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Nachhaltigkeit

Neue Wege: Nachhaltigkeit und die Greener Fête de la Musique

Seit über zehn Jahren beschäftigt sich die Berliner Landschaftsplanerin Dr. Birte Jung mit dem Thema Nachhaltigkeit und Veranstaltungen in öffentlichen Räumen. 2019 schrieb sie an der TU Berlin am Fachbereich Landschaftsbau-Objektbau die Dissertation „Eventisierungsdruck. Nachhaltige Nutzung öffentlicher Freiräume als Veranstaltungsorte – am Beispiel Berlin“. Seitdem berät sie die Fête de la Musique und ist für das Nachhaltigkeitsprojekt „Greener Fête de la Musique“ zuständig. Wir sprachen mit ihr über umweltverträgliche Kulturveranstaltungen, den Vorbildcharakter der Fête de la Musique und Zukunftsziele.

Viel los bei der Fête de la Musique, 2023. Die Veranstaltung soll in Zukunft noch grüner werden. Foto: Jim-Kroft
Viel los bei der Fête de la Musique, 2023. Die Veranstaltung soll in Zukunft noch grüner werden. Foto: Jim Kroft

Bei der Greener Fête de la Musique geht es um ein fundiertes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Kultur, Umwelt und Gesellschaft

tipBerlin Dr. Birte Jung, Sie sind Landschaftsplanerin und Transformationsmanagerin für nachhaltige Kultur und haben zu dem Thema promoviert. Seit fünf Jahren arbeiten Sie im Hintergrund der Fête de la Musique mit. Was genau sind dabei Ihre Aufgaben?

Dr. Birte Jung Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit besteht darin, Kulturbetriebe und Veranstaltungen wie die Fête de la Musique sowie Unternehmen bei der Implementierung nachhaltiger Praktiken zu beraten und beim Aufbau eines strategischen Nachhaltigkeitsmanagements zu unterstützen. Dabei liegt ein Fokus auf Veranstaltungen auf Freiflächen. Ich berücksichtige sowohl ökologische als auch soziale, kulturelle und ökonomische Aspekte sowie die spezifischen Standortgegebenheiten. Es geht um ein fundiertes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Kultur, Umwelt und Gesellschaft. Seit 2019 bin ich für das Nachhaltigkeitsprojekt Greener Fête de la Musique im Rahmen der Fête de la Musique Berlin zuständig.

Unser gemeinsames Ziel ist es, die Veranstaltung langfristig ökologischer und sozial verträglicher zu gestalten.

Dr. Birte Jung

tipBerlin Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Dr. Birte Jung Die Zusammenarbeit mit Björn Döring und seinem Team, die die Fête de la Musique im Auftrag des Musicboard Berlin organisieren, entstand aus der gemeinsamen Vision, die Fête de la Musique Berlin zu einer nachhaltigeren Veranstaltung zu machen. Als freiberufliche Expertin wurde ich beauftragt, meine Kenntnisse und Erfahrungen in den Prozess einzubringen. Unser gemeinsames Ziel ist es, die Veranstaltung langfristig ökologischer und sozial verträglicher zu gestalten. Dabei soll die Fête de la Musique ganz klar eine Vorbildfunktion einnehmen und zeigen, dass nachhaltige, klimasensible und umweltverträgliche Veranstaltungen dieser Größenordnung möglich sind.



tipBerlin Welche konkreten Ziele verfolgen Sie in diesem Zusammenhang?

Dr. Birte Jung Unsere Ziele sind vielfältig. Neben der Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks der Fête de la Musique, vor allem der Senkung von CO2-Emissionen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Klimaziel, streben wir danach, ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den teilnehmenden Musikorten der Fête de la Musique und in der Kulturszene zu schaffen sowie Best Practices zu etablieren. 2021 haben wir unser Vorhaben und diese Ziele mit einem Green Deal bekräftigt, der von Björn Döring, der ehemalige Leiterin des Musicboards Berlin Katja Lucker, dem damaligen Kultursenator Dr. Klaus Lederer sowie vom weiteren Greener Fête Initiator und Nachhaltigkeitsexperten Jacob Bilabel und mir unterzeichnet wurde. Jetzt sind wir dabei, die Ziele umzusetzen.

Dr. Birte Jung will die Fête de la Musique nachhaltiger machen. Foto: Privat
Dr. Birte Jung will die Fête de la Musique nachhaltiger machen. Foto: Privat

tipBerlin Wie reagieren die Betreiber der bei der Fête de la Musique beteiligten Veranstaltungsorte auf das Vorhaben?

Dr. Birte Jung Die Umsetzung unserer Ziele erfolgt auf mehreren Ebenen. Es geht nur gemeinsam. Wir arbeiten eng mit den Veranstaltenden der über 150 Musikorte der Fête de la Musique Berlin zusammen, um sie bei der Integration von Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu gehören die Entwicklung eines Handlungsleitfadens mit Handlungsempfehlungen für nachhaltige Musikveranstaltungen, die Durchführung von Schulungen und Workshops sowie die Implementierung konkreter Maßnahmen wie zur Vermeidung von Abfällen, Nutzung erneuerbarer Energien, Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und zum Messen von Verbräuchen. Die Reaktionen aus der Szene sind positiv, aber natürlich lassen sich viele Ziele nicht sofort umsetzen, auch weil solche Dinge Zeit und Geld benötigen, und oft mangelt es an beidem.

tipBerlin Sie haben auch eine Art Gütesiegel eingeführt, die „Greener Fête de la Musique“, mit der Musikorte in Berlin ausgezeichnet werden, und es gibt eine Charta, die von Veranstaltern unterzeichnet werden soll.

