Jeder Bezirk ist anders. Das ist klar. Manche sind bunt und laut, andere mondän und verschlafen. Im Zentrum sind sie zugebaut und an den Rändern grün. Einige sind unbezahlbar und in anderen geht es gerade noch so. Doch vor dem Gesetz sollten sie alle gleich sein. So die Annahme. Geht es aber ums Parken, merkt man schnell, dass nicht überall gleiches Recht gilt. Während in Charlottenburg oder Prenzlauer Berg bei kleinsten Vergehen sofort der Strafzettel kommt, herrschen in Kreuzberg und Neukölln Chaos und Anarchie. Ein Kommentar von Jacek Slaski.
In Charlottenburg sind Parksünder schneller fällig
Neulich hatte ich in Charlottenburg einen Arzttermin, ich parkte mein Auto am Kaiserdamm. In der sechsspurigen Straße gibt es links und rechts entlang der Bürgersteige reguläre Parkplätze. Ich stellte das Auto ab und ahnte nichts Böses. Keine Toreinfahrt, kein Fußgängerübergang, nicht einmal Fußgänger, nichts. Es störte nicht. Als ich eine knappe Stunde später wieder am Wagen war, klebte ein Strafzettel an der regennassen Windschutzscheibe. Offensichtlich stand ich im Parkverbot, das Schild muss ich übersehen haben. Weshalb das Verbot dort überhaupt galt, ist mir bis heute nicht klar. Ärgerlich, aber nun gut, Gesetz ist Gesetz, die 15 Euro überwies ich noch am selben Tag an die Landeskasse Berlin.
Dann fuhr ich zurück ins heimatliche Kreuzberg. Parken in Berlin ist schwer genug, die Parkplatzsituation rund im den Görlitzer Bahnhof ist gelinde gesagt katastrophal. In meiner Straße kommt noch hinzu, dass sich dort gerne mal ein Ministau entwickelt, nicht länger als 100 Meter lang, in dem man aber schon mal 20 bis 30 Minuten verweilen kann, weil sich die Autos verkeilen, alle hupen und schimpfen und pro Ampelphase nicht mehr als drei Autos rauskommen, während gefühlt vier wieder nachrücken. Woran liegt das? An in zweiter Reihe geparkten Autos.
Ganz selbstverständlich werden neben Bäumen die Karren auf die Straße gestellt, nicht etwa, weil man kurz etwas ausliefern muss oder den schweren Wasserkasten in die Wohnung tragen will, nein, die parken dort einfach so. Als wäre es das Normalste der Welt. Ist es hier auch. Manchmal mache ich mir den Spaß und zähle, nur in meinem Straßenabschnitt, die in zweiter Reihe stehenden Autos durch. Heute früh waren es zwölf. Noch nie sah ich in der Gegend einen Ordnungswächter mit gezücktem Strafzettelblock, erst recht keinen Abschleppwagen. Angesichts des Kreuzberger Parkchaos‘ ist Justizia offenbar blind.
Parken in Berlin: Zwischen Law and Order und Anarchie
Das klingt jetzt vielleicht wie ein reaktionärer Ruf nach mehr Recht und Ordnung. Nicht ganz! Eine gewisse Anarchie im Straßenverkehr finde ich schon okay. Und jede kleine Widrigkeit sofort mit der ganzen Härte des Straßgesetzbuchs zu ahnden, ist weder sympathisch, noch will ich in so einer Stadt leben. Inkonsequent? Mag sein, aber Widersprüche bestimmen nun mal das Leben.
Doch was mich wundert, ist die Willkürlichkeit, wie in einigen Bezirken jegliches Vergehen sofort bestraft wird, während nur weniger Kilometer entfernt alle tun und machen können was sie wollen. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir mein Vater erzählt hat. Er musste in der Rykestraße in Prenzlauer Berg seine kranke Schwägerin abholen, er fuhr vors Haus, seine Frau ging hoch, er wartete im Wagen. In diesen wenigen Minuten kam das Ordnungsamt vorbei und verpasste ihm einen Strafzettel. Live. Erklärungen waren den Kollegen ziemlich egal. Strafe muss sein.
In Kreuzberg oder Neukölln wäre das undenkbar, genau so wie die Sache mit meinem Parkzettel am Kaiserdamm. Hier Law and Order und dort Chaos und Anarchie. Was das angeht, mögen in Berlin zwar theoretisch überall die gleichen gesetze gelten, die Wirklichkeit unterscheidet sich aber extrem. Ein beklagenswerter Zustand und wie so oft, wäre auch in dieser Problematik der goldene Mittelweg die Lösung.
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