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Kommentar

Alkoholverbot in Parks: Das lächerliche Überbleibsel der harten Tage

Das Leben kehrt wieder nach Berlin zurück. Menschen gehen raus, ins Museum, ins Restaurant, in Bars, Clubs und in die Parks der Stadt. Die meisten genießen das – und stoßen nun auch gerne mal wieder auf die wiedergewonnen Freiheiten an. Und das in Bars, Restaurants und Parks. Doch eigentlich gilt das Alkoholverbot in öffentlichen Grünanlagen noch immer, ein lächerliches Überbleibsel der harten Tage. Das weiß aber kaum jemand – und so beging auch unsere Autorin am vergangenen Wochenende ihre erste Ordnungswidrigkeit.

Im Dauereinsatz: Auch im Mauerpark finden ständig Kontrollen durch die Berliner Polizei statt. Immer öfter eskaliert die Lage. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Verbot von Alkohol in den Berliner Parks und auf Parkplätzen

Im Winter galt ein Alkoholverbot in Berlin im gesamten öffentlichen Raum. Da sah man Menschen aus Papptüten trinken oder sich nach rechts und links umguckend in die Jackentasche greifen, um einen Schluck Glühwein zu schlürfen. Beliebte Orte für den „Glühwein-Strich“ waren hier die Stargarder Straße im Prenzlauer Berg oder der Simon-Dach-Kiez. Seit dem 14. Februar ist das öffentliche Trinken wieder erlaubt – außer in Parks und auf Parkplätzen.

Gut, so mancher wollte sich auch noch nicht im kalten Februar mit leckeren Kaltgetränken auf die noch gefrorene Wiese legen, doch sobald die ersten Sonnenstrahlen heraus kamen, waren die Berliner Parks voll mit Menschen. Und Flaschen. Bier und Sekt sind hier besonders beliebt. In jeder dritten Instagram-Story sah ich Leute in Berliner Parks, die der Kamera zuprosteten und in kleinen Gruppen zusammensaßen. Alles erlaubt, dachte ich.

Austrinken geht, danach is Feierabend

Am vergangenen Wochenende feierte eine Freundin Geburtstag. Genau am 3. Juli, dem Tag, an dem jegliche Kontaktbeschränkungen im Freien aufgehoben wurden. Wir waren eine Gruppe von zehn Menschen, entweder geimpft oder getestet. Natürlich wollten wir auf das Geburtstagskind anstoßen und waren um 19 Uhr im Treptower Park verabredet. Mit Sekt, Bier und einem bitteren Schnaps, der zum Geburtstag überreicht wurde. Wir saßen auf Decken und hörten Musik. Neben uns viele weitere größere und kleinere Gruppen, überall waren alkoholische Getränke zu sehen, doch alles im Rahmen, würde ich behaupten. Vor allem weit entfernt von den illegale Raves, die geil, aber unnötig sind.

Gegen 21 Uhr erschienen dann zwei oder drei Mannschaftswagen der Berliner Polizei. Mit zehn Beamt:innen schritten sie nun von Gruppe zu Gruppe, bis sie auch zu uns kamen. Zwei nette, sehr junge Polizisten wiesen uns, etwas verlegen, darauf hin, dass noch das Alkoholverbot in den Parks gelte. Es schien, als würden sie selbst gerne hier sitzen. Uns wurde gesagt, dass wir noch austrinken dürfen, doch dann sei Schluss.

Die Polizeibusse sind in den Berliner Parks keine Seltenheit mehr, schon seit vergangenem Jahr, auch, als es kühler war. Es wird ständig kontrolliert. Foto: Imago/tagesspiegel

Keine Lösung für die Parks: die Lage eskaliert immer öfter

Seit mehr als einem Jahr werden die Berliner Parks immer voller. Immer öfter finden Partys und Raves in großen Gruppen statt, wobei Teilnehmende lautstark feiern und Alkohol konsumieren. Schon lange bittet die Polizei um Konzepte von den Verantwortlichen in den Berliner Bezirken, doch es kommt nichts. Die Lage in den Parks spitzt sich immer weiter zu, wenn dort Hundertschaften mit Flutlichtanlagen, Wasserwerfern und Hundestaffel durch die Grünanlagen ziehen. Vor allem Jugendliche sind dabei wohl bereit, Regeln zu brechen und reagieren aggressiv auf die Polizei.

Für viele Menschen sind die Regeln nicht mehr ganz nachvollziehbar. Durch die ständigen Änderungen kommen wohl auch viele nicht mehr hinterher. Was ist nun erlaubt und was nicht? Erinnert sich noch jemand an die 15-Kilometer-Regel vom Anfang des Jahres? Diese Beschlüsse werden in den Berliner Sitzungssälen und an den Verwaltungsschreibtischen getroffen. Die Polizei muss damit dann auf die Straße. Die jungen Herren, die am Samstag mit uns sprachen, griffen sich dabei des Öfteren verlegen an den Kopf. Es glich einer Entschuldigung, als sie versuchten uns zu erklären, dass niemand weiß, dass das Alkoholverbot noch gelte und sie jeder Gruppe das Gleiche erzählen würden.

