Armut

Gaspreise in Berlin und Armut: Entlastung ja, Gießkanne nein

Mittlerweile ist klar, wie hoch die Preissteigerungen für Gas ausfallen: 2,419 Cent pro Kilowattstunde, ausgerechnet von der Firma Trading Hub Europe. Um Menschen mit geringem Einkommen und Rentner:innen zu entlasten, kündigte die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Hilfen an. Endlich soziale Politik vonseiten einer Sozialdemokratin, könnte man meinen. Doch Unterstützung solle es nur unter Vorbehalt geben. Eine furchtbare Idee, findet unser Autor.

Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey, wenn sie prüft, ob jemand auch „wirklich“ Hilfe bei den Gaspreisen braucht. Foto: Imago/Metodi Popow

Wie hohe Gaspreise in Berlin ausgleichen?

Die ersten Briefe dürften bei einigen Berliner:innen eingetrudelt sein. Höhere Nebenkosten aufgrund gestiegener Gaspreise. Manche müssen monatlich 30 Euro mehr abdrücken, andere 40 Euro und bei einigen dürfte es noch mehr sein. Letztlich entscheiden Wohnungsgröße, -lage und, wohl am wichtigsten, Verbrauch, wie hart die Gasumlage Kontostände trifft.

Dass der Berliner Senat ankündigte, Menschen mit geringem Einkommen finanziell zu unterstützen, ist entsprechend ein gutes Zeichen. Ein kleinen Seitenhieb von Bürgermeisterin Giffey gegen die Bundesregierung gab es ebenfalls: „So wie der Vorschlag von Christian Lindner (FDP) jetzt aussieht, wird es für Rentnerinnen und Rentner keine zusätzlichen Hilfen geben.“

Zur Erinnerung: der Finanzminister plant, den Spitzensteuersatz und den Grundfreibetrag für Einkommenssteuern zu erhöhen. Ersteren deutlich stärker. Renten sind davon nur bedingt betroffen und auch nur in geringem Ausmaß, Arbeitnehmer:innen, die keine Einkommenssteuer zahlen, weil sie zu wenig verdienen, und Erwerbslose, überhaupt nicht.

Doch ein Giffey-Vorschlag ist nur ein Giffey-Vorschlag, wenn es Vorbehalte gibt. „Wir können keine Entlastungspolitik per Gießkanne machen, es muss konkret um Härtefälle gehen, die die berechtigte Sorge haben, dass sie ihre Stromrechnung nicht zahlen können“, sagt sie.

Stellt sich die Frage nach dem „Wie“. Wie sollen sie ihre Bedürftigkeit nachweisen, wie zeigen, dass sie Härtefälle sind? Wie werden solche überhaupt definiert? Konkrete Pläne hat der Senat noch nicht vorgestellt, Antworten werden also erst noch folgen oder floskelig gesagt: Es bleibt spannend.

Irgendwie nicht befriedigend

Vielleicht fordert der Senat, dass Betroffene ihr Thermostat fotografieren, regelmäßig Updates faxen. „Ja, ist noch immer kalt, können nicht heizen, klappt finanziell nicht.“ So richtig auffallen wird das aber erst, wenn Nachzahlungen anfallen. Gut, hier wäre eine Möglichkeit, die Rechnung der zuständigen Behörde zuschicken. Bliebe lediglich die Frage, woran diese festmacht, ob eine Unterstützung auch „wirklich“ nötig ist. Ab Preis X, Wohnungsgröße Y, Gasverbrauch Z? Holprig, holprig.

Ein bisschen, so scheint, setzt der Senat hier eher auf Effekthascherei. Bisschen (berechtigte) Stichelei gegen das Finanzministerium, bisschen Retterinszenierung, bisschen Angst vor Gießkannen. Zu Giffeys Verteidigung: Das Budget der Länder ist begrenzt. Der Bund könnte/müsste eigentlich mehr Mittel zur Verfügung stellen. Mehr Schulden würden nicht wehtun.

Wenigstens plant das Bundesfinanzministerium die Gasumlage von der Mehrwertsteuer zu befreien. Das ist gut. Keine andere Abgabe belastet die unteren 50 Prozent stärker, wenngleich besser wäre, nicht nur die Umlage zu befreien, sondern die Gaspreise insgesamt. Allerdings steht da das EU-Recht im Wege, das einen Mindestsatz vorsieht. Und wenn Deutschland stets eins wichtig war, dann die Richtlinien der Europäischen Union. Eine Entscheidung steht noch aus. Wie man es auch dreht, das Ergebnis ist immer unbefriedigend, vor allem für Menschen in Armut.


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