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Moschus

Männertypen, die es in Berlin nicht leicht haben

„It’s a Man’s World“, ausgenommen Berlin. Männer haben’s in der Hauptstadt nicht leicht, jedenfalls nicht die Speerspitze der Moschuskrieger, die Mann-Männer, die Sigma-Männer – oder Alpha. Ebensolche, die Charakteren griechische Buchstaben zuordnen. Mit ihren Argumenten stoßen sie vor allem in Ecken wie dem Bergmann-, Schiller- und Wrangelkiez auf Unverständnis. Und weil sie sich, trotz vieler ideologischer Parallelen, eben doch ein wenig unterscheiden, stellen wir hier ein paar Männertypen vor, die es in Berlin schwer haben.


Die SUV-Fahrer

Für ’nen SUV hat’s gereicht, für ’nen Haarschnitt nicht. Foto: Imago/YAY Images

Es ist verrückt, das Bedürfnis einiger Männer, einen SUV zu besitzen. Sie wissen nicht, warum oder was SUV überhaupt bedeutet. Sie wollen ihn einfach. Vielleicht liegt’s am Proteinpulver, das die Händler mutmaßlich gratis zum Fahrzeug beisteuern. Es könnte aber auch die Größe sein, der Platz, die Beinfreiheit. Auf dem Land mag das praktisch sein, zum Beispiel für erlegtes Wild, Männer sind Jäger (Ahu!). In Berlin aber nicht, die Parkplatzsuche oder das Durchfahren enger Gassen ist mäßig unterhaltsam. Dann drückt auch noch das Benzin-Binge-Drinking des SUV aufs Portmonee. Das Schlimmste sind jedoch die täglichen Botschaften, die Großstadtbewohner:innen gern auf diversen SUV hinterlassen, etwa „Umweltsau“ auf der staubigen Rückscheibe. Mensch! Dabei wollte der SUV-Fahrer doch nur ein großes Auto! Wer denkt da an Feinstaub- und CO2-Emissionen?


Die Flirtcoaches

„Hey, ich hab dich hier gerade gesehen und wollte dich ansprechen. Ich? Nein, so lange stehe ich noch nicht hier.“ Ganz zufällig begegnet. Foto: Imago/Westend61

„Willst du eine Freundin – oder Bettgeschichten schreiben? Dann meld dich. Vertrau mir, ich kenn mich aus, war selbst mal liiert. Hat nicht geklappt, lag an ihr. Heute leb ich mich aus – und das kannst du auch.“ Noch immer haben derlei Angebote vielerorts Konjunktur. Flirtcoaches kämpfen für etwas, das allen zusteht, Liebe Sex Geld.

Ihr Geschäftsmodell reduziert Menschen auf programmierbare Maschinen, erklärt Sex außerdem zum Grundrecht, kurz: Ihr Wertekompass zeigt Richtung Epstein. Dass sie mit ihrem Job vielerorts so gar nicht gut ankommen, damit müssen Flirtcoaches leben. Andererseits könnte sie der Reality Check zur Verhaltenstherapie bringen. Gerade sie (und ihre Klienten) hätten eine Neuprogrammierung bitter nötig.


Die Finanzgurus

Was für ein vertrauenerweckendes Gesicht. Foto: Imago/Maskot

Sie sind die Vorkämpfer des Kapitalismus, der Schlüssel zur finanziellen Unabhängigkeit, die Finanzgurus. Ihre Programme versprechen Porsche und Patek (Keine Rolex, die sind der VW unter den Luxusuhren). Geld ist männlich, viel Geld ist viel männlich. Logisch. Stimmt der Finanzfluss, klappt es auch auf allen anderen Ebenen. Liebe, Familie, Psyche, alles kittbar durch eine kleine Überweisung an die peak-männlichen Reichmacher. Klein ist relativ, aber passt schon.

Und bleibt der Erfolg aus, liegt die Schuld nicht am Programm, sondern an mangelnder Willensstärke. Führen sie übrigens auf jede Form des Scheiterns zurück. Ihre Ansichten könnten sie ja mal entlang des 17. Autobahnabschnitts der A100 propagieren. Vielleicht auch unter jenen Menschen, die Mieterhöhungen aus ihren Wohnung drängten, und die aufgrund ihres Aussehens und Namens anschließend keine neue bekommen, nur ein Beispiel. Zwangsräumungen gefallen uns prinzipiell nicht – außer es geht um die Luftschlösser dubioser Finanzgurus


Die Grillmeister

„Pack Gemüse auf meinen Grill und ich jag dir meine Gabel ins Auge.“ Foto: Imago/Westend61

Sie packen bei Temperaturen über null Grad Celsius die Kohlen aus, decken sich mit Nackensteaks ein und finden Betriebe wie Tönnies „gar nicht soo schlimm“. Fleisch ist für sie ein Grundrecht, entsprechend bezahlbar sollte es bleiben. Diskussionen über Billigfleisch, ein Resultat wesensverachtender Haltebedingungen und strukturelle Probleme in der Industrie, stoßen sie von sich. Mit viel Muskelkraft, Proteinen sei Dank. In ihrer Gartenlaube kommt das vielleicht gut an, in Berlins In-Bezirken nicht. Da dürfte ihnen bei der schieren Überzahl gewichtiger Argumente die Luft ausgehen.


