seine Veränderung und empfehlen die schönsten Restaurants und Geschäfte.

Lietzensee: Der Park der Reichen und Mächtigen. Und aller anderen?

Der grüne Fleck inmitten der Stadt zieht sozial stärkere wie schwächere auch mit seiner bezaubernden Aussicht an. Foto: imago/Schöning

Die Grünanlage des Lietzensees ist ein Ort der sozialen Vermischung. Wo sonst begegnen sich joggende Tagesschausprecher und Obdachlose, Generalsekretäre und gesellschaftlich Abgehängte in einer solchen Häufigkeit, wie hier?  Lange Zeit selbst von den Berlinern vergessen, avancierte der Lietzensee in den letzten Jahren zur absoluten Top-Gegend, deren Nennung reicht, damit Immobilienmakler an ihren neuen Porsche denken. Wohlhabende aus aller Welt shoppen sich hier gerne mal eine Ferienwohnung und haben es im Zweifelsfall nicht mal nötig, sie bei Abwesenheit auf Airbnb zu vermieten. Noch sind sie hier nicht allein und müssen den Anblick all derer ertragen, die mit Sportwägen, Champagnerabenden und Luxus-Ledertaschen im Aldi-Design nichts am Hut haben. Aber wie lange noch?


Selbstgemachte Suppen im Café Brot und Schokolade

Das kleine Café am Lietzensee erfreut sich in der Nachbarschaft größter Beliebtheit. Foto: Benedikt Kendler

Das Motto des Cafés am Lietzensee lautet „Selbstgemacht schmeckt’s am Besten“, und davon kann man sich im „Brot und Schokolade“ leicht selbst überzeugen. Die Suppen und Eintöpfe, die hier serviert werden, sind so beliebt, dass man sich schon unbedingt im Vorfeld eine reservieren sollte. Ehrlich. Denn bereits am frühen Mittag kommen viele Anwohner und holen ihr schmackhaftes Süpplein, zumeist mit eigenem Gefäß. Alternativ kann aber auch im Café oder auf bequemen Stühlen davor gespeist werden. Wer keine Suppe mehr abkriegt, muss aber nicht gleich verhungern: Es wird täglich gebacken, so dass zumeist auch Kuchen, Quiches und Cookies zur Auswahl stehen. Besonders zu empfehlen ist der Rüblikuchen. Es wird schwer sein, in Berlin einen besseren zu finden.

  • Brot und Schokolade, Steifensandstraße 7, Charlottenburg, Tel. 0178 236 58 05, Mo-Fr 9.30-17Uhr, So 14-17 Uhr, hier geht es zur Homepage

Das Lilo Berlin – Schönes für Zuhause

Im Lilo Berlin gibt es alles, was es für ein gemütliches Zuhause braucht. Foto: Benedikt Kendler

Der Name des verwinkelten Geschäfts für Einrichtungsgegenstände aller Art ist ein Akronym des bekannten Song „love is like oxygen“ der britischen Rockband Sweet und spiegelt auch das Motto des unweit des Lietzensees gelegenen Ladens wieder. Denn das gesamte Sortiment des inzwischen seit über zehn Jahre bestehenden Geschäfts wurde von der engagierten Besitzerin mit viel Liebe und einem guten Auge kuratiert. Dabei achtet sie besonders auf eine hohe Wertigkeit der Materialen, faire Produktionswege und ein möglichst hohes Maß an Nachhaltigkeit.

Zu kaufen gibt’s hier so ziemlich alles, was den eigenen Wohnraum schöner und lebenswerter macht. Neben Möbelstücken wie Lampen, Kleinmöbel oder Tischen gibt es im Lilo Berlin auch Kissen, Vasen, Gläser, Korbwaren und noch einiges mehr. Sprich: Alles, was es braucht, um das eigene Zuhause noch lebenswerter zu machen. Sogar ausgewählte, besonders stillechte Kleidungsstücke sind zu erwerben. In dem sympathischen Geschäft lässt es sich wunderbar stöbern und dabei mit Sicherheit immer etwas Außergewöhnliches oder Langersehntes für die eigenen vier Wände finden.


