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Analyse

Luca: Senat will App schnell zum Standard machen – das sind die Bedenken

Startet Berlin bald die breitangelegte Kontaktverfolgung mit der App „Luca“? Zumindest möchte das offenbar der Regierende Bürgermeister Michael Müller – und greift damit der Bundesregierung vor, die eine einheitliche Entscheidung für ganz Deutschland will. Luca soll eine schnelle Kontaktnachverfolgung ermöglichen, da sie per QR-Code eine schnelle, personengebundene Registrierung in Restaurants, Bars, Geschäften und anderen Orten mit Publikumsverkehr erlaubt. Problem: Es gibt Datenschutzbedenken. Und dann auch noch die Frage nach dem Sinn.

Die App Luca ermöglicht eine einfache Kontaktnachverfolgung, Gesundheitsämter können die Menschen schnell warnen. Die Infektionszahlen sollen so sinken, bald alles besser sein, sogar die Kultur wieder zum Leben erwachen. Geht das? Foto: Imago/MiS

Luca erstellt Kontaktketten, die bei einer Corona-Infektion überprüft und informiert werden können

Kurz zusammengefasst produziert Luca einen QR-Code, der nützlich wird, sobald sich Menschen in der Nähe anderer aufhalten. Dieser wird vor Ort gescannt (oder der Nutzer scannt einen QR-Code). Wird ein Corona-Fall bekannt, werden die Daten (und auch erst dann) mit dem örtlichen Gesundheitsamt geteilt. Die App kann dann ermitteln, welche Nutzer*innen ebenfalls an den Orten waren, an denen sich der Infizierte aufgehalten hat. Diese werden dann umgehend informiert. Eine Nutzung über den Browser ist ebenfalls möglich. Und wer kein Smartphone hat, kann sich sogar einen Schlüsselanhänger mit einem QR-Code zukommen lassen.

Gegenüber der bisherigen Warn-App, die anfangs noch überzeugend wirkte, aber sehr schnell an Glanz verlor, hat Luca einen Vorteil: Das System wäre deutlich konkreter, die Infektionsketten und -herde ließen sich klarer erkennen. Die Geschäftsführer*innen der Luca nutzenden Betriebe haben keinen Zugriff auf die Daten. In der Gastronomie und im Kulturbetrieb ist ein halbwegs verlässliches Warnsystem ein Traum: Denn Betroffene würden auf sonst möglicherweise unbemerkte Infektionen hingewiesen – und somit Infektionsketten durchbrochen werden. Funktionen, auf die man sicher auch bei der ersten App gehofft hatte, an denen noch gearbeitet wird.

Corona-Warn-App und Luca-App auf einem Smartphone. Foto: Imago/Christian Ohde

Wer sich erinnert: Mit der Einführung der Corona-Warn-App gab es im vergangenen Jahr riesige Datenschutzbedenken. Viele weigerten sich, das Programm zu installieren aus Angst vor Bewegungsprofilen, die öffentlich werden können. Klassische Sorgen eben, wenn es um vertrauliche Details zur eigenen Person geht. Dabei wurde damals umfassend noch das letzte Detail über den Quellcode der App, die Datenschutzmaßnahmen und alles andere dargelegt.

Kritik an Luca: Quellcode sollte zuerst geheim bleiben

Bei Luca ist die Lage zuletzt kritischer gewesen: Mit Hinweise auf Patente und den zusätzlichen Arbeitsaufwand bei einer Open-Source-App hatten die Entwickelnden die Absicht, den Quellcode vorerst für sich zu behalten – was Datenschützende sofort irritierte, denn gerade bei derart sensiblen Apps wäre es schlicht sinnvoll, möglichst viele Menschen nach Schwachstellen suchen zu lassen.

Die Kritik nahm man bei Luca offenbar ernst, per Tweet erklärte das Unternehmen vor einer Woche, Ende März würde besagter Quellcode öffentlich gemacht werden.