Quotenerfüllung beim Alkoholverbot?

Ich hatte ein wenig Glück. Ich stand mit einer Freundin grade etwas weiter ab, als die Polizist:innen nach einer halben Stunde das zweite Mal an uns vorbeiliefen. Vier Freund:innen mussten ihre Personalien angeben, sie hatten noch immer ein Bier in der Hand. Sie wurden wegen einer Ordnungswidrigkeit aufgeschrieben und erhalten wohl in den nächsten Tagen Post. Bußgeld 50 bis 80 Euro haben sie gesagt.

Komisch nur, dass andere verschont blieben. Neben uns war sogar eine größere Gruppe, auch sie hatten alkoholische Getränke dabei. Doch nachdem die Polizei bei uns vier Leute aufschrieb, ging es zurück zu den Mannschaftswagen. Anscheinend waren vier Ordnungswidrigkeiten erst einmal genug.

Trotz und Frust bei jungen Erwachsenen

Sommer in Berlin: Schon letztes Jahr zog es viele jedes Wochenende in die Hasenheide, zu illegalen Partys. Die Polizei hat viel zu tun. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Weinbergspark, James-Simon-Park, Mauerpark, Hasenheide, Treptower Park und Tempelhofer Feld. Die Hotspots für illegale Raves und Zusammenkünfte. Mal eskaliert es in dem einen Park, mal in dem anderen und oft in vielen gleichzeitig. Die Polizei ist überfordert, muss sich mit hunderten, fast tausenden, Menschen auseinandersetzen, was oft nicht ganz ungefährlich ist. Doch auch die Feiernden sind genervt und reagieren trotzig auf die Polizei. Auch in der Hinsicht, dass es wohl besser ist, sich draußen zu treffen, anstatt Partys in den Wohnungen zu feiern.

Der Frust ist nachvollziehbar. Nach über einem Jahr voller Einschränkungen, wollen viele, vor allem junge Erwachsene, nun endlich wieder ein wenig das Leben genießen. Auch verständlich. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene haben im letzten Jahr viel Lebensqualität verloren, haben zurückgesteckt für die ältere Generation. Richtig wahrgenommen hat das irgendwie niemand.

Alkoholverbot: Was ist nun richtig?

Noch immer wird mir mulmig bei großen Menschenansammlungen. Man ist es einfach nicht mehr gewöhnt, nach so langer Zeit. Doch es ist schön, wieder Menschen zu sehen, tanzende und lachende Menschen, die nun einmal zu Berlin gehören, die die Stadt ausmachen und die den Sommer in Berlin zu etwas Einzigartigem machen. Über die großen illegalen Veranstaltungen lässt sich natürlich streiten. Räumt euren Müll weg, lasst euch testen und bleibt da wo es niemanden stört. Vor allem geht wieder in die Kulturstätten und auf legale Open-Airs! Berlins Kulturszene wacht grade wieder auf und braucht Unterstützung.

Auch auf dem Tempelhofer Feld ist immer viel los. Hier tanzen regelmäßig Menschen. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Auch wird in Berlin immer mehr gelockert. Auch Clubbesuche sind nun wieder möglich. Vielleicht entspannt sich die Lage bald von alleine. Wenn es jedoch wirklich dazu kommt, dass die Parks um 22 Uhr abgezäunt und geschlossen werden, dann wird sich die große Feindseligkeit zwischen feierwütigen Jugendlichen und der Polizei nicht wirklich entspannen. Vielleicht sollten so manche einmal aus den Sitzungssälen herauskommen, sich die wirklich Berliner Party-Nacht anschauen und der zur Zeit ziemlich hilflos wirkenden Polizei unter die Arme greifen.

11. Juli: Endlich wieder auf Parkplätzen bechern

Bis zum 11. Juli gilt das Alkoholverbot in den Berliner Parks und auf Parkplätzen noch. Es ist wohl die am wenigsten kommunizierte Corona-Maßnahme. Natürlich, wenn sich jemand unangemessen verhält, muss er oder sie dafür grade stehen, doch es war wirklich zum Kopf schütteln, als meine Freund:innen ihre Kontaktdaten angeben mussten. Vier Flaschen Sekt sind eine Ordnungswidrigkeit. Aber das auch nicht bei allen. Kurios, was alles im letzten Jahr passiert ist.

So müssen wir noch einige Tage warten, bis wieder in den Parks und auf Parkplätzen offiziell gebechert werden kann. Vor allem auf das Trinken auf den Parkplätzen freuen sich wohl alle.


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Wir freuen uns sehr, dass noch Festivals im Sommer geplant sind. Achso: Und wer raven kann, sollte bitte auch seinen Müll einsammeln – findet tipBerlin-Autorin Xenia Balzereit. Außerdem aktualisieren wir jede Woche unser Club-Update mit allen News zu den Berliner Clubs und Partys.

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