Die Schillerwiese am Lietzensee – der Anlaufpunkt für Jung & Alt

Auf der Schillerwiese am Lietzensee versammelt sich Jung & Alt genauso wie Arm & Reich. Foto: Benedikt Kendler

Die Hauptliegefläche am Lietzensee könnte auch gut Chillerwiese heißen, denn der lieblich, süße Duft, der sich nicht nur an warmen Sommerabendenden auf der Schillerwiese ausbreitet, gehört eigentlich schon zum Ambiente dazu. Den namensgebenden Nationaldichter hätte der zwar wahrscheinlich ein wenig irritiert, berauschte er sich den Legenden nach doch lieber an verfaulten Äpfeln, aber am Lietzensee ist Schiller ohnehin schon länger nicht mehr präsent. Die namensgebende Schillerstatur des Bildhauers Reinhold Begas stand nämlich nur zwischen 1952 und 1986 auf der großen Wiese am Lietzensee. Eigentlich ist sie Teil eines ganzen Denkmals, die dazugehörigen allegorischen Figuren standen zu Zeiten der Teilung aber in Ost-Berlin, sodass sie erst 1986 durch ein Abkommen zum Kulturaustausch wieder zusammengeführt werden konnten.

Die Wiese aber behielt ihren Namen bis heute und ist der Treffpunkt für so ziemlich alle: Jugendliche, Familien, Picknicker, Hobby-DJs, Slackline-Poser und Druffis. Manche davon können auch mal ein wenig anstrengend sein – wir stellen euch hier die 12 nervigsten Typen vor, die in Berliner-Parks anzutreffen sind –, aber im Großen und Ganzen ist die Stimmung auf der Schillerweise zumeist entspannt und gut. Und auch für Genossen ist die Wiese ein gut Anlaufpunkt – die SPD Charlottenburg-Wilmersdorf veranstaltete hier ihr jährliches Lietzenseefest.

  • Schillerwiese, Kaiserdamm / Ecke Witzlebenplatz, Charlottenburg

Wald Königsberger Marzipan

Hier gibt es wirklich nur Marzipan. Foto: Wald Königsberger Marzipan

Bereits seit 1947 wird in dem auf Königsberger Marzipan spezialisierten Geschäft in der Pestalozzistraße die der Köstlichkeit zugrunde liegende Mandelmasse in mühevoller Handarbeit hergestellt. „Industriell würde man das nie hinbekommen“, sagte Ralf Bentlin, der Besitzer in 3.Generation, bereits 2011 dem tipBerlin. Das Geschäft selbst wirkt ein wenig antiquiert – im besten Sinne des Wortes. In den zahlreichen Glasvitrinen sind die einzelnen Konfekte zu bestaunen, auch in Geschenkboxen verpackt.

  • Wald Königsberger Marzipan, Pestalozzistraße 54a, Charlottenburg, Tel. 323 82 54, Mo–Fr 10–18.30 Uhr, Sa 10–15.30 Uhr, hier geht es zur Homepage

Bootshaus Stella am Lietzensee

Das Bootshaus Stella besticht durch seine idyllische Lage. Foto: Benedikt Kendler

Mit wunderbarem Blick auf den See sitzt man im Biergarten des Bootshauses Stella. Hier gibt es Pizza, Eis und gut gekühlte Getränke zu stolzen Preisen. Auf der idyllischen Terrasse könnte man schnell vergessen, dass man sich inmitten von Berlin befindet, würde der Funkturm nicht hinter dem Lietzensee am Horizont emporsteigen. Gerade am Abend ein bezaubernder Anblick, wenn sich die Lichter im Wasser spiegeln.

Dank der Selbstbedienung im Biergarten muss sich auch niemand über einen zu langsamen Service ärgern, wenn er durstig in das Bootshaus eingekehrt. Bei schlechtem Wetter kann man natürlich auch im Warmen bei Heißgetränken sitzen. Das Bootshaus Stella ist sicherlich nicht die kulinarisch anspruchsvollste Gaststätte am Lietzensee, aber die mit dem schönsten Blick.


Luxuswohnungen im ehemaligen NS-Reichskriegsgericht

Ehemaliges NS-Reichskriegsgericht.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden hier 1.400 Menschen zum Tode verurteilt. Nun befinden sich Luxuswohnung in dem Gebäude. Foto: Benedikt Kendler

In dem zwischen 1909-1910 im Still des Neobarocks erbauten Haus, waren schon viele unterschiedliche Gerichte untergebracht, so zum Beispiel das Reichsmilitärgericht (1910-1920) oder das Kartellgericht (1923-1938/39). Zwischen 1936 und 1943 war es der Sitz des  Reichkriegsgerichts, des höchsten Gerichtshofs der NS-Wehrmachtsjustiz, dessen Zuständigkeitsgebiet sich über Wehrdienstverweigerung, Hoch- und Landesverrat bis hin zu Spionage erstreckte. Allein während des Zweiten Weltkrieges verurteilte das Reichskriegsgericht am Lietzensee mehr als 1.400 Menschen zum Tode.