Datenschützende fordern zudem, dass gewährleistet sein muss, dass ausschließlich Gesundheitsämter und diese dann auch nur im Infektionsfall auf die erhobenen Daten zugreifen können. Das Technikmagazin t3n hatte dazu mit Manuel Atug, IT-Sicherheitsexperte bei HiSolutions, gesprochen, der bezweifelt, dass der dafür notwendige im Browser erzeugte digitale Schlüssel die notwendigen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

„Alles in allem sieht es so aus, als sei die Luca-App in einem Stadium in Produktion gegangen, in der man sie höchstens als Alpha-Version veröffentlichen hätte können. Dass jetzt nachträglich ein so wenig aussagekräftiges Sicherheitskonzept vorgestellt wurde, macht es nicht besser. Secure-by-Design war hier offenbar nicht der verfolgte Ansatz“, sagte der Experte. Viele hegen auch Zweifel, dass alle Gesundheitsämter überhaupt ausreichend digitalisiert sind, um mit den Daten schnell und sinnvoll umzugehen und Konsequenzen daraus zu ziehen.

In Landespolitik viele begeistert von Luca – die Bundesregierung wartet ab

Trotzdem sind einige Politiker*innen bereits schwer begeistert. Mecklenburg-Vorpommern hat schon eine Lizenz erworben, die App ist vielerorts im Einsatz, jetzt will eben auch Berlin loslegen – während auf Bundesebene eben auch durchaus existierende Alternativen geprüft werden.

Die große Frage ist ohnehin, inwiefern die App die Problem lösen kann, vor die Corona die Gesellschaft stellt. Was passiert, wenn Geschäfte und Kulturveranstaltungsorte auf die Nutzung der App bestehen? Käme das nicht einer Impfpflicht gleich, die fortwährend bestritten wird? Gut, die mentale Hürde – eine App herunterladen gegen etwas in seinen Körper spritzen lassen – ist sicher beim Impfstoff höher. Es ist aber sicher, dass es umfassende Proteste geben wird. Spätestens, wenn die Nutzung verpflichtend wird: Wo beginnt die Pflicht – Kulturveranstaltungen, Gastronomie? Wo hört sie auf – bei Supermärkten? Alle oder keine*r? Wie wäre das durchsetzbar? Immerhin: Wahrscheinlich ist es schwieriger, die App zu täuschen als im Café der Wahl falsche Informationen auf ein Blatt Papier zu schreiben.

Derzeit erscheint die Rechnung, dass die Nachverfolgbarkeit von Infektionen mithilfe der App sehr schnell deutliche Fortschritte macht, doch noch wackelig. Klar, nach und nach werden immer mehr Menschen zuverlässig vor Infektionen gewarnt. Und es gibt mehr Testkapazitäten. Dass das System „Verdacht-Test-Klarheit“ bisher rund funktioniert, stimmt aber schlicht nicht.

Smudo von den Fantastischen Vier hat mit der Berliner Firma neXenio zusammenLuca entwickelt – um der Zettelwirtschaft bei der Kontaktnachverfolgung ein Ende zu bereiten. Foto: Imago/Steffen Schellhorn

Warten auf Fortschritt: Impfen statt App?

Und generell würde die Mehrheit der Menschen wohl lieber Licht am Impftunnel sehen als sich auf eine App zu verlassen. Smudo von den Fantastischen Vier, die an der Entwicklung der App der Berliner Firma Nexenio beteiligt sind, macht zwar Hoffnung, dass mit der App bald auch wieder Konzerte und andere Events möglich sind. Ein bisschen dünn erscheint das aber irgendwie als Ankündigung noch, solange die Zahlen hoch und Mutanten hochansteckend sind – reicht eine gute Nachverfolgung der Infektionsketten da überhaupt aus?

Aber vielleicht sind die Menschen auch so müde von andauernden Lockdowns, Lockerungen, Lebenswelten in Zeiten von Corona, dass sie einfach doch Luca laden, alles mitmachen und hoffen, dass es irgendwas bringt. Vielleicht schaffen es die Entwickler und die Politik ja aber doch, der Bevölkerung zu vermitteln, dass eine schnelle und einfache Datenerfassung tatsächlich dabei helfen kann, Corona ein Stück weit zu bekämpfen. Dafür müssen dann aber wirklich alle Zweifel in Sachen Datenschutz ausgeräumt werden. Und sich irgendwann mal Erfolge einstellen.


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