Nachhaltigkeit

Flughafen BER: Erfüllt sich der Traum vom grünen Fliegen?

Der Flughafen BER soll schuldenfrei und Vorbild für nachhaltiges Fliegen werden. Das klingt unwahrscheinlich und sogar widersprüchlich – wie Trauerfeier, bittersüß oder integrer Verkehrsminister. Doch genau das hat Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) geplant. Corona-Hilfen sollen den Flughafen BER aus dem Schuldenloch hieven, alternatives Kerosin wiederum die CO2-Emissionen drücken. Ideen zur Umsetzung sind also da. Und ganz so schlecht sieht es nicht aus – zumindest die Finanzierung scheint greifbar. Beim nachhaltigen Fliegen hapert’s hingegen, aus vielerlei Gründen.

Nachhaltige Flugreisen? Am Flughafen BER sollen Flüge irgendwann grün sein. Nur das gute Konzept dafür fehlt noch. Foto: Imago/Jochen Eckel

Der Flughafen BER erhält Finanzspritzen

Längst dürfte es schwierig sein, Erfolge im Zusammenhang mit dem Flughafen BER als solche zu verkaufen. Finanzsenator Daniel Wesener probierte es beim neukonstruierten Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses trotzdem. So sehe es wohl danach aus, dass die geplante Teilentschuldung der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg – Pandemie und Baudebakel sorgten für einen holprigen Start – von der EU genehmigt werden könnte.

Ein Sanierungspaket sieht insgesamt 2,41 Milliarden Euro vor, mehr als eine Milliarde Euro entfallen dabei auf Corona-Hilfen. Das birgt Hoffnung für einen Betrieb, der nach der Geburt statt Laufen nur Straucheln gelernt hat. Hier sei angemerkt: Lehnt Brüssel letztlich ab, plumpst der Flughafen wieder hin und kommt eventuell nicht mehr hoch. Optimismus ist also erstmal nicht schlimm. Unrealistisch ist das Vorhaben ohnehin nicht. Genehmigte doch die EU-Kommission vergangenes Jahr milliardenschwere Beihilfen für die dänische Nerzbranche. Wichtig ist vor allem, dass die EU die Corona-Hilfen nicht als illegale Wettbewerbshilfen wertet.

BER als Vorbild für ökologische Flugreisen?

So optimistisch er auch klingen mag, Wesener ging noch einen Schritt weiter. Er sagte, dass der Flughafen BER zum Vorbild für ökologisches Fliegen werden soll. „Gemeinsam mit Brandenburg streben wir die Ansiedlung einer Demonstrationsanlage für die Herstellung von alternativem Kerosin an“, kündigt er an. Der eine Plan für Berlin und Brandenburg, der andere für den Planeten.

Was er genau meint, ist unklar, auch nach Anfrage vom tipBerlin. Ein Sprecher der Senatsverwaltung sagte, dass sich die Fluggesellschaften mit steigenden CO2-Preisen auseinandersetzen müssen. „Demzufolge sind teure, klimaschädliche Emissionen generell zu senken. Es geht also nicht um das Ob, sondern um das Wie.“

Für das Wie gibt es, zumindest in Bezug auf Kerosin, zwei Alternativen: Bio- und synthetisches Kerosin. Ersteres wird etwa aus Raps gewonnen und sorgt für weniger Ruß-Ausstoß: bei halb/halb-Mischung rund 50 Prozent, die Stickoxid-Emissionen bleiben aber gleich. Ein Nachteil: Der Anbau von der zur Erzeugung nötigen Pflanzen braucht viel Fläche. Intakte Ökosysteme könnten so gefährdet werden, Stichwort Monokulturen. Es ist zwar auch möglich, den Treibstoff aus Pflanzenabfällen zu gewinnen, aber das macht die Herstellung teuer und energieintensiv.

Große Worte, wenig dahinter

Nein, Bio-Kerosin wäre wohl keine gute Option. Bleibt noch der synthetische Treibstoff. Im Emsland gibt es dafür bereits eine Anlage, die weltweit erste. Zur Herstellung nutzt sie Wasser, Strom aus erneuerbaren Quellen und CO2 aus der Atmosphäre. „Damit E-Kerosin als nachhaltiger Antriebsstoff auch wirklich funktioniert, muss zur Herstellung 100 Prozent erneuerbare Energie genutzt werden“, sagt Andreas Knie, Mobilitätsforscher und Professor für Soziologie an der TU Berlin, im Gespräch mit tipBerlin. „Das ist technisch sicherlich möglich. Aber Energie aus Erneuerbaren ist zurzeit und auch noch in den nächsten Jahren extrem knapp. Es ist abzusehen, dass für den Flugbetrieb keine ausreichende Verfügbarkeit bestehen wird.“

Kaum vorstellbar also, dass der Flughafen BER voll auf E-Kerosin setzt, dafür dürfte es noch an erneuerbaren Energien mangeln. Natürlich kann es so, wie es aktuell ist, nicht ewig weitergehen. Laut Knie sind die Folgen der Emissionen von Flugzeugen noch nicht ausreichend erforscht. „Aber im Durchschnitt sind Treibhausgase mit mehr als 284 Gramm pro Kilometer ein Vielfaches höher als beispielsweise bei der Bahn (50 Gramm pro Kilometer).“

Knie schätzt zudem, dass wir wirklich nachhaltige Flüge nicht mehr erleben werden. Dafür habe die Branche in den letzten 20 Jahren zu sehr aufs Geschäft, nicht aber auf technologischen Fortschritt geachtet. Um eine Veränderung durchzubringen, braucht es Umstellungsprozesse. Für die ist wiederum viel erneuerbare Energie nötig. Darüber hat der Finanzsenator nicht gesprochen. Schade, hat doch die Zeit bewiesen, dass Versprechen in Zusammenhang mit dem BER ganz oft an der Realität scheiterten.


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