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Nobelpreise in Berlin: Diese Menschen veränderten die Welt

Der Nobelpreis würdigt Menschen, die die Welt verändern und sie voranbringen. Seit 1901 werden die Auszeichnungen jedes Jahr vergeben, geraten aber oft zu schnell wieder in Vergessenheit. Lediglich in der Wissenschaftsblase hallen Nobelpreise wirklich nach. Wir stellen euch Menschen vor, die in Berlin gearbeitet und gelebt haben oder noch hier leben – und mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden sind.


Emil Fischer und der Nobelpreis für Zuckerforschung

Nobelpreisträger Emil Fischer in seinem Labor. Foto: Wiki Commons/gemeinfrei

Fischers Leistungen sind für die Chemie wegweisend. Zeit seines Lebens (1852–1919) untersuchte er die Struktur von Zuckermolekülen, aber auch anderen wie Koffein oder Harnsäure. Er formulierte außerdem das Schlüssel-Schloss-Prinzip, für alle, die in Chemie nicht richtig aufgepasst haben: Für viele biochemische Reaktionen braucht es zwei Teile, die zueinander passen, etwa Laktose und Laktase. Treffen sie im Körper aufeinander, wird die Laktose aufgespalten. Passiert das nicht, kann der Körper sie nicht so recht verarbeiten. Es folgen meist Blähungen und Durchfall. Für seine Arbeiten am Zucker erhielt Fischer 1902 den Nobelpreis für Chemie.

Doch er leistete noch mehr. Er synthetisierte etwa Koffein und Veronal, einen Stoff, der häufig als Schlafmittel eingesetzt wurde. Seine Ausbildung und Forschung führte in viele Städte. Es ging von Erlangen, seinem Geburtsort, nach Straßburg, Würzburg oder auch München. Erst 1892 kam er als Dozent an die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. 1919 nahm er sich das Leben. Sein Grab findet sich auf dem Friedhof Wannsee.


Robert Koch und sein Kampf gegen Bakterien

Robert Koch hatte nicht nur einen prächtigen Bart, sondern leistete auch Großes. Er wirkte in Berlin und erhielt 1905 den Nobelpreis für Medizin. Foto: ZEISS Microscopy/CC BY-SA 2.0
Robert Koch hatte nicht nur einen prächtigen Bart, sondern leistete auch Großes. Er wirkte in Berlin und erhielt 1905 den Nobelpreis für Medizin. Foto: ZEISS Microscopy/CC BY-SA 2.0

Gegen bakterielle Erkrankungen helfen heute (sofern die Erreger nicht resistent sind) Antibiotika, in der Vergangenheit waren sie jedoch ein Todesurteil. Im 19. Jahrhundert tötete der Tuberkulose-Erreger in Europa unzählige Menschen, allein in Deutschland starb etwa jeder siebte an Tuberkulose. Was aber genau die Krankheit auslöste, war unbekannt. Robert Koch entdeckte 1892 den Erreger und schrieb damit Geschichte. Endlich wusste die Medizin, was sie bekämpfen soll, wobei das erste erfolgreiche Mittel erst 1947 zum Einsatz kam. Bereits vorher entdeckte Koch den Zusammenhang zwischen einem Erreger und der Krankheit am Beispiel von Milzbrand. 1905 erhielt er für seine Arbeit den Nobelpreis für Medizin.

Auch Robert Koch war kein gebürtiger Berliner. 1843 in Clausthal geboren wurde er 1880 in das Kaiserliche Gesundheitsministerium in Berlin berufen. 1891 übernahm er die Leitung des neugegründeten Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten, das heutige Robert Koch-Institut. In dessen Mausoleum hat er auch ein Ehrengrab. Zum Schluss noch ein Skandälchen: Koch entwickelte damals das vermeintliche Tuberkulose-Heilmittel Tuberkulin. Nachweise, dass es wirkt, brachte er nicht. Sein Name genügte aber, um die Menschen zu überzeugen, war er doch der Entdecker des Erregers. Geld motivierte ihn, vielleicht auch der Wunsch nach (mehr) Anerkennung.


Ernst Ruska: Nobelpreis für neue Blickwinkel

Ernst Ruska arbeitet hier an seinem Elektronenmikroskop, für das er den Nobelpreis erhielt. Foto: Imago/United Archives International

Wollen wir Dinge sehen, die für unsere Augen zu klein sind (zum Beispiel Bakterien), brauchen wir eine Krücke, das Lichtmikroskop. Es vergrößert sie optisch und macht sie so erst sichtbar. Praktisch. Bei Viren stößt es allerdings an seine Grenzen. Sie sind zu klein. Dank dem Elektroingenieur Ernst Ruska ist das heute kein Problem mehr. Er entwickelte zusammen mit dem Elektrotechniker Max Knoll in der TU Berlin 1933 das erste Elektronenmikroskop, welches Proben um das 12.000-fache vergrößern konnte, 12-mal mehr als das Lichtmikroskop. Die Technik entwickelte Ruska stets weiter. Heute schaffen die Mikroskope eine 200.000-fache Vergrößerung. 1986 erhielt er als Wegbereiter für Elektronenmikroskopie den Nobelpreis für Physik.

Da es Viren sichtbar macht, ist es in der Virologie, aber auch für die Medizin ein wichtiges Instrument. In der Kriminalistik kommt es ebenfalls zum Einsatz. Mit dessen Hilfe können kleinste Materialreste, etwa winzige Stoffstücke, zugeordnet werden. Das hilft dabei, selbst übervorsichtige Straftäter:innen zu überführen. Ruska konnte sich mit seinem Werk verewigen. Nach seinem Tod 1988 wurde er auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf beerdigt.


