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Vote Clubkultur? So wollen die Berliner Parteien die Clubs schützen

Clubkultur meets Politik: Im Schwuz haben Berliner Abgeordnete ihre Positionen zum Berliner Nachtleben diskutiert. Wer möchte die Clubs schützen – und vor allem wie? Wir haben genauer hingeschaut.

Journalistin Gesine Kühne moderiert durch die Veranstaltung im Schwuz. Foto: Wesley Mayer

Clubpolitik, ein schwieriges Thema

Die Wiederholung der Berliner Landtagswahl steht an und auch die Berliner Clublandschaft will ihre Interessen vertreten wissen. Geladen von der Clubcommission trafen sich kürzlich allerhand Politiker:innen im Schwuz, um über Clubpolitik zu diskutieren. Mit dabei: Klaus Lederer (Die Linke), Tamara Lüdke (SPD), Stefan Förster (FDP), Christian Goiny (CDU) und Julian Schwarze (Bündnis 90/Die Grünen).

Kein leichtes Unterfangen, denn die Probleme der Clublandschaft sind mannigfaltig: Die Energiekrise trifft Clubs besonders hart, die aus Pandemiezeiten nachgeholten Konzerte schaffen ein massives Überangebot im Programm, während die gestiegenen Preise immer mehr Menschen vom Feiern ausschließen. Der geplante Ausbau der A100 und die zunehmende Bebauung der Stadt bedrohen die Existenz zahlreicher Clubs und auch in der Drogenpolitik gibt es weiterhin Verbesserungsbedarf.

Wie also will die Politik diese Probleme angehen? Nun, die Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze. So unterschiedlich, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Wir helfen aus.


Die SPD

Verstehen sich ganz wunderbar an diesem Abend: Grünen-Politiker Julian Schwarze (l.) und SPD-Politikerin Tamara Lüdke. Foto: Wesley Mayer

Los geht es mit den Sozialdemokraten! Um gegen das Clubsterben anzugehen und Clubs langfristig abzusichern, plant die Partei etliche Maßnahmen: Clubs sollen auf Bundesebene als kulturelle Einrichtungen anerkannt und damit Opern und Theatern gleichgestellt werden. Die SPD will zudem Standorte, die dem Land Berlin gehören, für eine clubkulturelle Nutzung öffnen und eigene “Kulturschutzgebiete” einführen. Auch im Baurecht soll eine neue Kategorie, das “Kulturgebiet”, eingeführt werden. 

Zudem will man zum sogenannten “Agent of Change Prinzip” wechseln. Damit sind Investoren, die neue Immobilien in der Nähe von Clubs ansiedeln, selbst für die Kosten des notwendigen Lärmschutzes verantwortlich. Um in den potentiellen Konflikten zu vermitteln, soll eine eigene “Clearingstelle” eingeführt werden. Beim Lärmschutz wollen die Sozialdemokraten am sogenannten „Schallschutzfond“ festhalten. Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm, das lärmmindernde Maßnahmen finanziell bezuschusst.

Einwegspritzen für Drogensüchtige am Bahnhof Zoo. Derartige Maßnahmen zur Risikominimierung sind in der Berliner Landespolitik nicht unumstritten.

Außerdem will man sich für eine Änderung der sogenannten “TA Lärm” – der “Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm” – einsetzen. Dabei handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift, die dem Schutz der Nachbarschaft vor Geräuschen dient. Während Straßen- oder Fluglärm ausgenommen sind, gilt sie jedoch für die Geräuschkulisse, die von Clubs ausgeht. Detailfragen, an die man als Clubgänger:in eher selten denkt. 

Mit Blick auf die Berliner Free-Open-Air-Kultur befürwortet die SPD vereinfachte Genehmigungsverfahren und zeigt sich auch für ein sogenanntes “Freiluftpartygesetz” offen, wie es in Bremen gilt. Priorität hat dabei jedoch die Sicherung des Umweltschutzes. 

Zudem möchte die Partei Projekte wie die “Awareness Akademie” der Clubcommission  oder “Sonar” finanziell unterstützen. Die SPD spricht sich zudem klar gegen einen Weiterbau der A100 aus. Dem seit vielen Jahrzehnten geplante 17. Bauabschnitt müssten viele Clubs weichen. 


Die CDU

Christian Goiny (CDU) erklärt seine Positionen zum Erhalt der Clubkultur. Foto: Wesley Mayer

Auch die Berliner CDU beteuert ihre Verbundenheit zur Clubkultur und will einen sogenannten “Stadtentwicklungsplan Kultur” erarbeiten. Landeseigene Grundstücke sollen demnach verstärkt auch für Standorte der “Kreativwirtschaft” genutzt werden können und planungsrechtlich abgesichert werden – so soll dem Clubsterben entgegengewirkt werden.

