Kommentar

Haushaltskürzungen: Berlin spart sich die Zukunft

Die Haushaltskürzungen zeigen eine erschreckende Ambitionslosigkeit des Berliner Senats. Ein Kommentar.

Robuste gute Laune: der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (Mitte) mit dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh (vorn) und Finanzsenator Stefan Evers (hinten) bei der Pressekonferenz zu den Haushaltskürzungen. Foto: Imago/Funke Foto Services/Maurizio Gambarini

Haushaltskürzungen: Bitter für Kultur, Verkehr und Umwelt

Berlin sieht Rotstift.

Zwei Milliarden hat der Senat aus dem Jahresbudget für 2025 gestrichen, eine weitere Milliarde soll unter anderem durch Mehreinnahmen dazukommen. Nein, höhere Anwohner-Parkgebühren sind natürlich nicht dabei. Die CDU ist immer noch eine Autofahrerpartei.

Der Drei-Milliarden-Hammer zeigt, dass dieser CDU-SPD-Senat keine Vision hat, wohin es mit der Stadt in den nächsten Jahrzehnten gehen soll. Es ist eine erschreckende Ambitionsarmut.

Mit den Kürzungen spart sich Berlin einen Gutteil seiner Zukunftspläne, damit bei den Leib- und Magenthemen möglichst vieles so bleibt, wie es ist. Besonders die SPD hat hierbei gut verhandelt. Die von ihr geführten Verwaltungen für Inneres und Sport sowie Soziales und Arbeit kommen mit vierprozentige Kürzungen vergleichsweise moderat aus der Streichorgie heraus. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kann eben auch gönnen.

Dagegen fliegt Ute Bonde, auch CDU, aus der Verkehrs- und Umweltverwaltung mit Kürzungen von 660 Millionen Euro, das ist fast ein Fünftel ihres Budgets, ihr Etat regelrecht um die Ohren. Verkehr und Umwelt haben in diesem Senat keine Priorität mehr.

Am wenigsten schade ist es dabei um das gerade erst eingeführte 29-Euro-Ticket, das so schnell wie möglich wieder gestrichen werden soll. Das hatte sich die SPD sowieso nur ausgedacht, weil sie irgendwas auf Franziska Giffeys Wahlplakate schreiben musste. Es war verkehrspolitischer und finanzpolitischer Unfug.

Aber auch andere Verwaltungen müssen Abstriche machen. Zum Beispiel die Bildungsverwaltung vom Katharina Günther-Wünsch, CDU. So wird die Schulbauoffensive ein bisschen defensiver. Zwei Neubauten werden gestrichen. Einer davon in Pankow, bekanntermaßen der Berliner Bezirk mit dem größten Schuldruck. Die schon geplante Schule im Blankenburger Süden wird natürlich immer noch irgendwann benötigt. Dann allerdings dürfte sie noch erheblich teurer werden. Die Baukostenentwicklung hält sich nicht an Berlins knappe Kassen.

Die Kulturszene protestiert vergeblich

Und noch bitterer als ohnehin schon befürchtet wird es für die Berliner Kulturszene. 130 Millionen Euro muss Joe Chialo, CDU, einsparen. Rund zwölf Prozent des Etats. Trotz aller Proteste der Berliner Kulturszene. Für den Dienstagabend ist noch einmal eine Protestaktion im Haus der Berliner Festspiele geplant. Wird vermutlich genauso viel bringen wie die Aktionen davor. Nichts.

Proteste der Berliner Kulturszene gegen die Kürzungen am 13. November vor dem Brandenburger Tor. Foto: Imago/Metodi Popow

Der CDU-SPD-Senat korrigiert jetzt den unsoliden Haushalt, den er selbst vor eineinhalb Jahren aufgestellt hat. Schwarz-Rot hatte mit Luftbuchungen jongliert, um sich einen Koalitionsstart in Saus und Braus zu organisieren. Obwohl der Finanzsenator früh genau davor warnte.

