• Stadtleben
  • Politik
  • Der Deal mit Vonovia ändert für Berlin nichts am Enteignungsbedarf

Kommentar

Der Deal mit Vonovia ändert für Berlin nichts am Enteignungsbedarf

Vonovia schluckt voraussichtlich die Deutsche Wohnen. Damit gehören dem Konzern bald rund zehn Prozent der Mietwohnungen in Berlin. Das bedeutet: Weniger Unternehmen, die enteignet werden sollten, aber umso mehr Gründe dafür, findet unsere Autorin.

Mit der Übernahme würden Vonovia rund zehn Prozent der Wohnungen in Berlin gehören.
Mit der Übernahme würden Vonovia rund zehn Prozent der Wohnungen in Berlin gehören. Foto: Imago/Bildgehege

Es gibt Bewegung auf dem deutschen Wohnungsmarkt, oder besser: Ein Hai schluckt den anderen. Am Dienstagmorgen hat der größte deutsche Immobilienkonzern Vonovia bekanntgegeben, das zweitgrößte Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen übernehmen zu wollen. Damit wäre die Vonovia SE, wie das fusionierte Unternehmen dann heißen soll, der größte Immobilienkonzern in Europa. In Berlin besäße er dann rund zehn Prozent der Mietwohnungen.

Vonovia bietet Berlin nicht allzu viel

Um die Berliner Politik freundlich zu stimmen, bietet Vonovia der Stadt einige Zugeständnisse an: CEO Rolf Buch sprach am Dienstag von einem „Neuanfang“ in der Kommunikation mit den Städten und ihrer Gesellschaft und einem „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“. Mehreren Medien zufolge verspricht Vonovia, dass die Mieten in den nächsten drei Jahren um nicht mehr als ein Prozent steigen sollen, in den beiden Jahren danach soll bei Mietsteigerungen nur die Inflationsrate einfließen. Die Kosten für energetische Sanierungen sollen zudem nicht komplett auf die Mieter:innen umgelegt werden und es soll neu gebaut werden. 13.000 neue Wohnungen sollen es sein, davon ein Drittel Sozialwohnungen. Größere Wohnungen für Familien will Vonovia mit zu einem Preis, der zehn Prozent unter dem Mietspiegel liegt, vermieten. Das ist positiv.

Außerdem bietet das Unternehmen der Stadt an, 20.000 Wohnungen zu kaufen – wohlgemerkt zu regulären Marktpreisen. Also Preisen, die durch einen vollkommen aufgeblähten Immoblienmarkt, in dem Eigentümer:innen denjenigen, die mieten, mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus der Tasche ziehen, zustande gekommen sind.

Angesichts der Tatsache, dass die fusionierte Vonovia SE mit ihren rund zehn Prozent der Wohnungen in der Stadt einen erheblichen Einfluss auf die den Mietspiegel in Berlin hätte, sind das nicht genug Zugeständnisse. Denn auch wenn der Konzern in den nächsten Jahren auf Mieterhöhungen über die Inflationsrate hinaus verzichten will, ist klar: Danach werden sie wieder kommen, die krassen Mietsteigerungen. Der Deal ist Augenwischerei. Ziel großer Immobilienunternehmen bleibt Rendite und was zählt, ist das Wohlwollen derer, die die Aktien besitzen und nicht das derjenigen, die mieten.

Die Politik in Berlin hat keinen Einfluss auf den Deal mit Vonovia

Das zeigt sich allein daran, dass die Aktionärinnen und Aktionäre diejenigen sind, die letztlich entscheiden, ob die Fusion stattfindet – darunter kleine, aber auch Großaktionäre wie Black Rock und der norwegische Staatsfonds. So waren es 2016 auch die Aktionär:innen von Deutsche Wohnen, die den ersten Übernahmeversuch platzen ließen. I’ve got the money, I’ve got the place. Die Berliner Politik dagegen bestimmt nicht, ob die Übernahme zustande kommt. Der Grünen Spitzenkandidatin für den Oberbürgermeisterposten bleibt also fast nichts anderes übrig, als ihre Bereitschaft für Gespräche mit dem Riesenhai zu signalisieren.

Dass Vonovia den „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ anbietet, mag vor diesem Hintergrund großzügig erscheinen. Vielleicht ist das Angebot besser als gar nichts, weil es Mieter:innen ein wenig Sicherheit bietet, vor allem nach dem gescheiterten Mietendeckel. Vielleicht ändert sich wider Erwarten manches zum Guten, wenn der Vermieter nicht mehr Cruella DeVille sondern Dagobert Duck heißt. Klar ist: Wenn sich die Politik mit Vonovia an einen Tisch setzt, sollte sie nicht aufstehen, ohne den Pakt mit allen Zugeständnissen an die Stadt und an die Mieter:innen zu besiegeln.

So oder so aber bleibt eine Ohnmacht angesichts der Tatsache, dass die Aktionär:innen diejenigen sind, die über eine Fusion entscheiden, die das Leben Zehntausender Berliner:innen bestimmen könnte und dass die gewählten Volksvertreter:innen machtlos sind. Diese Erkenntnis wiederum könnte dem Volksbegehren und der Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ Aufwind geben. In einem Statement der Inititiave heißt es, Deutsche Wohnen habe sich für eine Übernahme durch Vonovia entschieden, um der Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Wir haben damit einen DAX-Konzern in die Knie gezwungen“, schreibt Sprecher Rouzbeh Taheri. Wer weiß, vielleicht hat das Volksbegehren wirklich einen Einfluss auf die Fusion und ihren Zeitpunkt. Eine größere Rolle haben aber wahrscheinlich – genau – die Aktionärsinteressen gespielt.

Der „Enteignungsbedarf“, den so viele Bürger:innen dieser Stadt haben, dürfte also noch stärker geworden sein. Mit dem Unterschied, dass nun ein Unternehmen weniger auf der Enteignungsliste steht und ein anderes so groß geworden ist, dass es den Argumenten der Enteignungsinitiative noch mehr Nachdruck verleiht. Kein Unternehmen sollte so viele Wohnungen besitzen. Vor allem dann nicht, wenn dessen offizielles Ziel Gewinnausschüttungen an Aktionär:innen sind, die sich nicht die Bohne dafür interessieren, wenn Menschen den Großteil ihres erarbeiteten Geldes für eine Wohnung ausgeben müssen und die Stadt dadurch ihr Gesicht verliert.


Mehr zum Thema

Auf Wohnungssuche? In diesen 12 Ecken in Berlin zahlt ihr vergleichsweise wenig Miete. Oder ihr versucht mit Tricks an eine günstige Wohnung zu kommen. Wir haben 12 Tipps um eine bezahlbare Wohnung zu finden, gesammelt. Übrigens: Das sind die teuersten Straßen und Bezirke in Berlin.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin