Mit einer Ampelkoalition könnte eine Cannabislegalisierung erfolgen. Endlich naht ein Ende der meist schwerfälligen und häufig peinlichen Debatten, bei denen sich auch Befürworter:innen nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. Ist eben eine Begleiterscheinung emotional aufgeladener Themen. Die meisten Kiffenden macht Gras glücklich und entspannt, also kämpfen sie aufs Härteste für ihr grünes Gold. Hinter dem Verbot wittern sie Ungerechtigkeit, das macht sauer. Doch so sehr sie auch die Fassung verlieren, so schlecht sie gelegentlich argumentieren, die Gegner:innen, etwa Drogenbeauftragte Daniela Ludwig, unterbieten das in der Regel. Heißt aber nicht, dass sie nicht manchmal auch gute Punkte hätten. Ob sie reichen, um eine Cannabislegalisierung auch 2021 weiterhin zu unterbinden?
Wie gefährlich wäre eine Cannabislegalisierung?
„Weil Alkohol gefährlich ist, ist Cannabis noch kein Brokkoli“, sagte die Bundesdrogenbeauftragte 2020. Hätte sie einen Dolmetscher (und etwas mehr Charisma) gehabt, wäre die Aussage vielleicht nicht zum Meme der Befürworter:innen geworden. Cannabis beherbergt ein gewisses Risikopotential. Etwa können Konsumstörungen bei einem von zehn Konsument:innen auftreten, zeigte kürzlich eine Studie. Gemeint sind damit leichte Auffälligkeiten wie Vergesslichkeit, aber auch schwere psychische Probleme, zum Beispiel Psychosen. Entsprechend warnte auch kürzlich der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei die Sondierungsteams von SPD, FDP und die Grünen vor einer Verharmlosung der Droge.
Bezogen auf schwere psychische Erkrankungen ist jedoch unklar, ob Cannabis ein Auslöser ist oder diese nur fördert. Bei letzterem müsste eine genetische Veranlagung vorliegen. Die Studienlage ist diesbezüglich seit Jahren unklar, schließt eine Zusammenfassung aller relevanten Studien bis 2017. Ein harmloses Wunderkraut ist Gras aber nicht. Zumindest nicht ganz. Fakt ist, dass Jugendliche besonders häufig von schweren Folgen betroffen sind, da sich ihr Gehirn noch in der Entwicklung befindet. Ein Argument gegen eine Cannabislegalisierung ist das aber nicht. Grüne und FDP wünsche sich eine kontrollierte Abgabe in spezialisierten Geschäften, den Begriff „Coffeeshops“ umgingen sie. Das ginge auch mit einem Mindestalter einher. Alkohol ist für die Entwicklung ebenso schädlich, weshalb Kids sich in einer Bar nicht mal eben ein Bier bestellen können. Kontrolliert heißt nicht, dass Cannabis-Pröbchen am Bahnhof verteilt würden.
Illegal verteilt wird sowieso schon. Nicht kostenlos und aus nicht nachvollziehbarem Anbau, im Görli, am Berliner Bahnhof, vorm Kaufland an der Osloer Straße in Wedding. Kritisch, da der THC-Gehalt, der psychoaktive oder knallende Wirkstoff, in den vergangenen Jahren enorm anstieg. Zudem kaufen einige auch CBD-Gras, die nichtknallende Variante, und sprühen sie mit synthetischen Cannabinoiden ein. Die sind deutlich stärker und können mitunter tödliche Folgen haben. Mit einer Cannabislegalisierung wäre das Problem zwar nicht völlig gelöst, der Schwarzmarkt wird wahrscheinlich in kleinerem Ausmaß weiterbestehen (Wettbewerb, juhu), dafür aber gedrosselt.
Start in eine vernebelte Zukunft mit legalem Cannabis?
Um die verbliebenen Dealer:innen könnte sich die Polizei bei einer Legalisierung kümmern. Aktuell führt die Kriminalisierung zu einer „unnötigen“ Mehrbelastung. 2020 hat die Polizei mehr als 220.000 Delikte mit Cannabis erfasst. In Sachen Rauschgiftkriminalität belegt es den ersten Platz. Amphetamin liegt dahinter, wenngleich auch mit 39.000 Fällen in gewissem Abstand. Bei rund 188.000 Cannabisdelikten handelt es sich um Verstöße zum Erwerb und Abgabe.
