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Kommentar

Bundesverfassungsgericht kippt den Mietendeckel – fresst Dreck, Mieter!

Es kam, wie es kommen musste. Die CDU und FDP haben sich mit ihrer Normenkontrollklage durchgesetzt. Mit Verweis auf geltende Bundesgesetze, die Mieten landesweit regulieren, kippte das Bundesverfassungsgericht den Ende Februar 2020 in Berlin eingeführten Mietendeckel. Das Gesetz des rot-rot-grünen Senats sollte die Mieten in Berlin für fünf Jahre einfrieren. Daraus wird nichts. Berlin hat in der Sache demnach keinen Gestaltungsraum – und die Vermieter haben wieder freie Fahrt. Das weiß man seit diesem Donnerstagmorgen. Friss Dreck, Mieter! Ein resignierter Kommentar von Jacek Slaski.

Das Bundesverfassungsgericht kippt den Mietendeckel: Demonstration von Mieterorganisationen und politischen Initiativen gegen hohe steigende Mieten, am 27. März 2021 in Berlin. Foto: Imago/Ipon
Demonstration von Mieterorganisationen und politischen Initiativen gegen hohe steigende Mieten, am 27. März 2021 in Berlin. Foto: Imago/Ipon

Auf Twitter riefen Aktivisten schon Stunden vor der Entscheidung zur spontanen Unmutsbekundung am Hermannplatz auf. Man ahnte es. Irgendwas von „Wut und Lärm“ schrieben die Gruppen, man solle Topfdeckel mitbringen und sich dort um 18 Uhr versammeln, um gegen die schreiende Ungerechtigkeit anzutrommeln. Das bringt natürlich exakt genauso viel wie die riesigen „Mietwahnsinn“-Demos, zu denen Zigtausende kamen. Nämlich Nichts. Nullkommagarnichts. 

Alle Mietpreisbremsen, Mietendeckel, Mietenspiegel, Milieuschutzgebiete, Bestellerprinzipien für Makler und sonstige Instrumente zur Eindämmung der explodierenden Mietpreise scheiterten früher oder später in der Praxis und der Markt regulierte sich selbst. Warum in aller Welt hat irgendjemand angenommen, dass es im Falle des Mietendeckels, wie das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“ offiziell heißt, anders sein sollte? Dafür sind diesmal die Bundestagsfraktionen der CDU und FDP mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verantwortlich.

Da hilft kein Trommeln auf dem Kochtopf

In den Vorstandsetagen der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen, Vonovia und anderen sorgt die Entscheidung sicherlich für Erleichterung. Für die etwa 1,5 Millionen Berliner Mieter, die von dem Gesetz profitiert hätten, heißt es nun, die in den vergangenen gut zwölf Monaten eingesparten Mietzahlungen müssen voraussichtlich an die Vermieter zurück überwiesen werden – und in Zukunft dürfen die Mieten ungebremst nach oben gehen. So sieht es aus, da hilft kein Trommeln auf dem Kochtopf. 

„Man kann nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte“, Max Liebermanns alter Spruch kommt in den Sinn. Nicht nur angesichts der Profitgier der Großvermieter, die einzig auf ihre Renditen schielen oder der moralischen Verwerflichkeit der CDU- und FDP-Abgeordneten, die sich mal wieder als willige Vollstrecker der Wirtschaft und nicht als Vertreter des Volkes entpuppt haben. Nein, das ist ja eigentlich nichts Neues, viel mehr ist von der Seite nicht zu erwarten. Auch wenn man sich fragen muss, welcher klar denkende Mensch, der zur Miete wohnt, diese Parteien überhaupt noch wählen kann. Aber er wird es, spätestens bei der nächsten Bundestagswahl. Davon ist auszugehen. Maskenaffäre, Lobbyismus, Klage gegen den Mietendeckel – alles egal. 

Neoliberale Legende von „Angebot und Nachfrage“

Das große Problem ist aber eigentlich die neoliberale Legende von „Angebot und Nachfrage“, mit der die rasant steigenden Mieten immer wieder erklärt werden und mit der auch kleine Mieter die Entscheidung rechtfertigen dürften. Die kapitalistische Logik des freien Marktes verinnerlicht, argumentieren so auch Menschen, deren Mieten wieder steigen, trotzdem gegen eine Regulierung und schwadronieren von „Zuständen wie in der DDR“, Schutz von Eigentum, Vertragsfreiheit oder einem vermeintlichen Investitionsstopp im Wohnungsbau, der uns angesichts eines erfolgreichen Mietendeckes gedroht hätte. Angeblich.

Hierbei handelt es sich aber nicht um „Angebot und Nachfrage“. Vermieter erhöhen die Mieten aus einem einzigen Grund: weil sie es können. Und die Mieter zahlen immer mehr, weil sie keine andere Wahl haben. Im Gegensatz zu Fernreisen, Segelbooten oder einem neuen Audi SUV kann man auf eine Wohnung nicht verzichten. Wohnen ist kein Luxus, es ist nun mal notwendig. Manche behaupten, es sei ein Grundrecht. Wenn die Preise steigen (in Berlin haben sie sich allein in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt) muss man zahlen, will man nicht unter der Brücke leben. So einfach ist das. Was die Vermieter tun, ist Erpressung.

Doch die von CDU und FDP angestoßene und nun vom höchsten deutschen Gericht bestätigte Klage verharrt auf der geltenden und tendenziell vermieterfreundlichen Gesetzeslage. Damit wirkt die Sache rechtens, tatsächlich ist aber das gesamte Gefüge schief. Statt den Mietendeckel in Berlin abzuschmettern, sollte er lieber auf Bundesebene eingeführt werden. Dazu müssten sicherlich einige Gesetze neu geschrieben werden und dafür hätten sich die Abgeordneten ja auch einsetzen können, statt Akten nach Karlsruhe zu schicken. Zugegeben, ein irrer Gedanke, genauso wie die Annahme, dass etwas Topfschlagen am Hermannplatz irgendetwas bewirken könnte.

Post vom Vermieter kommt demnächst. 

  • Am 15. April um 18 Uhr findet auf dem Neuköllner Hermannplatz eine Demonstration mit Kochtöpfen und Topfdeckeln statt. Die Forderung: ein bundesweiter Mietendeckel.

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