Der Tod von George Floyd im US-amerikanischen Minneapolis hat weltweit zu Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt geführt – auch in Berlin. Auch für dieses Wochenende ist wieder eine Black Lives Matter Demonstration in Berlin auf dem Alexanderplatz angekündigt.
Der Versammlungsort wurde am Donnerstag kurzfristig vom Potsdamer Platz auf den Alexanderplatz geändert. Grund war die Meldung, dass zeitgleich rechte Gruppen eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe planten. Nach Polizeiangaben hat unter anderem der Landesverband der NPD eine Mahnwache unter dem Banner „White Lives Matter“ angemeldet.
Black Lives Matter Demonstration in Berlin: Warum auch hier demonstriert wird
Rassismus und Polizeigewalt sind allerdings keine Probleme, die ausschließlich in den USA stattfinden, sagt Tahir Della vom Verein „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“. „Es wird gerne auf die USA und Trump gezeigt, aber dabei fällt hinten runter, dass Polizeigewalt auch in Deutschland stattfindet.“
Auch Karen Taylor vom Berliner Verein „Each One Teach One“ weist darauf hin: „Die Organisation Death in Custody listet über listet 194 Todesfälle in Gewahrsam verursacht durch Polizei und Wachpersonal. Dabei sind insbesondere Schwarze Menschen und People of Colour betroffen“. In Deutschland passiere dies vor allem hinter verschlossenen Türen, ohne Kameras – und die Öffentlichkeit nehme diese Fälle kaum wahr, obwohl Schwarze Organisationen regelmäßig davon berichten.
Auch in Deutschland findet rassistische Polizeigewalt statt
Es ist wichtig, in der derzeitigen Diskussion den Fokus nicht ausschließlich auf die USA zu richten: „Auch das Terrornetzwerk NSU aus Thüringen hat deutlich gemacht, dass es institutionellen Rassismus auch in Deutschland gibt“, so Della. Es bringe eben nichts nur auf die USA zu zeigen.
Schon die Debatten um das am Donnerstag, dem 5. Juni verabschiedete Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz und der Widerstand der Polizeigewerkschaften machten klar, dass es in Deutschland noch kein ausgeprägtes Problembewusstsein gäbe. Della fordert deswegen unabhängige Beschwerdestellen: „Es muss auch Konsequenzen geben für Polizeibeamt*innen, die sich rassistischen Handlungen schuldig machen. Sie müssen wissen: Wenn ich Grenzen überschreite, dann hat das auch Folgen.“
Black Lives Matter: Solidarität nicht nur mit Menschen in den USA, sondern auch in Berlin
Im Alltag sei es besonders wichtig, im eigenen Umfeld aufmerksam zu sein: „Es ist wichtig, sich zu solidarisieren. Nicht bloß mit den Menschen in den USA, sondern auch hier in Deutschland. Und sich auf lange Sicht zu überlegen, was man auch als Einzelperson tun kann.“
Das kann ganz einfach sein: „Eine Sache, bei der jeder direkt mitmachen kann, ist es, sich über Rassismus und Anti-Schwarzen Rassismus (ASR) zu informieren“, sagt Taylor. „Als weiße Person sollte man erkennen, dass man nicht persönlich, aber als Person in diesem System mit besonderer Machtstruktur lebt. Weiße Personen müssen ihre Privilegien in einer Machtstruktur reflektieren, die Schwarze Menschen entmenschlicht und benachteiligt“. Die kaum aufgearbeitete koloniale Vergangenheit Deutschlands trage zu diesem Unwissen bei.
Gegen Rassismus auch im Frendeskreis eintreten
Genauso wichtig ist es, rassistischen Witzen und Sprüchen auch im Freundeskreis oder in der Familie entgegenzutreten: „Man muss in den eigenen Strukturen Awareness wecken“. Dazu gehört auch, achtsam zu sein, wenn man Zeuge wird, wie Polizist*innen eine Schwarze Person oder eine Person of Colour durchsuchen oder festnehmen.
Josephine Apraku vom Institut für Diskriminierungsfreie Bildung empfiehlt auch, an Vereine und Organisationen mit Geldspenden zu unterstützen: „Nicht nur jetzt sondern auch regelmäßig, weil Arbeit sehr prekär ist“. Diese Vereine haben oft nur geringe Ressourcen und sind abhängig vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder.
„Solidaritätsbekundungen sind wichtig“, sagt Taylor, „das darf aber nicht in nichts aufgehen. Wenn auch in Zukunft Schwarze Organisationen in Berlin oder in Deutschland Aufrufe starten, die mit Fällen in Deutschland zu tun haben, sollte man ihnen die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden lassen!“
„Nein zu Rassismus“ Silent Protest
Samstag, 6. Juni 2020, 14–16.30 Uhr, am Alexanderplatz
Es wird gebeten, Masken zu tragen und den Mindestabstand zu wahren
Ihr wollt euch zum Thema Antirassismus weiterbilden? Wunderbar: in den letzten Jahren sind auch in Deutschland einige empfehlenswerte Bücher zum Thema erschienen. Eine kleine Auswahl hat „She said“ zusammengestellt: Berlins neue Frauenbuchhandlung, die ihren Fokus auf Autorinnen und queere Literatur setzt.