Der Nettelbeckplatz, direkt am S-Bahnhof Wedding, wartet seit Jahren auf einen neuen Namen. Nun ist es offiziell: Er wird voraussichtlich ab Frühjahr zum Martha-Ndumbe-Platz umbenannt. Wer war Nettelbeck und was hat er mit Europas Kolonialgeschichte zu tun? Viel wichtiger aber: Wer war Ndumbe? Alle Infos zur Namensänderung im Überblick.

Der Nettelbeckplatz wird auf Google Maps als Park bezeichnet. Naja. Wer den Platz kennt, weiß, dass er mit einem Park wenig zu tun hat. Ein paar Bäume und Bänke gibt es, doch es ist ein eher unspektakulärer Ort am Fuße des S-Bahnhofs. Auf dem dreieckigen Platz ist im Sommer etwas mehr los, wenn dort ein Flohmarkt oder Kulturfest veranstaltet wird, die Sonne scheint und man ein Bier beim Magendoktor trinken kann. Bei Nieselwetter im Februar ist es hier jedoch eher trist. Trotzdem ist der Platz aktuell in aller Munde. Denn er soll umbenannt werden.
Zahlreiche Initiativen setzen sich für die Aufarbeitung der europäischen Kolonialgeschichte ein: Sollten 2025 noch immer die Namen von Kolonialherren, Sklavenhändlern und Kriegstreibern auf den Straßenschildern Berlins stehen? Vereine wie „Straßenlärm“ setzen sich dagegen ein, dass jene Personen weiterhin geehrt werden sollen, indem sie unwillkürlich Stadtbild und Sprachgebrauch prägen. So auch im Fall Nettelbeck.
Nettelbecks koloniale Vergangenheit
Der bisherige Namensgeber Joachim Nettelbeck arbeitete als Offizier auf einem niederländischen Sklavenschiff. Dabei war er der Obersteuermann. Er propagierte den Sklavenhandel und Kolonialismus und wurde in der Nazizeit gerühmt. Die Debatte um Nettelbeck als ungeeigneten Namensgeber existiert in mehreren deutschen Städten, trotzdem tut sich wenig. Die tatsächliche Namensänderung von Straßen und Plätzen gestaltet sich oftmals umständlich. So auch im Wedding.
Nettelbeckplatz wird umbenannt: Ein langer Prozess
Bereits 2021 wurde durch die Bezirksverordnetenversammlung Mitte eine Umbenennung eingeleitet. Auf der Website meinberlin.de konnten Bürger:innen alternative Namen vorschlagen. Über 500 Namensvorschläge gingen laut Bezirksamt Mitte ein. Nachdem die Namen über zwei Jahre gesammelt wurden, kam es nun zur Auswahl. Im Januar fiel der Beschluss: Martha-Ndumbe-Platz.
Doch wer ist die neue Namensgeberin? Martha-Ndumbe wurde als Schwarze Frau im frühen 20. Jahrhundert in Berlin geboren, wo sie rassistischen und sexistischen Demütigungen ausgesetzt war. Ihr Vater war aus Kamerun nach Deutschland gebracht worden, um bei Kolonialausstellungen zur Schau gestellt zu werden. Seine Tochter Martha fand später als Schwarze Frau keine Festanstellung im Deutschland der 1920er und konnte sich lediglich mit Sexarbeit über Wasser halten. Nach einem Diebstahl wurde sie inhaftiert und später von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Die Berlinerin verstarb dort mit Anfang 40.
Die Debatte um Berliner Straßennamen hält an
Namensänderungen des öffentlichen Raums sind in Berlin nicht neu: Im Rahmen der Aufarbeitung der Verbrechen der Kolonialzeit wurden schon mehrere Straßen umbenannt. Zuletzt wurde der nördliche Teil der Manteuffelstraße in Kreuzberg zur Audre-Lorde-Straße. Die Umbenennung zu Ehren der US-amerikanischen Aktivistin sorgte allerdings für Verwirrung. Anwohnende und Lieferdienste wussten noch nichts von ihrem Glück, während die formelle Namensänderung bereits geschehen war. Alte Straßenschilder waren noch installiert und die Anwohnenden größtenteils ratlos. Inzwischen sind auch Paketzusteller:innen und Lieferdienste informiert und die Anwohnenden wissen auch wieder, wo sie wohnen.
Anders als bei der Audre-Lorde-Straße dürfte es im Falle des Martha-Ndumbe-Platzes jedoch geschmeidiger ablaufen: Briefträger:innen und Anwohnende müssen diesmal keine allzu große Umstellung befürchten. Denn keine Person ist am Nettelbeckplatz gemeldet. Ob die Umbenennung jedoch wirklich noch im Frühjahr 2025 erfolgen wird, bleibt abzuwarten.
Der Nettelbeckplatz ist einer von vielen umstrittenen Straßennamen in Berlin. Im Wedding wurden bereits mehrere Straßen im afrikanischen Viertel umbenannt. Doch nicht nur durch die Umbenennung von Straßen wird die Vergangenheit aufgearbeitet: Diese Orte erinnern an das Unrecht der Kolonialzeit. Viele Menschen sind immer noch von Rassismus betroffen: Diese Initiativen, Vereine und Kultureinrichtungen sorgen für Aufklärung. Weiteres zu Berlins Vergangenheit findet ihr in der Rubrik „Geschichte“. Was die Stadt bewegt, lest ihr in der Rubrik „Politik“.