Nachdem das Haus nach dem Weltkrieg noch einige Zeit als Dienstsitz des Kammergerichts fungierte, stand es ab 1997 leer. Bald erstand ein niederländischer Privatinvestor das Gebäude, der es zu einem Mietwohnkomplex umbaute. So entstanden rund 100 luxuriöse Mietwohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 80 bis 100qm, für die besonders zahlungskräftigen (Neu-)Berliner. Würde sich der Schrecken dieses Gebäudes gleichmäßig verteilen, wären das 14 Todesurteile pro Mietwohnung.


Brot & Brötchen bei Fräulein Lietz

Der Kiosk und Bäckerei Fräulein Lietz am Lietzensee.
Fräulein Lietz ist Kiosk & Bäckerei in einem. Foto: Benedikt Kendler

Früher nur ein einfacher Kiosk, hat Fräulein Lietz sein Angebot in letzter Zeit stark erweitert. Nämlich um eine Bäckerei. Seitdem gibt es hier leckeres Brot, Brötchen und auch Kuchen, den man mitnehmen, aber auch vor Ort genießen kann. Dazu lässt es sich hier gut Kaffee trinken, der mit Gebräu an anderen Berliner Spätis wenig zu tun hat. Kippen gibt’s hier aber natürlich immer noch.

  • Fräulein Lietz, Steifensandstraße 4, Charlottenburg, Mo-Fr 7-18:30, Sa 8-14 Uhr, So 8-16 Uhr

Die St. Canisius Kirche – Gottes architektonische Aushängeschild

Die St. Canisius Kirche am Lietzensee. Foto: Jacek Slaski

Die St. Canisius Kirche in der Witzlebenstraße ist ein wahrer Hingucker, und überhaupt erst auf dem zweiten Blick als Gotteshaus erkenntlich. Zwischen 2000 und 2002 erbaut, hebt sich der helle Sichtbeton-Bau erfrischen von sonstiger Kirchenarchitektur ab und setzt eigene Akzente. Kein Wunder, dass die verantwortlichen Architekten Heike Büttner, Claus Neumann und George Braun für ihre Pläne 2003 den Architekturpreis Berlin gewannen. Die Kirche besteht vornehmlich aus zwei markanten Kuben, von  denen einer geschlossen ist und als Kirchenraum dient, während er andere offenbleibt und den Betrachter Durchblick bietet. Neben Gottesdienten und Predigten finden auch immer wieder klassische Konzerte in dem modernen Gotteshaus statt.

  • Pfarrei St. Canisius, Witzlebenstr. 30, Charlottenburg

Süddeutsche Wirtshausküche im Engelbecken  

Das Engelbecken in der Nähe des Lietzensees,
Das Engelbecken ist für seine leckere Küche weit über Charlottenburg hinaus bekannt. Foto: Nora Abdulrahman

Das Engelbecken serviert bereits seit über 20 Jahren hochwertige Gerichte der (süd-)deutschen Wirtshausküche. An warmen Sommerabenden lässt es sich hier auch gut an den auf dem Gehweg aufgestellten Tischen speisen und dabei die zum Lietzensee ziehenden Jugendlichen bei einem Wiener Schnitzel oder Krustenbraten beobachten. Aber auch Vegetarier und Veganer werden auf der gut sortierten Karte fündig. Das Engelbecken setzt auf regionalem und ökologischem Anbau und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, alles andere wäre im ökobewussten Kiez wohl auch kaum vermittelbar. 

  • Engelbecken, Witzlebenstraße 31, Charlottenburg, Tel. 030/615 28 10, Mo-Fr 17-23 Uhr, Sa, 16-23 Uhr, So, 12-23 Uhr, hier geht es zur Homepage

Bei der Schankwirtschaft gibt es Semmeln auf die Hand

Die Schankwirtschaft in der Nähe des Lietzensees.
Hier lässt es sich auch Tagsüber gut sitzen. Foto: Nora Abdulrahman

Direkt an das Engelbecken grenzt seit einiger Zeit die Schankwirtschaft an, das von denselben Besitzern betrieben wird. Hier gibt es neben Getränken auch schon was zu essen, wenn das Engelbecken noch geschlossen ist. Ansonsten erfreuen sich auch die Semmeln großer Beliebtheit, die es in verschiedenen Varianten direkt auf die Hand gibt. Die lässt es sich dann zum Beispiel super am Lietzensee verspeisen.

  • Schankwirtschaft, Witzlebenstr. 31, Charlottenburg, Tel. 030/615 28 10 Mo-So 12-22 Uhr, Mittagstisch immer Mo-Sa 12-14Uhr

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