Kommentar

Umdenken bei Berliner CDU? So sozial kann die Partei jetzt werden

Bei der Berliner CDU gibt es eine Kehrtwende. Klagten sie noch im vergangenen Jahr gegen den Mietendeckel, setzen sie sich heute für faires Wohnen ein, heißt es zumindest in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier. Ein Schelm, der der Partei hier Catfishing mit linken Positionen vorwirft. In jedem Fall fordern die Christdemokraten nun einen 13. Bezirk irgendwo zwischen Speckgürtel und Brandenburg, dicht bebaut mit 60.000 Wohnungen. Brandenburgs CDU bezeichnet das zwar als Unfug, aber das ist den Berliner Parteikollegen egal. Um das neuerwachte soziale Bewusstsein bisschen anzuheizen, haben wir noch ein paar weitere Vorschläge für die Berliner CDU.


Einen Mietendeckel fordern

Für den Mieterschutz kann die Berliner CDU ja diesmal nicht gegen eine effiziente Maßnahme klagen. Foto: Imago/imagebroker/Joko

Wenn die Berliner CDU den Mieterschutz schon „scharf stellen“ will, kann sie doch auch gleich einen Mietendeckel fordern, immerhin ist es das effizienteste Mittel. Bestenfalls die Idee noch als die eigene bezeichnen, damit die Parteilinie auch gewahrt wird. Neunmalkluge mögen jetzt behaupten, dass es sowas bereits gab, im vergangenen Jahr. Und dass eben die Herz-für-Mieter-CDU dagegen geklagt hat. Doch das Gros der Wählerschaft leidet eventuell an Gedächtnisschwund, also los. Letztlich muss sie sich nur gegen Giffey, FDP und AfD durchsetzen. Wenigstens sind letztere in Berlin eher B-Mannschaften.


Auf Worte wie „Asyltourismus“ und „Sozialtourismus“ verzichten

Tu’s nicht, Kai, bitte. Foto: Imago/Hartenfelser

Eigentlich ist Parteiobermotz Friedrich Merz zurückgerudert, nachdem er im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine vor einem Sozialtourismus warnte. Weit kam er aber nicht, kurz darauf sprach er vom Pull-Faktor, also dass die sozialen Leistungen Deutschlands falsche Anreize für Menschen aus anderen Ländern setzen. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sprach wiederum von einem „Asyltourismus“. Dergleichen hat die Berliner CDU noch nicht getan. Sollte vielleicht dabei bleiben, immerhin gibt es für die Bezeichnungen sowie den rechtstoxisch aufgeladenen Begriff „Pull-Faktor“ keine Evidenz. Noch besser: Sie stellt sich gegen die beiden Fluchtexperten.


Erstmal das Thema „Kopftuchverbot“ aufgeben

Die Berliner CDU kann sich das bezüglich Kopftücher ja mal zurücknehmen. Foto: Imago/Mauersberger

Das Neutralitätsgesetz sollte abgeschafft werden, empfahl die vom Berliner Senat einberufene Expertenkommission antimuslimischer Rassismus im September. Es sei eine „systematische und institutionalisierte Diskriminierung gegenüber Frauen mit Kopftuch ohne sachliche Rechtfertigung“. Natürlich hält die Berliner CDU dagegen. Das Gesetz leiste im Gegenteil einen wichtigen Beitrag, das friedliche Zusammenleben in der Stadt zu stärken, sagt etwa kirchenpolitische Sprecherin Cornelia Seibeld.

Wird das Thema in den öffentlichen Diskurs gespült, und das passiert häufig, stürzt sich die CDU drauf. Ein oppositioneller Selbstläufer, immerhin sind Rot-Rot-Grün sich darin seit jeher uneins. Mit Blick auf die verbalen Entgleisungen der Kollegen (Asyltourismus) und den meist sehr schlechten Argumenten zum Thema, könnte die Partei sich diesem Gesellschaftsspalter aber eine Zeit entledigen. Täte der Partei gut.


Sinn der A100 nochmal prüfen

Immer für die A100 zu haben: der Berliner CDU-Politiker Stefan Evers. Foto: Imago/IPON

Viele Vorteile bringt der A100-Ausbau, der Stuttgarter Bahnhof Berlins, nicht. Stadtautobahnen sind nicht mehr zeitgemäß, klimapolitisch fatal, eine Fehlinvestition und entlasten nur temporär die Innenstadt vom Autoverkehr, wie unter anderem Mobilitätsforscherin Anne Klein-Hitpaß der Berliner Morgenpost erklärt. Da es sich dabei ohnehin um ein Projekt handelt, das eigentlich nur Autobesitzer:innen in bestimmten Fällen nutzt, wäre es doch deutlich schlüssiger, umzudenken, vielleicht zu schauen, was stattdessen mit dem 17. Autobahnabschnitt gemacht werden könnte. Windkraftanlagen hinzimmern wäre doch was für Berlin.


Nochmal über das Landesantidiskrimierungsgesetz (LADG) nachdenken

Wen die Berliner Polizei hier wohl jagt? Foto: Imago/Seeliger

Mit dem LADG und der mit ihm verbundenen Meldestelle, haben Berliner:innen endlich einen, wenn auch kleinen, Schutz vor Diskrimierung – etwa bei Rassismus und Ableismus. Und die Berliner CDU, nun, die sah darin bisher einen Misstrauensbeweis gegen die Polizist:innen, schrieb sie 2021 in ihr Parteiprogramm. Vielleicht wäre hier die Einsicht gut, dass ein Gesetz, das eine sonst nur wenig haftbare Institution haftbar macht, einen gesellschaftlichen Fortschritt bedeutet.

Sollte die CDU diesen Gedanken verwerfen, kann sie auch gleich die Schleierfahndung mitnehmen. Für diese sprach sich die Partei ebenfalls aus. Keine Diskriminierung und etwas, das Racial Profiling begünstigt, ganz fiese Kombination. Bis zur nächsten Wahl ist ja noch Zeit.


Mehr zum Thema

Auch der Senat muss sein soziales Bewusstsein schärfen, er kann immerhin realpolitisch etwas tun, zum Beispiel gegen die hohen Nebenkosten in Berlin. Dafür, so scheint es, läuft es in Sachen Digitalisierung bei den Berliner Behörden rund. Was Berlin noch bewegt, lest ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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