Gerhard Ertl und seine komplizierte Leidenschaft

Gerhard Ertl arbeitete in einem Bereich, der selbst für Chemiestudent:innen nur schwer zu verstehen ist. Foto: Prolineserver/CC BY-SA 3.0

Der Physiker und Chemiker Gerhard Ertl (geboren 1936) war maßgeblich an der Weiterentwicklung der Oberflächenchemie beteiligt. Ein Fachgebiet, das durchaus trocken, wenig greifbar und so charmant wie Hausaufgaben über die Ferien sein dürfte. Und trotzdem ist es gesellschaftsrelevant: Bei der Oberflächenchemie werden chemische Vorgänge auf Oberflächen untersucht. Ertl schaute dabei unter anderem, wie Kohlenmonoxid auf Einkristallflächen zu Kohlendioxid wird. Weiteres zu erklären, dürfte den Rahmen sprengen. Ertls Forschung könne laut Nobel-Komitee helfen, „unterschiedliche Vorgänge wie das Rosten von Eisen und die Arbeitsweise von Brennstoffzellen oder Katalysatoren in unseren Autos zu verstehen“. Deshalb erhielt er 2007 den Nobelpreis für Chemie.

So komplex das Thema auch sein mag, Ertl hatte stets eine Leidenschaft dafür. Vielleicht liegt es an der Wichtigkeit. Erkenntnisse in der Oberflächenchemie ermöglichen die Herstellung von Halbleitern, die zugleich isolieren und leiten könnenn. In der Computertechnik kommen sie in Form von Mikrochips zum Einsatz. Seit 1986 lebt der gebürtige Stuttgarter Ertl in Berlin, der Nobelpreisträger leitete sogar bis 2004 das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft. Bis heute ist er Honorarprofessor an der Humboldt Universität.


Herta Müller: Nobelpreis für Prosa über Heimatlosigkeit

Herta Müller bei der Verleihung des Heinrich-Böll-Preises. Foto: Raimond Spekking/CC BY-SA 4.0

Herta Müller kritisiert viel, hält Leuten den Spiegel vor und lässt sie mitunter vor Wut schnauben. In ihren Werken thematisiert die Schriftstellerin unter anderem die rumänische Diktatur und das Leben der deutschen Minderheit im Land sowie den Neuanfang in der Fremde. 2009 veröffentlichte sie „Atemschaukel“: Der sprachgewaltige Roman handelt von der Deportation eines jungen Rumäniendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und den Entbehrungen in einem sowjetischen Arbeitslager. Im selben Jahr erhielt Herta Müller für ihre Arbeit den Nobelpreis für Literatur. Das Komitee hob hervor, dass die Autorin mit ihrer Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit gezeichnet habe.

Es dauerte, bis Schriftstellerin Hertha Müller in Berlin landete. 1953 kam die Angehörige der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien zur Welt. Ab 1976 arbeitete sie einige Zeit als Übersetzerin. Währenddessen forderte sie der rumänische Geheimdienst zu Spitzeleien auf. Sie weigerte sich. Drei Jahre später verlor sie ihren Job. 1982 erschien ihr erstes Buch „Niederungen“, eine Erzählsammlung, die zu großem Teil das Leben der Schwaben in Banat behandelt, die sich darauf bloßgestellt fühlten. 1987 reiste sie nach Deutschland aus. Seit 2005 lebt die Nobelpreisträgerin in Berlin.


Emmanuelle Charpentier, Entdeckerin der Genschere

Emmanuelle Charpentier forscht heute in Berlin. Foto: Carries mum/CC BY-SA 4.0

Früchte und Gemüse so verändern, dass sie mehr Ertrag geben; Erbkrankheiten aus der Welt schaffen; gewünschte äußerliche Merkmale hervorheben. Und das alles nur mit einem kleinen Schnitt in die DNA. Zugegeben, noch bevor Emmanuelle Charpentier 2012 zusammen mit Jennifer Doudna die Genschere (CRISPR/Cas9) entdeckte, war es Forscher:innen möglich, in das Genom (hauptsächlich von Pflanzen) einzugreifen. Allerdings vereinfachte sie den Prozess, ermöglichte es sogar, diesen bei sämtlichen existierenden Lebewesen einzusetzen. Mit ihr können Abschnitte im Erbgut, also der DNA, zerschnitten und neuzusammengesetzt werden und das genau da, wo man will. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. 2020 erhielten Charpentier und Doudna dafür den Chemie-Nobelpreis.

Streng genommen machte die gebürtige Französin Emmanuelle Charpentier ihren Sensationsfund nicht in Berlin, sondern in Kalifornien. Allerdings leitet sie in der Großstadt seit 2018 die Max-Planck-Forschungsstelle für Wissenschaft der Pathogene, zuvor war sie Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Die Hauptstadt hat sich damit eine bemerkenswerte Wissenschaftlerin gesichert, die ihr hoffentlich noch lange erhalten bleibt.


Mehr zum Thema

Früh übt sich – gilt auch für die Wissenschaft. Deshalb sind hier ein paar lehrreiche Schülerlabore. Vielleicht finden sich unter diesen Forschungsprojekten ja auch Nobelpreis-Anwärter. Falls ihr nicht wisst, was ihr später machen wollt, findet ihr unter diesen besonderen Studiengängen ja vielleicht eure Berufung.

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