Wohnungspolitik

Wohnen in Berlin: 12 Thesen von Baustadtrat Florian Schmidt

Im November 2021 kippte das Bundesverwaltungsgericht die Nutzung des Vorkaufsrechts zum präventiven Mieterschutz. Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, war deutschlandweit für viele Kommunen ein Vorbild in diesem Weg des Häuserkampfes. Er wurde für sein Vorgehen heftig angefeindet und sogar angeklagt, inzwischen jedoch vollständig rehabilitiert. Das Urteil hat Schmidt hart getroffen, aber er hört nicht auf, sich für die Mieter:innen in seinem Bezirk einzusetzen. In seinem Kampf hat er inzwischen einiges gelernt. Er stellt 12 Thesen zum Wohnen in Berlin auf.

Florian Schmidt, Aktivist und Baustadtrat, hier beim Protest mit Mietern von sozial geförderten Wohnungen in einem Wohnblock in der Hedemannstrasse im Berliner Stadtteil Kreuzberg. . Foto: Imago/Christian Ditsch

Eigentumswohnungen

Bewohner:innen einer Eigentumswohnung rufen um Hilfe. Foto: Imago/Emmanuele Contini

„Eigentumswohnungen sind wie ein Fetisch, sie versprechen Rendite, Altersvorsorge und Heimat. Allerdings auf Kosten der sozialen Vielfalt im Kiez und der eigenen finanziellen Handlungsfähigkeit. Gewinner sind vor allem die Immobilienentwickler.“


Altersversorgung

Bevor es Zeit für den Rollator wird, wollen viele gerne wissen, wo und wovon sie dann leben können. Foto: Imago/Michael Gstettenbauer

„Alle reden plötzlich von Altersversorgung – aber die Altersversorgung der einen ist die hohe Miete der anderen.“


Einfamilienhaus

Darf es auch ein Häuschen mehr sein? Foto: Imago/serienlicht

„Das neu gebaute Einfamilienhaus in der Vorstadt ist eine klimaschädliche Wohnform, der Flächenverbrauch ist hoch und das Pendeln mit dem Auto ist vorprogrammiert.“


Deutsche Wohnen & Co. enteignen

Protest von Deutsche Wohnen & Co enteignen. Foto: Imago/aal.photo

„Das Enteignungs-Volksbegehren ist ewig von der Umsetzung entfernt, das wird lange dauern, aber der ganze Prozess ist ein gesellschaftliches Signal, mehr gemeinwohlorientiertes Eigentum zu schaffen.“


Eigenbedarfskündigungen

Protest gegen eine Zwangsräumung in Kreuzberg. Foto: Imago/Peter Homann

„Ich bin pro Deutsche-Wohnen-Enteignen, aber das, wo die Leute vor die Tür gesetzt werden, wo sie echte Nöte erfahren, das sind die Eigenbedarfskündigungen von privaten Eigentümern. Da gehts nicht darum, dass die Miete erhöht wird, sondern ob man überhaupt noch da wohnen darf.“


Präventiver Erwerb

Viel Geld für wenig Wohnraum. Foto: Imago/McPHOTO

„Wir haben durch das Vorkaufsrecht gelernt, dass viele Alteigentümer ihre Häuser gerne so verkaufen würden, dass die Mieter bleiben können, und nicht an jemanden, der eine maximale Verwertung im Schilde führt. Das nennen wir den präventiven Erwerb und den wollen wir nun öfter ermöglichen.“


Gemeinschaftlicher Hauskauf

Ein guter Genosse. Aber auch ein guter Hauseigentümer? Foto: Imago/UIG

„Die Mieter sollten Beratungsangebote und Vorbilder zum gemeinschaftlichen Hauskauf gestellt bekommen – als Genossen zum Beispiel. Darlehen vom Land gibt es bereits dafür.“


Kooperative Stadtentwicklung

Beispiel für kooperative Stadtentwicklung: Das Holzmarkt-Gelände. Foto: Imago/Schöning

„Das Bezirksamt bekommt einen Verkauf erst mit, wenn der Kaufvertrag geschlossen ist, und nur noch behördlich abgesegnet werden muss. Deshalb sollten Mieter selbst in Aktion treten und Spielräume ausloten. Wir wollen einen ganzen Fachbereich als Ansprechpartner für kooperative Stadtentwicklung aufbauen.“


Milieuschutz

In Milieuschutzgebieten gelten für Investoren besonders strenge Bedingungen. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

„Mehr Milieuschutzgebiet geht kaum, wir haben unseren Bezirk inzwischen fast komplett abgedeckt.“


Vorkaufsrecht

Schrottimmobilie in Steglitz-Zehlendorf. Foto: Imago/Jürgen Ritter

„Schrottimmobilien und unbebaute Flächen dürfen wir immer noch vorkaufen, das werden wir auch versuchen. Und wir setzen auch auf die schnelle Erneuerung des Vorkaufsrechts, die die Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt hat.“


Wohnraumspekulation

Wohnraumspekulation für Dummys. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

„Ich glaube, es ist Konsens, dass wir als Gesellschaft nicht wollen, dass die Preisspirale durch Wohnraumspekulation weiter nach oben geht. Die Situation hat sich verschärft und sie wird sich weiter verschärfen, der Druck auf die Bundesebene wird zunehmend steigen, da wird von der Gesellschaft eine Reaktion kommen.“


Die Zukunft der Stadt

Wird es in Zukunft noch öfter geben: Polizeieinsätze wegen Räumungen wie dieser in der Köpenicker Straße. Foto: Imago/Stefan Zeitz

„In vielen Teilen der Berliner Innenstadt kann in den nächsten Jahren ein Drittel der Häuser per Eigenbedarfskündigung geräumt werden, das wird ein Riesenthema werden, ein Tsunami, egal wie viel sie in der Stadtrandlage bauen. Die Projektentwickler haben bereits Dollarzeichen in den Augen und werden an Selbstnutzer verkaufen, sobald die Schutzfristen nach dem Verkauf abgelaufen sind.“


Mehr Wohnungspolitik in Berlin

Buch von Florian Schmidt: Wir holen uns die Stadt zurück – Wie wir uns gegen Mietenwahnsinn und Bodenspekulation wehren können. Ullstein extra, 2021, 17,99 Euro

Die Ernennung der neuen Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt lässt Böses ahnen. 12 Dokus über den Wohnungsmarkt zum Streamen. Besetzte Häuser in Berlin: Linke Geschichte von Köpi bis Rigaer 94. Aktuelle Geschichten zum Stadtleben in Berlin findet ihr hier.

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