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Ökologie

Mayda-Blumenfarm: Schöne Blumen vom Friedhof

Imke und Reuben Glaser züchten Bioblumen auf einem Friedhof in Berlin-Pankow. Und zwar so naturnah, dass sie nicht einmal die Erde umgraben. Mayda heißt ihre Farm. Die maximal biologisch angebauten Blumen kann man sich liefern lassen – oder selbst pflücken kommen. Unsere Autorin Laura François hat die Farm besucht.

Imke Glaser spricht auch mit ihren Bioblumen. Foto: Laura François

Mayda: Berliner Bioblumen-Botschafter

Imke Glaser, 32, geht durch Beetreihen und prüft zärtlich verschiedene Blüten. Einige schneidet sie ab und gestaltet daraus einen Strauß. Ihr Tun wirkt fast wie eine Meditation. Ihr Mann, Reuben Glaser, 47, schaufelt derweil Kompost. Imke und Reuben Glaser bewirtschaften seit August 2020 ein Stück Land auf dem Zionsfriedhof in Pankow, mit der Tram aus dem Stadtzentrum erreichbar. Mayda heißt ihre Bioblumenfarm.

Die Schnittblumen, die wir kennen, sind für die Umwelt katastrophal. Sie kommen oft per Flugzeug aus weit entfernten Ländern, Rosen zum Beispiel aus Kenia, Nelken aus Kolumbien. Vor Ort verbraucht ihr Anbau enorme Wassermengen, bei Rosen vier Liter pro Blüte. Blumen aus Europa werden meist in beheizten Gewächshäusern angebaut. Dazu kommen Umweltschäden durch die Nutzung von synthetischen Düngern und Pestiziden.

Die Blumen von Mayda kommen hingegen ohne synthetische Zusätze aus und werden regional produziert. Mayda verzichtet auf genmanipuliertes Saatgut und arbeitet in einer Kreislaufwirtschaft. Imke und Reuben Glaser haben die Slowflower-Bewegung mitgegründet, in der sich inzwischen 70 ähnlich angelegte Bioblumenzuchten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vernetzen. Neben Mayda gibt es mit Marsano noch eine weitere in Berlin.

Berliner Bioblumen: von der Dachterasse auf den Friedhof

Die Idee zu der Bioblumenfarm kam Imke und Reuben Glaser, als sie 2018 Amerika besuchten. Imke stammt aus Norddeutschland, Reuben aus dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Während einem der jährlichen Besuche bei seinen Eltern entdeckten die beiden eine Blumenfarm der Amish, einer christlichen Glaubensgemeinschaft, die weitgehend ohne moderne Technik auskommt.

Als sie das erste Gewächshaus betraten, waren die beiden spontan verführt, eine Bioblumenfarm in Berlin zu gründen. „Es war, als wären uns Schuppen von den Augen gefallen, wir wussten sofort, wir wollen das auch machen“, sagt Imke.

Zurück in Europa begannen sie, ihre ersten Blumen auf ihrer Dachterrasse zu ziehen, in fünf Palettenbeeten, einigen Töpfen und verschiedenen Kisten. Obwohl die Zuchtfläche noch sehr klein war, benutzten sie bereits Tröpfchenbewässerung, bei der Rohre im Beet beständig kleine Mengen Wasser abgeben.

Die Bioblumenbauern Imke und Reuben Glaser. Sie haben Mayda gegründet. Foto: Laura François

Einmal monatlich verkauften Imke und Reuben Glaser die Früchte ihrer Arbeit auf dem Markt. In ihrer Küche installierten sie einen kleinen Extrakühlschrank, um die Blumen bis zum Verkauf frisch zu halten. Zahlreiche Experimente und Lernerfolge mit den Blumen, wie auch der direkte Kontakt zu den Kunden, stärkten ihr Bedürfnis, ein größeres Areal zu kultivieren. „Wir pflanzten jede mögliche Blume. Während des Sommers war es immer eine Herausforderung durch den Dschungel aus Blumen zu navigieren“, sagt Imke.

Nach einer langen Suche fanden Imke und Reuben ihr erstes Stück Land mit dem evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, der sie enthusiastisch begrüßte. So kamen sie zu 1.200 Quadratmetern Land auf dem Zionsfriedhof in Pankow. Ihre Farm steht, hinter einer alten Kapelle verborgen, auf einer Ecke des Friedhofs, in der nie Gräber angelegt wurden. Die ganze Gegend ist sehr ruhig. Die größte Herausforderung des Geländes sind die Schatten, die von den Bäumen des Friedhofs geworfen werden.

„Wir haben das Anbaugebiet mit einem Lattenzaun umzäunt und uns viele Gedanken über die Anordnung der Beete gemacht. Einerseits wollten wir so viel Raum für die Pflanzen wie möglich schaffen, auf der anderen Seite war es für uns wichtig, die Ästhetik im Blick zu behalten und den Friedhof zu respektieren“, sagt Imke.

Bioblumen-Kreislaufwirtschaft (mit glücklichen Würmern)

Zunächst war das Land ein unscheinbares Feld, wie eine leere Leinwand. Nur ein gigantischer toter Baum stand in der Mitte, drumherum lag Gras mit Steinen darunter. Den Baum mussten sie aus Sicherheitsgründen entfernen, sonst haben sie den Boden gelassen, wie er ist. Sie pflügen nicht, sie graben nicht um. Sie betrachten den Boden als lebendes System. Deshalb haben sie dort, wo sie Blumen pflanzen wollen, den Boden mit Pappe ausgelegt und Kompost darauf verteilt. Es dauerte einige Monate, alles vorzubereiten, damit sie die ersten Samen säen konnten.