Nicht wenige Kultureinrichtungen dürften mit dem damaligen Haushaltsbeschluss zugesicherte Gelder längst verplant haben, die ihnen jetzt gestrichen wurden. Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensembles, bezifferte im „Tagesspiegel“ die faktischen Kürzungen beim künstlerischen Etat für sein Haus auf rund 40 Prozent. In den nächsten beiden Spielzeiten werde man „mindestens fünf Produktionen“ streichen müssen. Jetzt müsse er aufpassen, dass nicht Ausfallhonorare fällig werden.

Vielleicht sollte sich Joe Chialo für eine Weile nicht allzu oft in einem Zuschauerraum der Hauptstadt sehen lassen.

Dass mit Bonde und Chialo ausgerechnet die beiden Quereinsteiger die größten Krater in ihren Etats hinnahmen, spricht jedenfalls dafür, dass Polit-Greenhorns in Regierungsverantwortung vielleicht doch nicht optimal aufgehoben sind.

Kai Wegner hat den beiden gezeigt, wo der Hammer hängt. Beim Profi.

Der Finanzsenator twittert weißen Rauch

Es ist eine Binse, dass Etatkürzungen immer schmerzhaft sind. Mehr Geld auszugeben ist natürlich viel geiler, als weniger Geld auszugeben. Außer man ist hauptberuflich Finanzsenator. Stefan Evers (CDU) muss man sich derzeit als einen glücklichen Menschen vorstellen. Nach der finalen Spitzenrunde am Montagabend, 18. November, twittert Evers allen Ernstes ein Foto vom weißen Rauch.

Kardinalfehler. Ach du lieber Gott.

Dass rund ein Drittel der Sparsumme über „alternative Finanzierungsmethoden“ finanziert werden sollen, wie es die Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey, SPD, formulierte, klingt auch nicht so richtig sexy. Faktisch heißt das, dass landeseigene Unternehmen wie beispielsweise die BVG dafür Kredite aufnehmen müssen.

Man kann sich ausmalen, dass diese Maßnahme nicht zur bereits jetzt höchst fragilen Zuverlässigkeit des Öffentlichen Nahverkehrs betragen wird. Fällt eben wieder irgendwas aus. Pech.

Kai Wegners Berlin: arm, aber unsexy

Immerhin: Schwarz-Rot ist mit sich selbst sehr zufrieden. Wie geräuschlos die Konsolidierung verlief. Über Monate. Bis zum Schluss. Wegner sagte bei der Pressekonferenz zu den Kürzungen: „Wir haben immer noch einen Rekord-Haushalt. Das ist das höchste Gesamtvolumen eines Berliner Haushalts seit dem Mauerfall.“ Der gute Mann verfügt einfach über eine robust gute Laune. Vielleicht wirkt die schöne USA-Reise von neulich noch nach.

Da streicht man eben auch mal eben die dringend benötigte Verwaltungsdigitalisierung um 22 Prozent zusammen. Wieder ein bisschen Zukunft gespart.

Apropos Zukunft. Auf Berlin kommen harte Zeiten zu, aber das ist die Stadt ja gewohnt. Arm, aber unsexy: Das ist Wegners Coverversion des guten alten Greatest Hit von Klaus Wowereit.

Berliner Senatspolitik (Symbolbild): gestoppter Abriss des Stadions im Jahnsportpark. Foto: Imago/ Matthias Koch

Wer ein Symbolbild für die Senatspolitik braucht, könnte jetzt in Prenzlauer Berg fündig werden. Dort steht der Jahnsportpark, dessen geplanter, zuletzt auf 200 Millionen Euro bezifferter Umbau zu einem inklusiven Stadion jetzt auf Eis gelegt wird.

Leider wurde die Haupttribüne, ein Relikt der DDR-Moderne, bereits derb mit dem Bagger bearbeitet. Mal sehen, wie lange die Trümmerlandschaft da jetzt einfach so liegen bleibt.

So ähnlich fühlt sich jedenfalls auch die Krisenstrategie des Senats an: Erst mal kaputt machen und dann gucken, was übrig bleibt.

Trümmerberge.


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„Es wird Schmerzen geben“: Die Kürzungen im Überblick. Angesichts der Sparmaßnahmen haben wir gefragt: Verliert Berlin nun seinen Ruf als Kulturmetropole? Was uns bewegt, erfahrt ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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