Berlin hat ein Problem mit obdachlosen Menschen. Nicht der Fakt, dass sie existieren, vielmehr, dass die Stadt ihre Existenz allzu gerne vergisst. Wieder verdeutlicht hat das die kürzlich umgesetzte 3G-Regel an Bahnhöfen und Bahnsteigen. So sehr sich Senat und haupt- sowie ehrenamtliche Unterstützer:innen für Menschen ohne Zufluchtsorte einsetzen, es ist nach wie vor zu wenig. Personell wie auch strukturell. Obdachlose Menschen sind also auf Alternativen angewiesen, zu denen etwa auch U-Bahnstationen gehören. Vor allem jetzt, wo der Winter einen eisigen Tiefpunkt erreicht.
Mit 3G-Regel vergisst der Senat obdachlose Menschen
Kürzlich hat das Tief Justus Berlin in eine Schneedecke gehüllt. Die Hauptstadt verwandelt in eine versmogtere Disney-Märchenlandschaft. Romantisch verklärt mag das vielleicht stimmen, aber nur für jene, die sich auch vor dem Schnee verstecken, ihn aus ihrer gemütlichen Wohnung beobachten können. Geschützt und gewärmt. Menschen ohne Obdach haben diese Option gerade tagsüber nicht. Die Kälte zwingt sie an Orte, an denen sie sich überhaupt aufhalten dürfen. Nun sind viele Möglichkeiten nur mit einem Nachweis zugänglich, also ob man gegen Covid-19 geimpft, davon genesen oder negativ getestet wurde. 3G eben.
Nun haben viele obdachlose Menschen keinen Lichtbildausweis. Der ist aber nötig, um ein Testergebnis abzugleichen, es sei denn, Betroffene werden vor Ort getestet. Ebenso schwierig ist, dass viele kein Smartphone besitzen. Digitale Nachweise fallen also ebenfalls weg. In einem offenen Brief schreibt die Berliner Obdachlosenhilfe, dass so „Menschen ohne Obdach, festen Wohnsitz oder gültige Ausweisdokumente, vom Zugang zu lebensnotwendiger Mobilität und schützenden Zufluchtsräumen durch die 3G-Pflicht im Nahverkehr institutionell ausgeschlossen“ werden.
Logisch, die Regelung lässt keine Ausnahmen zu. Ja, der Senat kümmert sich um Menschen in Not – oder versucht es zumindest. In der Pandemie verliert er sie jedoch aus den Augen. Im vergangenen Jahr war das ähnlich, als zeitweise Tageseinrichtungen für obdachlose Personen schließen mussten. Hilfesuchende müssen immer dann zurückstecken, sobald es auch für besser Situierte ungemütlich wird.
Die BVG und ihre Sicherheitsleute
Nachdem es bereits viel Kritik von Hilfseinrichtungen bezüglich der 3G-Regelung an Bahnstationen gab, äußerte sich die BVG bei diversen Medien, etwa rbb, mit dem immer selben Statement. Sie würden selbstverständlich im Umgang mit schutzbedürftigen Menschen äußerst behutsam umgehen, auf Anlaufstellen verweisen und gegebenenfalls Hilfe rufen. Die blumigen Worte werden sehr wahrscheinlich von BVG-Sicherheitsleuten umgesetzt – und gerade die sind ja für ihr behutsames Vorgehen bekannt. Humanist:innen mit Kartenlesegeräten, so kennt sie die Stadt.
Nicht alle von ihnen sind schlecht, das wäre pauschaler Unsinn. Allerdings sind auch nicht alle von ihnen gutherzig. Reibung wird es geben, Verdrängung ebenso. Klassismus, also die Demütigung von Menschen aufgrund ihres sozialen Status, ist schließlich ein reales Problem. Viele Menschen werden sehr wahrscheinlich wenig „behutsam“ in die wenig einladende, mitunter tödliche Kälte geschickt. So sehr manche obdachlose Menschen aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen wollen, sie existieren und brauchen Unterstützung. Besonders jetzt, in einem weiteren harten Pandemiewinter.
Ihr wollt Menschen in Not helfen? Hier ein paar Kontakte:
Wichtig! Vorher solltet ihr prüfen, ob Betroffene die Hilfe überhaupt wollen. Ansonsten fahren die Busse vergeblich vorbei und eine andere Person, die eventuell dringend Hilfe brauchte, kommt zu kurz. Ist eine Person nicht ansprechbar, ruft die 112.
Kältebus: 030/690 33 36 90
Wärmebus: 030/60 03 00 10 10
Solltet ihr noch mehr übe Hilfseinrichtungen erfahren wollen, findet ihr hier alle Anlaufstellen für obdachlose Menschen in Berlin. Um euch Einblicke in das Leben einer Person in Not zu geben, hat unser Autor einen obdachlosen Menschen in Berlin begleitet. Außerdem haben wir für euch noch die Geschichte einer Berliner Suchthelferin aufgeschrieben.