Außerdem wollen die Christdemokraten in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sowie in den entsprechenden Bezirksämtern eine eigene Schnittstelle für die „Kreativwirtschaft“ schaffen. Konkret will die CDU Berlin zudem den drei Clubstandorten Yaam, Alte Münze und Holzmarkt vertragliche Planungssicherheit einräumen.

Geregelte Privilegierungen für Kulturlärm

Um die Open-Air-Kultur zu stärken, wollen die Christdemokraten die Genehmigungsverfahren “einheitlicher, verlässlicher, schneller, kostengünstiger und veranstalterfreundlicher” gestalten. In Sachen Lärmschutz fordert man “geregelte Privilegierungen für Kulturlärm”. Bedeutet: Die Ausnahmen für die Geräusche, die durch Clubs entstehen, sollen erweitert werden. Hinsichtlich der bestehenden kulturellen Förderungen sieht die Berliner CDU hingegen kein Defizit, vielmehr lehnt man Clubförderungen analog der bestehenden Kulturförderung ab. 

Awarenessarbeit beginnt der CDU zufolge bereits im Kindergarten. Sie verstehen diese als Teil ihres christlichen Menschenbildes, konkrete Förderungen braucht es daher nicht. Dafür sei man offen für eine Diskussion, “die Menschen vor Drogenkonsum bewahrt, vor deren Folgen warnt, Betroffenen hilft und die damit verbundene Kriminalität bekämpft.” 

Mit der CDU würde auch die Autobahn kommen: Den Weiterbau der A100 halten die Christdemokraten “verkehrspolitisch weiter für notwendig”. Ihr Vorschlag: Die Verlängerung soll unterirdisch als Tunnel erfolgen, sodass die Clubs im Anschluss wieder oberirdisch angesiedelt werden können. Aus dem Publikum im Schwuz gibt es für diese Idee lautstarkes Lachen.


Die Linke

Linken-Politiker Klaus Lederer (l) ist der aktuelle Berliner Senator für Kultur und Europa. Foto: Wesley Mayer

Weiter geht es mit den Linken. Hier hat der Berliner Senat für Kultur und Europa unter Klaus Lederer in den letzten Jahren eng mit der Clubcommission zusammengearbeitet und Projekte, wie etwa den “Tag der Clubkultur” ins Leben gerufen. 

Um dem Clubsterben entgegenzuwirken, fordert auch die Linke eine Gleichstellung der Clubs mit anderen Kulturstätten, insbesondere im Steuer- und Baurecht. Mit Blick auf die freie Open-Air-Kultur erinnert die Linke an die Initiative “Draußenstadt”: Dabei wurden etliche Orte in Berlin für Open-Air-Veranstaltungen geöffnet. Zusätzlich will man künftig die entsprechenden Genehmigungsverfahren digitalisieren und so vereinfachen.

Auch die Linke fordert, dass der Senat bei Bauvorhaben nach dem „Agent of Change-Prinzip“ vorgeht. Die Lärmschutzregelungen für Clubs sollen zudem individuell geregelt werden: Statt standardisierter Regelungen, spricht sich die Berliner Linke für eine “einzelfallorientierte Lärmkonfliktlösung” vor Ort in einem Nachbarschaftsrat aus. Der Weiterbau der A100 wird entschieden abgelehnt.

Wichtig ist ihnen dafür Awarenessarbeit, die sie mit Öffentlicher Förderung unterstützen wollen. In Fragen der Drogenpolitik spricht sich die Linke für eine Politik aus, die “Konsum nicht kriminalisiert und Konsumierende nicht stigmatisiert”. Stattdessen will man versuchen, die gesundheitlichen und sozialen Risiken für die Konsumierenden zu reduzieren. Die Linke will das für März geplante Drug-Checking-Modellprojekt daher verstetigen und mit ausreichend Mitteln ausstatten.


FDP

FDP-Politiker Stefan Förster (vorne) sitzt zurückgelehnt auf der Bühne des Schwuz. Foto: Wesley Mayer

Kommen wir zu den Liberalen: Die Berliner FDP erkennt zwar an, dass Clubs zum Leben in einer Großstadt dazu gehören und auch in Wohngebieten “prinzipiell möglich sein müssen”. Konkrete Maßnahmen sind jedoch nicht geplant. 

Die Schwierigkeiten der Open-Air-Kultur sieht man vor allem auf der Verwaltungsebene. Da Genehmigungen in Berlin “immer komplex und kompliziert” sind, will die FDP eine “radikale Verwaltungsreform”, welche die Zuständigkeiten zwischen dem Senat und den Bezirksämtern klar regelt.