„Es braucht viel Planung und wir werden jedes Jahr besser darin. Anstatt die Erde jedes Jahr umzuwälzen, versuchen wir, etwas aufzubauen, das wie ein Kreislauf funktioniert“, sagt Reuben.

„No-Dig“ oder auch „No-Till“ nennt sich ihre Methode, bei der die Erde in Ruhe gelassen wird, regelmäßig gestärkt wird und nicht ausgelaugt. Ein unglaublich aktives Netzwerk liegt unter der Erdoberfläche: Pilze, Bakterien, Würmer. Dieses ganze System wird durcheinandergebracht oder zerstört, wenn die Erde umgegraben oder gepflügt wird. Die Motivation für die Art des Anbaus, die Imke und Reuben Glaser betreiben, ist, die Erde leben zu lassen und das funktionierende Netzwerk der Mikroben zu nutzen.

Bioblumenstrauß von Mayda: mit Liebe kreiert. Foto: Laura François

Imke und Reuben Glaser verwenden keine chemischen Dünger, sie verlassen sich auf naturnahe Anbaumethoden, die auf den Prinzipien des Koreaners Hankyo Cho beruhen und bei denen sie Pflanzenschutzmittel aus natürlichen Produkten gewinnen. Aller Abfall geht direkt zurück in die Erde. 

„Es ist nur eine kleine Farm, aber es ist auch etwas, das jetzt passieren muss. In weit größerem Maßstab. Im Hinblick auf Kosten und Umweltauswirkungen ist diese Methode sehr nützlich. Wir versuchen in Harmonie mit der Natur zu leben und keine Chemikalien zu benutzen. Unsere Kinder können mit uns hier auf der Farm sein“, sagt Reuben. Ihre Kinder sind zwei und sechs Jahre alt.

Wenn es ans Pflanzen geht, verteilen Imke und Reuben Glaser die Sprossen auf dem Grund, bedecken sie dann mit Kompost und toten Blättern oder Holzschnitzeln. Wenn in einem Beet gerade keine Blumen wachsen, wird es mit irgendetwas bepflanzt, damit die Erde geschützt ist. Das hält die Mikroorganismen aktiv, mobilisiert düngende Elemente, begünstigt den Wassereintrag im Frühjahr und lockert die Erde. Wenn diese pflanzliche Zwischennutzung abgeschnitten wird, bleibt sie auf der Erde liegen, so wird Biomasse produziert, ein Nährstoffgeber für die Erde. Jede Pflanze kann unterschiedliche Rollen haben. Einige extrahieren Stickstoff aus der Luft, einige unterdrücken Unkräuter, einige sind einfach gut für Bienen.

Bioblumen zum Selberpflücken

Imke macht aus den Blumen, die sie gezüchtet haben, Sträuße für Hochzeiten oder Jahrestage auf Bestellung. Man kann bei ihnen sogar ein Blumenabo buchen, bei dem zweimal wöchentlich saisonal wechselnde Sträuße geliefert werden. Wer vorher einen Termin ausmacht, kann auch direkt zur Farm kommen und sich seinen Strauß selbst zusammenstellen.

Das Abomodell ist sehr wichtig für die beiden Blumenbauern und ihr Geschäft, es gibt Beständigkeit, baut eine Gemeinschaft auf und erlaubt Imke und Reuben, genau das anzubauen, was gefragt wird, was die ganze Sache noch nachhaltiger macht.

„Es ist immer interessant, zu sehen, was für Blumen sich die Menschen abschneiden. Eine Blüte beispielsweise, die ich für einen Strauß im Laden nicht nutzen könnte, weil ihr Stiel nicht lang genug oder nicht gerade genug ist. Aber die Menschen schneiden auch solche Blüten für ihre eigenen Sträuße ab und finden Schönheit in diesen gewundenen oder verdrehten Stielen. Ich mag Blumen, die nicht perfekt für die Blumenindustrie sind, aber perfekt für Menschen, die nach einer bestimmten Schönheit suchen. Einer authentischeren vielleicht“, sagt Imke.

Imke Glaser und ihr wertvollster Rohstoff: Erde. Foto: Laura François

Imke und Reuben Glaser wollen mit der Farm weitermachen und noch mehr Aktivitäten dort stattfinden lassen. Das Gewächshaus könnte auch als Ort für Workshops genutzt werden wie zum Beispiel zum Weben von Reet oder wie man Stoff mit Pflanzen färbt.

„Ich liebe es, wenn Menschen ihren eigenen Input mit auf die Farm bringen, die durch das Wissen dieser Menschen wächst“, sagt Imke. Sie könnte sich auch vorstellen, mit Vereinen und Verbänden zusammenzuarbeiten oder mit Kindergärten. Die Kinder könnten wöchentlich Sträuße bekommen und so die verschiedenen Jahreszeiten entdecken und würdigen. Dann könnten sie zur Farm kommen und die Blumen wachsen sehen.

  • Mayda Blumenfarm Zionsfriedhof direkt hinterm Eingang links, Dietzgenstr. 158, Pankow, online

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