Das Bundeskriminalamt spricht hier im gewohnt langweiligen Ton von konsumnahen Delikten. Den bürokratischen Aufwand für Staatsanwaltschaft eingerechnet ist das ein Batzen Arbeit, der mit einer Ampelkoalition wegfallen dürfte. Dass die Deutsche Polizeigewerkschaft bei einer Legalisierung von einem Start in eine vernebelte Zukunft spricht, ist ungewollt passend. Lösen sich doch dann einige Klageschriften in Rauch auf. Die möglicherweise stark angeschlagenen Existenzen, die Verfahren mit sich bringen können, könnte man dann sogar sanieren. Auch hier gibt es aber Widerspruch.
Für Polizei und CDU waren die Konsequenzen ein Mittel der Abschreckung. Wer Angst hat, wird nicht kiffen. Mit einer Legalisierung könnte sich das ändern. Plötzlich drehen sie dann alle, die Kleinkinder und Rentner:innen, Punks und Bankangestellte, Buchhalter:innen und Gründer:innen. Joints, Joints, Joints. Unklar, ob das so stimmt. Studien aus anderen Ländern, die bereits legalisierten, sind laut einer Auswertung nicht zuverlässig. Klar ist hingegen, dass sehr wahrscheinlich deutlich mehr Konsument:innen bei einer Cannabislegalisierung auftauchen, sofern die Läden ihre Kund:innen erfassen. Viele waren aber auch vorher da – versteckt in Dunkelziffern. Neulinge und Interessent:innen wären zwar auch dabei, auf den Geschmack kommen müssen sie aber nicht.
Eine Cannabislegalisierung bringt Geld, Geld, Geld
Natürlich ist das Vorhaben der Ampelparteien nicht rein altruistisch gegenüber Bürger:innen und Exekutive. Die FDP hofft, dass eine Legalisierung mehr Steuereinnahmen mit sich bringt. Mehr Steuern wären der Fall. Ein Produkt, das bereits eine feste Abnehmerschaft hat, wird sich wunderbar verkaufen. Von Beträgen in Milliardenhöhe gehen die Liberalen aus. Eventuell. Dem Bundesstaat Colorado flossen in den vergangenen sechs Jahren 1,6 Milliarden US-Dollar zu. Alles Dank einer Cannabislegalisierung. Stellt sich nur die Frage, wen die FDP dann entlasten würde. Der Verdacht geht nach oben.
Grundsätzlich dürfte eine progressivere Drogenpolitik zu mehr Aufklärung führen. In Portugal funktioniert das bereits ganz gut, könnte hierzulande ebenso sein. Auch wenn dort Cannabis lediglich entkriminalisiert ist. Eine Cannabislegalisierung könnte außerdem der Forschung zugutekommen, sie gegebenenfalls erleichtern. Es gäbe bessere Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen auf die Psyche, die wiederum in die Prävention fließen können.
Viele Vorteile also, die die Ampelkoalition in diesem Punkt mit sich bringen würde. Einzig Dealer:innen dürften nicht profitieren. Da sich viele von ihnen damit ihren Lebensunterhalt verdienen, ergo abhängig sind. Es wäre auch etwas verklärt, zu behaupten, dass die es sich so ausgesucht hätten. Muss nicht sein. Schwer vorstellbar, dass die Regierung das mitbedenkt. Für die Gegner:innen eigentlich ein gutes Gegenargument. Mal abgesehen davon, dass sie in eine Widerspruchsfalle tappen. Dann würden sie den (illegalen) Cannabishandel schließlich gutheißen. Na ja, viel anderes bleibt ihnen auch nicht übrig.
Welche Auswirkungen eine restriktive Drogenpolitik habt, zeigt unser Bericht vom Görlitzer Park. Natürlich können Drogen auch wahnsinnig destruktiv sein. Wie sehr, erzählte eine Suchthelferin. Und falls das noch nicht aufwühlend genug ist, könnt ihr hier eine Geschichte zum Thema Drogensucht lesen. Mehr Politik-Themen, die auch Berlin betreffen, gibt es hier.