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Kommentar

Köpi-Räumung: Ein Stück Berlin, von dem alle profitieren, geht verloren

Am Freitag, 15. Oktober, räumt die Polizei den Wagenplatz neben dem linken Kultur- und Wohnprojekt Köpi. Damit geht ein Stück individuelles und alternatives Berlin verloren, von dem alle profitieren, auch die Immobilienfirmen und die Stadt als Ganzes. Das macht besonders wütend, weil es Lösungen für den Köpi-Wagenplatz gab und dieses traurige Ende hätte verhindert werden können.

Räumung des Köpi-Wagenplatzes: Orte wie die Köpi gibt es in Berlin kaum noch.
Orte wie die Köpi gibt es in Berlin kaum noch. Foto: Imago/Joko

Köpi-Räumung: Investor:innen zerstören die Gegend, an der sie verdienen

Es steht in allen Reiseführern, in Romanen, auf den Portalen der Stadt und sogar in den Exposés von Immobilienfirmen, die ihre Gebäude in Mitte und Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Neukölln anpreisen: wie schön lebendig Berlin doch ist, wie alternativ, wie attraktiv für zahlungskräftige Mieter:innen. Ein Haus in Kreuzberg, egal ob Alt- oder Neubau, ist eine Goldgrube, die Wohnungen lassen sich zu Höchstpreisen vermieten – weil im Kiez das Leben tobt und weil wirklich viele Menschen die Mischung aus kleinen Läden, Kneipen, Kunst und Musik und denen, die sie machen, schätzen.

Genau diese Mischung kaputtzumachen, die den Immobilienfirmen und der Stadt hilft, Geld zu verdienen, daran arbeiten sowohl Immobilienfirmen als auch verschiedene Vertretungen von Senat und Bezirken mit einer Kontinuität, die einen nur verzweifelt und ungläubig zurücklassen kann. Am Freitag, 15. Oktober 2021, folgt die neueste Posse, die sich in Mitte am Rande von Kreuzberg am linken Wohnprojekt Köpi abspielt.

Polizei soll den Wagenplatz neben der Köpi räumen

Die Polizei soll am 15. Oktober den Wagenplatz neben der Köpi räumen und hat deswegen vorsorglich den gesamten Bereich zwischen Adalbertstraße und Paula-Thiede-Ufer zur roten Zone erklärt. Geräumt wird für die gesichtslose Briefkastenfirma Startezia GmbH, bei der der Vorstand der Sanus AG, Siegfried Nehls, die Fäden in der Hand haben soll. Der Sanus AG gehören noch etwa ein Dutzend weitere Immobilienprojekte in Berlin.

Die Bewohner:innen des Wagenplatzes und des Hausprojekts Köpi haben angekündigt, Widerstand zu leisten. Das Motto lautet: „Köpi bleibt Risikokapital“ – und das bedeutet Ärger für Immobilienspekulant:innen. Die Polizei, das ist zu erwarten, wird den Platz mit wenig Feingefühl gegenüber den linken Aktivist:innen räumen. Seine Bleibe verliert damit auch ein Teil eben jener (Lebens-)Künstler:innen, der Kreuzberg so einzigartig und anziehend macht – für Tourist:innen, andere kunstschaffende Menschen und schlicht alle, die keine Lust auf Luxusapartments haben.

Räumung des Köpi-Wagenplatzes: Am 9. Oktober protestierten Tausende gegen die Räumung der Köpi.
Am 9. Oktober protestierten Tausende gegen die Räumung der Köpi. Foto: Imago/Future Image

Die Eskalation hätte verhindert werden können

Denn dass die von der Räumung betroffenen Leute eine neue, bezahlbare Bleibe in der Gegend finden, ist angesichts des aus der Kontrolle geratenen Wohnungsmarkts unwahrscheinlich. Manche wollen das vielleicht auch gar nicht, weil sie nicht in reguläre Mietwohnungen passen, weil sie sich genau das Lebensmodell eines Wagenplatzes, der oft wie eine Familie funktioniert, in der sich alle helfen, ausgesucht haben. Und das ist okay so.

Die Köpi blickt auf eine lange Geschichte zurück, die Besetzung des Hauses an der Grenze von Mitte und Kreuzberg erfolgte wenige Monate nach dem Mauerfall im Februar 1990. Das Projekt ist nicht nur Wohnort für viele Menschen, sondern auch Kulturort für noch viele mehr. Hier finden Konzerte und Workshops statt, es gibt ein Kino, Werkstätten und Ateliers. Kulturelles Kapital, von dem die Stadt direkt profitiert: Vor der Pandemie haben Reiseführer täglich Gruppen von Tourist:innen an dem markanten Haus vorbeigeführt.

All das ist nun bedroht: kurzfristig der Wagenplatz, aber mittelfristig auch die Köpi selbst. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat für die Startezia GmbH einen Bebauungsplan genehmigt, der nicht nur die Bebauung des Wagenplatzes erlaubt, sondern auch die Errichtung eines Vorderhauses vor dem Haupthaus. Der Charakter des Geländes ginge damit verloren.

All das hätte verhindert werden können. Der Anwalt und die Bewohner:innen der Köpi und des Wagenplatzes haben eine Lösung vorgeschlagen, nach der neue Wohnungen hätten gebaut werden können und der Platz erhalten geblieben wäre. Darauf hat sich die Startezia GmbH, sich ihrer Rolle als Bösewicht in der Geschichte treu bleibend, nicht eingelassen. Die BVV Mitte hätte auch den Bebauungsplan so nicht genehmigen müssen. Das ist enttäuschend – für Berlin, für Kreuzberg und Mitte und für tausende Menschen mit Visionen im Kopf.


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Die Köpi ist eines der wenigen Häuser, die mal besetzt wurden und nicht am Ende in den Händen von Immoblienspekulant:innen gelandet sind. Wir haben die Geschichte der berühmtesten besetzten Häuser in Berlin, von der Mainzer Straße über das Tacheles bis zur Rigaer, zusammengefasst. Besonders hart war der Kampf um die Mainzer Straße. 30 Jahre nach der Räumung sprachen wir mit Beteiligten. Er starb bei einem Polizeieinsatz: Ende September 2021 jährte sich der Todestag des Hausbesetzers Klaus-Jürgen Rattay zum 40. Mal.

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