Dr. Birte Jung Letztes Jahr ermöglichte uns eine Förderung der Initiative Musik, wichtige strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Ziele unseres Green Deals zu verwirklichen. Eine davon ist die „Greener Fête de la Musique“-Auszeichnung. Bei der Auszeichnung geht es vor allem darum, besonders nachhaltige Bühnen zu würdigen, die sich bei der Umsetzung bestimmter Nachhaltigkeitsmaßnahmen besonders hervorgetan haben und sich bei der Gestaltung ihrer Musikorte zu einzelnen Maßnahmen verpflichten. Das kann die Mehrwegpflicht für Getränke sein, aber auch soziale Aspekte wie die Barrierefreiheit.

Die Greener-Fête-Charta ist eine allgemeine Absichtserklärung, dass man diese Ziele in naher Zukunft umsetzen will. Wir hoffen, dass möglichst viele Orte sich dazu bekennen. Im letzten Jahr haben wir drei Musikorte, die sogenannten Greener Fête Piloten, dabei unterstützt, Daten zu ihren Veranstaltungsorten zu erheben und so die Klimaauswirkungen messbar zu machen. Aus den daraus entstandenen Klimabilanzen leiteten wir konkrete Handlungsempfehlungen für zukünftige Veranstaltungen ab.

Die Greener-Fête-Piloten sowie die zukünftigen, mit der Greener-Fête-Auszeichnung geehrten Musikorte dienen als wichtige Vorbilder für andere Musikorte. Sie demonstrieren, dass eine nachhaltigere Umsetzung der Fête de la Musique machbar ist. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit ist von entscheidender Bedeutung, auch in der Musikbranche, denn nachhaltiges Handeln erfordert ein Umdenken und eine Veränderung der Gewohnheiten. Durch unsere Arbeit möchten wir nicht nur nachhaltige Veranstaltungen organisieren, sondern auch ein Bewusstsein für die Bedeutung von Umweltschutz und Nachhaltigkeit schaffen. Wir wollen Menschen dazu inspirieren, auch im Alltag umweltbewusster zu handeln und Verantwortung für unseren Planeten zu übernehmen.

Aktuell erörtern wir gemeinsam mit dem Fête de la Musique Deutschland Netzwerk, wie wir das Konzept auf weitere Fête de la Musique-Veranstaltungen bundesweit ausweiten können.

Dr. Birte Jung

tipBerlin Sie sprechen von einer Vorbildfunktion der Fête de la Musique. Die Konzertbranche sieht in der Praxis jedoch etwas anders aus als dieses sehr große dezentrale Festival, das zeitgleich in hunderten kleinen Orten stattfindet. Lässt sich das Konzept auf den regulären Betrieb übertragen?

Dr. Birte Jung Einige der Musikorte veranstalten auch außerhalb der Fête de la Musique regelmäßig Konzerte. Unsere Handlungsempfehlungen aus dem Greener Fête Leitfaden, die Workshops und die Nachhaltigkeitscharta usw. lassen sich auf viele weitere kulturelle Bereiche anwenden. Aktuell erörtern wir gemeinsam mit dem Fête de la Musique Deutschland Netzwerk, wie wir das Konzept auf weitere Fête de la Musique Veranstaltungen bundesweit ausweiten können. Wir hoffen auf den Multiplikationseffekt, um möglichst viele Kulturorte zum nachhaltigen Handeln zu motivieren. Das soll aber nicht mit erhobenen Zeigerfinger passieren und nicht unter Zwang, sondern durch Wissensvermittlung, Fortbildungen und praxisnahen Workshops. Dafür müssen wir neben einer fundierten wissenschaftlichen Grundlage auch konkrete Strukturen schaffen. Hier sind alle gefragt, nicht nur die Veranstaltenden selbst, sondern auch die Politik, Verwaltung, Energieunternehmen etc.

tipBerlin Wo steht Berlin im Vergleich zu anderen Städten oder Ländern in Bezug auf nachhaltige Veranstaltungen?

Dr. Birte Jung Deutschlandweit gibt es bereits viele Städte und Regionen, die sich aktiv für nachhaltige Veranstaltungen und Kultur einsetzen. Einige haben sogar spezielle Anlaufstellen, erfolgreiche Initiativen und laufende Förderprogramme für umweltfreundliche Events. Seit letztem Jahr gibt es auch auf Bundesebene eine Green Culture Anlaufstelle. Berlin hat hier sicherlich einige Fortschritte gemacht, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen. Wir könnten von anderen Städten und Ländern lernen und ihre Best Practices übernehmen, um nachhaltige Veranstaltungen und Kultur weiter zu fördern und zu etablieren.

  • Fête de la Musique Fr 21.6., diverse Orte in der ganzen Stadt. Alle Termine und Bühnen hier
  • Weitere Informationen zur Greener Fête de la Musique siehe hier

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