Die Veggieächter

Fleisch ist männlich, Löwenmähnen sind männlich, tolles Bild! Foto: Imago/blickwinkel

In einem Venn-Diagramm dürfte es zwischen dem Veggieächter und dem Grillmeister eine Überschneidung geben. Nur steht ersterer nicht zwangsläufig am Grill. Dennoch: Beide lassen es nicht zu, dass die heimische Kochstelle mit Soja-Fleischersatz-Gedöns ökofiziert, sie dadurch gar entmannt wird. Logisch, Veggieschnitzel machen Grillzangen zu Kastrationsmessern. Meist starten sie Diskussionen über Fleisch als Lebensnotwendigkeit, kämpfen für den Konsum, fordern Andersessende heraus. Häufig sind’s (für sie) einseitige Geschichten. Für Veggieächter bedeutet Konsens Zustimmung. Im Friedrichshainer Gemeinschaftsgärten dürften sie entsprechend verdattert zurückbleiben, wenn sie ihre Ansichten predigen. In solchen Momenten eignen sich ihre Gesichter als Werbefläche für saure Drops, so verkniffen wie sie sind.


Die Jäger-Typen

Der Jäger ist eine Metapher. Foto: Imago/Frank Sorge

Diese Leute sind das menschgewordene Werbeversprechen der Gurus und Coaches. Häufig treten sie als Investoren auf, verdrängen ganze Kulturinstitutionen, weil sie eben die Grundstücke wollen. Noch schlimmer: bei sexuellem Interesse neigen sie zur Übergriffigkeit. Ihr Weltbild unterteilt sich in Jäger und Sammler. Die vergangenen Jahrtausende und mit ihnen aller gesellschaftlicher Fortschritt sind an ihnen vorbeigezogen. Sie können in Berlin überleben, klar, von ihnen gibt es hier einige. Ein falscher Schritt könnte sie jedoch aus ihrem schrägen Selbstverständnis herausbefördern.


Die Allwissenden

Er weiß einfach alles, immerhin ist er ein Mann. Foto: Imago/United Archives

Sie können alles erklären, alle belehren. Sie sind Universalgelehrte, Tausendsassa, Genies. Immerzu haben sie eine Meinung, können sie sogar belegen. Nicht faktisch, mehr mit Überzeugungskraft, also indem sie darauf bestehen, dass die Person gegenüber Unrecht hat. Wer widerspricht, wird in einem Redeschwall ertränkt. In einer pluralistischen Gesellschaft wie sie in Berlin besteht, zwingt sie das in ein einsames Leben.


Die Mann-Männer

Merz riecht nicht nach Bockbier, vermutlich eher nach Seife. Mann-Mann ist er trotzdem. Foto: Imago/Chromorange

Sie sind die Verteidiger des Maskulinen, im Grunde eine Kombination aller genannten Typen. Sie lieben Fleisch, Autos und Fußball, solange dieser von Männern gespielt wird. Ansonsten hassen sie ihn wie Gemüse und Fahrräder. Sie riechen nach Schweiß und Bockbier, ihre Stimmung ist meist grummelig. Hygiene und Gefühle sind eben nicht maskulin. Mehr Geschlecht als Charakter. Mann-Männer pochen darauf, dass früher alles besser war, besonders wenn’s um Gleichberechtigung geht. Sie sind die Bremsblöcke für Fortschritt, ihre Einstellung passt entsprechend nicht zu Berlin, eigentlich nirgends hin. Höchstens aufs Abstellgleis.


Die Jammerlappen

Kleines Bild zur Beruhigung. Foto: Imago/Shotshop

Wer diesen linksgrünversifften Text als Affront sieht, sich ärgert, wütend unter Tränen Kommentare auf Facebook schreibt, weiß genau, wem dieser Punkt gewidmet ist. Diese Leute nehmen sich schlicht zu ernst.


Mehr zum Thema

Viele Männer kämpfen gegen jeden Fortschritt, sehen sich dabei als Widerstand. Tolle Rebellen. Wirkliche Rebellen sind hingegen Pussy Riot, wie unser Autor Lennart Koch schreibt. Übrigens: Es gibt Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt, etwa kostenlose öffentliche Pissoirs für Frauen. Könnte es bald geben und mit ihnen ein gerechteres Toiletten-Zeitalter in Berlin. Was Berlin noch so bewegt, erfahrt ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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