Auch die FDP spricht sich für eine Verstetigung des Schallschutzfonds aus und zeigt sich gegenüber einer Aktualisierung der “TA Lärm” auf Bundesebene offen. Allerdings befürchten die Liberalen gleichzeitig Schwierigkeiten darin, einen fairen Kompromiss zwischen allen Interessengruppen zu erreichen.

Der Club „Wilde Renate“ in Berlin-Friedrichshain ist immer wieder von Verdrängung bedroht.

Statt auf eine Förderung von Awarenessarbeit setzt die FDP auf die – man halte sich fest – Eigenverantwortung der Clubbetreiber. Man erwarte, dass dort die nötige Sensibilität für solche Fragen bestehe. Auf Bundesebene ist die Drug-Checking ist aus Sicht der FDP Berlin zwar ein Modell, dass der Risikominimierung dient, soll jedoch “kein Freibrief sein, um den Konsum von Drogen zu bagatellisieren”. Lieber setzt man auf Präventionsmaßnahmen der Clubbetreiber selbst – etwa die Kontrolle mitgebrachter Drogen an der Tür.

Die FDP will Förderstrukturen „auf den Prüfstand stellen“ und auch die Möglichkeiten zur Unterstützung nichtkommerzieller Nachwuchsprojekte „regelmäßig evaluieren“. Konkrete Versprechen gibt es dazu keine. Der Weiterbau der A100 ist aus Sicht der FDP Berlin hingegen sinnvoll und notwendig. Man verspricht jedoch, Ersatzflächen für die Clubs zu finden.


Bündnis 90/Die Grünen

(V.l.n.r.) Stefan Förster (FDP), Julian Schwarze (Bündnis 90/Die Grünen), Tamara Lüdke (SPD), Marcel Weber, Betreiber des Schwuz, Pamela Schobeß, Klaus Lederer (Die Linke), Christian Goiny (CDU), und Moderatorin Gesine Kühne. Foto: Wesley Mayer

Auch die Grünen möchten die Bauverordnung nutzen, um Clubs vor Verdrängung zu schützen. Wie SPD und Linke, wollen auch die Grünen öffentliche Liegenschaften stärker für eine (club-)kulturelle Nutzung ausweisen. Perspektivisch sollen zudem bei Neubauprojekten Flächen für Clubs mitbedacht werden. Die Grünen fordern zudem ebenfalls, dass Clubkultur nun auch auf Bundesebene als Kultur erfasst wird – auch im Baugesetzbuch.

Tja, Politik ist kompliziert

Der Abend im Schwuz macht klar: Etliche der relevanten Entscheidungen liegen entweder auf Bezirks-, oder auf Bundesebene und fallen so nicht in die Zuständigkeit des Berliner Senats. Um Clubverdrängung wirksam etwas entgegenzusetzen, wollen die Grünen daher auch auf Bundesebene für ein “faires Gewerbemietrecht” kämpfen.

Mit Blick auf die Free-Open-Air-Kultur sprechen sich auch die Grünen für vereinfachte Genehmigungsverfahren aus, legen jedoch Wert darauf, dass die Umwelt nicht durch eine übermäßige Nutzung in Mitleidenschaft gezogen wird. Auch will man das Bremer Freiluft-/Open-Air-Gesetz für eine Umsetzung in Berlin prüfen.

Eine Fahrraddemo gegen den Ausbau der A100 vor dem Berliner Club „About Blank“. Foto: Lennart Koch

Ebenso soll der Schallschutzfonds weitergeführt, die “TA Lärm” angepasst werden und künftig nach “Agent-of-Change Prinzip” entschieden werden, wie es auch Linke und SPD fordern.

Die Berliner Grünen wollen zudem die Entwicklung diskriminierungssensibler Strukturen innerhalb der Clubkultur unterstützen. Dafür will man Projekte, Kampagnen und Aktionen, wie die Awareness Akademie oder das Projekt „Diversitygerechtes Ausgehen in Berlin“ fördern. Das Drug-Checking-Projekt, welches im März beginnt, soll weiter ausgebaut werden.

Die Grüne Berlin ist gegen einen Ausbau der A100 und möchte diese aus dem Berliner Flächennutzungsplan streichen. Zudem verspricht die Partei, keine Koalition einzugehen, die den Ausbau “nicht aufs Schärfste bekämpft”. 

Klar wird: Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, ist die Berliner Clubkultur allen Parteien wichtig. Das wird im SchwuZ immer wieder fleißig versichert. Offen bleibt, wie viel von diesem Engagement auch nach dem 12.02. übrig bleibt.


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